Herr Jähne, während der Fasnacht gab es immer wieder Meldungen über Vorfälle, bei denen schnell der Verdacht nahe lag, es könnten K.-o.-Tropfen im Spiel gewesen sein. Wie groß ist das Problem mit diesen Substanzen Ihrer Erfahrung nach?
In der öffentlichen Wahrnehmung tauchen K.-o.-Tropfen oder auch GHB (Gammahydroxybuttersäure) immer wieder in Schüben auf, was auch mit der Verbreitung einzelner Fälle über die sozialen Medien zu tun hat. So entsteht der Eindruck, dass sich das Phänomen auf bestimmte Anlässe beschränkt. Noch dazu bietet die Fasnacht natürlich besondere Anreize. Die Leute sind maskiert, es ist ein Anlass, bei dem ohnehin über die Stränge geschlagen werden darf. Das erleichtert auch Grenzüberschreitungen. GHB haben aber durchaus ganzjährig Saison. Sie tauchen immer dann auf, wenn Menschen bei schummrigem Licht in größerer Zahl auf engem Raum zusammenkommen. Vor einigen Jahren gab es zum Beispiel vermehrt K.o.-Tropfen-Fälle bei Abi-Feiern.
Was verleitet Menschen dazu, anderen eine solche Substanz zu verabreichen?
Fakt ist, dass sich die Wirkung von Alkohol und GHB gegenseitig verstärken. Typische Folgen sind Enthemmung bei den Opfern, aber gerade auch Aussetzer des Erinnerungsvermögens. Mag sein, dass das Motiv hinter der Verabreichung ein Dummer-Jungen-Streich sein soll – gerade, wenn es scheinbar wahllos verteilt wird, drängt sich ein solcher Eindruck auf. Häufig dient die Verabreichung aber auch der Vorbereitung oder Vertuschung einer Straftat. Dabei reicht die Bandbreite von Raub bis hin zu sexuellen Übergriffen. Gerade weil Opfer regelrecht willenlos und gefügig werden, werden GHB auch als Vergewaltigungsdroge bezeichnet. Ich kann nur entschieden davor warnen, das Problem K.-o.-Tropfen zu verharmlosen. Egal welche Motivation dahinter steckt: Es handelt sich um einen bewussten Angriff auf die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Menschen, in dem man diesen gegen ihren Willen Drogen verabreicht. Das ist Körperverletzung und somit eine Straftat.
Wie schwer ist die Beschaffung dieser Substanzen?
K.-o.-Tropfen sind illegal und damit nicht so einfach erhältlich. Aber Anleitungen zur Herstellung von GHB sind leicht verfügbar, ebenso die Zutaten, die man benötigt. Genau das ist das große Problem.
Die Opfer sind häufig in mehrfacher Hinsicht die Leidtragenden. Sie benehmen sich in der Öffentlichkeit daneben, haben Ausfallerscheinungen und Gedächtnislücken. Zugleich sind die Substanzen nur wenige Stunden lang im Körper nachweisbar, was Ermittlungen erschwert. Was macht das mit Betroffenen?
Das Perfide an diesen Substanzen ist, dass sie Menschen ihre Steuerungsfähigkeit nehmen. Das heißt, dass sie Dinge zu tun, die sie unter normalen Umständen niemals machen würden. Damit werden das Bild und die Wirkung einer Person in der Öffentlichkeit zerstört, von der Würde ganz zu schweigen, denn es werden meist auch Fotos und Videos gemacht, die sich in Windeseile im Internet verbreiten. Es ist also nichts anderes als ein Missbrauch, eine Entwürdigung eines Menschen – mal ganz abgesehen von den juristischen Dimensionen, die da noch folgen können. Betroffene fühlen sich misshandelt, verletzt, auch beschmutzt und bloßgestellt. Das kann Leben vollkommen zerstören. Häufig sind posttraumatische Belastungsstörungen, Ängste bis hin zu Schwierigkeiten, sich überhaupt in die Öffentlichkeit zu begeben.
Wie kann man sich vor K.-o.-Tropfen wirkungsvoll schützen?
Einfache Mittel können schon helfen. Dazu zählt, Getränke nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Bestenfalls nutzen Sie ein Behältnis, das sich verschließen lässt. Täter suchen sich meistens leicht zugängliche Ziele oder Opfer. Wenn man Gelegenheiten reduziert, kann man schon viel erreichen. Abgesehen davon sollte man aufeinander aufpassen, wenn man in einer Gruppe unterwegs ist. Wenn sich der Freund oder die Freundin plötzlich seltsam benimmt, sollte man umgehend reagieren.
Das heißt also, lieber einmal zu viel Alarm schlagen als zu wenig?
Richtig. Denn das Gemeine an den Tropfen ist die kurze Nachweisbarkeit. Das macht es in der Regel schwer ist, einen Täter ausfindig zu machen. Umso wichtiger ist es, jeden Verdachtsfall schnellstmöglich anzuzeigen, auch wenn das unschön sein kann. Am besten sofort die Polizei informieren. Die weiß, was in solchen Fällen zu tun ist.