David Rutschmann

Nach achtstündiger Beweisaufnahme am Amtsgericht Waldshut-Tiengen stand fest: Die angeklagte Nagelstudio-Betreiberin wird nicht wegen Einschleusens von Ausländern verurteilt. Bei einer Razzia in Waldshuter Nagelstudios im Juli 2018 wurden zwei Vietnamesen ohne Aufenthaltstitel und Arbeitsbewilligung festgestellt, die im Nagelstudio der Angeklagten gerade Kundinnen bedient hatten – dieser Umstand ist unbestritten, wurde von sechs an der Razzia beteiligten Zöllnern und Bundespolizisten bestätigt und fotografisch dokumentiert.

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Doch über der Verhandlung kreiste die große Frage, ob diese Razzia ausreicht, um Schwarzarbeit in dem Nagelstudio der 26-jährigen Vietnamesin zu belegen. Der Verteidiger der Angeklagten gab sich äußert motiviert, jeden an der Razzia beteiligten Zeugen in die Mangel zu nehmen: Habe man keine Arbeitsverträge gefunden? Stundenzettel? Lohnzahlungen?

„Ohne diese Nachweise bleibt es schlicht bei der Vermutung, dass meine Mandantin die beiden Vietnamesen illegal beschäftigt haben soll“, sagte er. Die Razzia sei lediglich eine Momentaufnahme gewesen, die allerdings keine feste Beschäftigung nachweisen könne.

„Ich habe in 20 Jahren der Schwarzarbeits-Bekämpfung noch nie einen Arbeitsvertrag gefunden“, erklärte ein Zöllner, der große Expertise im Bereich der vietnamesischen Nagelstudio-Kriminalität aufwies. Er machte darauf aufmerksam, dass im Nagelstudio eine Vielzahl von datierten Abreißzetteln mit notierten Namen und Zahlen gefunden wurden.

„Aus Erfahrungen in anderen Ermittlungen wissen wir, dass darauf die Tagesumsätze notiert werden, welche die einzelnen Arbeitskräfte erwirtschaftet haben – sie erhalten zwischen 20 und 30 Prozent davon als Lohn“, erklärte der Zeuge.

Als Beweis, dass die beiden illegal tätigen Vietnamesen bereits vor dem Zeitpunkt der Razzia in dem Nagelstudio gearbeitet hatten, konnte diese Zettelwirtschaft dennoch nicht dienen. Dazu konnten die Namen auf den Zetteln nicht einwandfrei den Männern zugeordnet werden.

Der Zeuge selbst war am Tag der Razzia unter anderem an der Befragung eines 15-jährigen Mädchens beteiligt, das im Studio der Angeklagten bei der Arbeit angetroffen wurde. „Diese Befragung hat mich sehr bewegt. Sie war völlig am Ende, ein Häufchen Elend“, erzählte er.

Auch wenn das Mädchen behauptete, erst am Vormittag der Razzia mit dem Zug aus Polen angereist zu sein – „diese Geschichte haben wir in unserer Befragung von vielen Personen präsentiert bekommen“, so der Zeuge – stellte sich heraus, dass sie bereits in einem Flüchtlingslager in Berlin registriert worden war. Auch dort sei sie wegen illegaler Arbeit aufgefallen.

Das Mädchen soll einen Herzfehler haben und sei in der Hoffnung auf bessere ärztliche Versorgung nach Deutschland gekommen. Ihres beklagenswerten Zustands wegen habe sie in Berlin einen Aufenthaltstitel erhalten, der sie sogar zum Arbeiten berechtigt.

Letztlich waren also nur die beiden Männer ohne Aufenthaltsgenehmigung illegal im Studio der Angeklagten tätig. Doch die Angeklagte, die auch am zweiten Verhandlungstag nicht erschienen war, ließ durch ihren Anwalt mitteilen, dass diese Personen nicht bei ihr angestellt waren.

Am ersten Verhandlungstag hieß es noch, die Angeklagte würde die beiden Männer gar nicht kennen – obwohl eine Fotografie von Zollbeamten zeigte, wie die Angeklagte an diesem Tag direkt inmitten der beiden Männer arbeitete. In einer ergänzenden Stellungnahme teilte der Verteidiger nun mit, seine Mandantin falsch verstanden zu haben. Sie kenne die Männer zwar – doch sie seien keine Arbeitskräfte.

„Das erkennt man auch auf dem Foto, denn die beiden Männer tragen keine Masken. Alle Angestellten meiner Mandantin müssen Masken tragen“, sagte der Verteidiger. Dass die Männer dennoch gerade die Nägel von Kundinnen bearbeiteten, sei lediglich eine Gefälligkeitsleistung oder Probearbeit gewesen – zum illegalen Aufenthalt der beiden, von welchem sie nicht gewusst haben will, habe die Angeklagte folglich nicht beigetragen.

Eine Vielzahl an Indizien sprach dafür, dass es sich bei der Stellungnahme der Angeklagten, wie der Staatsanwalt in seinem Plädoyer für eine sechsmonatige Haftstrafe festhielt, um Schutzbehauptungen handelt.

Dass er der gleichen Meinung sei, ließ auch der Richter in seiner Urteilsbegründung durchblicken. Aber er folgte dennoch der Auffassung des Verteidigers, dem schlicht die „lückenlose Beweiskette“ fehlte, um die Angeklagte der Schleusung zu verurteilen – der Strafrahmen sieht bei diesem Vorwurf eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vor.

Nachweisbar war für den Richter lediglich eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit gegen das Arbeitsförderungsgesetz – was er mit einer Buße in Höhe von 1500 Euro zulasten der Angeklagten ahndete.

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