Nach einer dramatischen Verkehrskontrolle in Efringen-Kirchen und einem Angriff auf einen Polizisten muss sich ein mutmaßlicher „Reichsbürger“ wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

Es ist die erste Anklage, die die Bundesanwaltschaft gegen einen „Reichsbürger“ erhoben hat. Der 62-Jährige hatte nach Angaben der Bundesanwältin am 7. Februar einen Polizisten absichtlich angefahren und dabei „seine persönliche Freiheit über das Leben des Polizeibeamten“ gestellt.

So lief der erste Prozesstag

Manfred J. lässt keinen Zweifel daran, dass ihm das Leben übel mitgespielt hat, er sich von der Welt verkannt und nicht anerkannt fühlt und die Schuld daran, was sich in seinem Leben ereignet und ihn letztlich auf die Anklagebank gebracht hat, an allem und allen liegt. Nur nicht bei ihm selbst.

Wer ist Manfred J.?

Der 62-jährige gelernte Schreiner aus Efringen-Kirchen, geboren in Lörrach, nach eigener Darstellung Bürger des Großherzogtums Baden, vorbestraft und bei der Polizei als bekennender Reichsbürger aktenkundig, sitzt an diesem Montag im Stuttgarter Oberlandesgericht: Ein mittelgroßer, unauffälliger Mann mit Stirnglatze und Brille, muss sich verantworten vor einem Staat, dessen Anklägern und Richtern, die er ablehnt.

War es ein Mordversuch?

Der Vorwurf: Mordversuch, gefährliche Körperverletzung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Widerstand und Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Trunkenheit im Verkehr und noch einiges mehr.

Was war passiert?

Am 7. Februar dieses Jahres war Manfred J. im Landkreis Lörrach alkoholisiert am Steuer seines Wagens in eine Verkehrskontrolle der Polizei geraten. Statt anzuhalten, gab er Gas, die Beamten verfolgten ihn mit mehreren Streifenwagen, beschossen ihn, mehrfach konnte der Flüchtende ausweichen, bis ihm ein Beamter entgegenkam.

Manfred J. hielt frontal auf ihn zu, der heute 40-jährige Polizist kam bäuchlings auf der Motorhaube zu liegen. Statt anzuhalten, beschleunigte Manfred J. sein Auto erneut.

Das Opfer ist dienstunfähig

Dabei rutschte der Polizeibeamte von der Motorhaube und wurde schwer verletzt. Der zweifache Vater ist bis heute in ärztlicher Behandlung und dauerhaft dienstunfähig.

Weil der Generalbundesanwalt „wegen der besonderen Bedeutung des Falls“ und im Rahmen des angekündigten schärferen Vorgehens gegen Reichsbürger die Anklage übernommen hat, wird der Fall nicht in Lörrach, sondern vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in Stuttgart verhandelt.

Welche Rolle spielt die Gesinnung von Manfred J.?

Für die Bundesanwaltschaft hängen Gesinnung und Handeln bei Manfred J. zusammen: Weil er die Bundesrepublik und die hoheitlichen Befugnisse der Polizei als deren Repräsentanten nicht anerkenne, habe er sich der Verkehrskontrolle entziehen wollen und dabei auch in Kauf genommen, den Polizisten tödlich zu verletzen, heißt es in der Anklageschrift.

Der Angeklagte selbst will sich zu seiner Gesinnung und dem Sachverhalt nicht äußern, zumindest vorläufig nicht. Ausführlich schildert er dagegen mit tränenerstickter Stimme seine detailliert ausformulierten Erinnerungen an eine aus seiner Sicht schwere und lieblose Kindheit und Jugend vor. Mangelnde Zuneigung habe er erfahren, unter einer angeschlagenen Gesundheit gelitten. „Es gab ein Verbot von fast allem, was ich wollte“, sagt er. Die Schuld, das fällt auf, tragen immer die anderen: die Eltern, die Chefs, der Arzt seiner „Mutti“, und, natürlich, der Staat.

Der Anwalt grätscht dazwischen

Bei allen anderen Nachfragen des Gerichts, die auch nur in Richtung Gesinnung gehen könnten, grätscht der Anwalt dazwischen. Nur an einem Punkt wird Manfred J. deutlich: Er sitze zu Unrecht in U-Haft. Eine Aussage, die den Rechtsanwalt des als Nebenkläger fungierenden verletzten Polizisten fassungslos macht. Sein Mandant werde aussagen, aber der Prozesstermin belaste ihn: „Es geht ihm nicht gut.“

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