Neun Nagelstudios hat das Zollamt Singen am 25. Juli 2018 gemeinsam mit der Bundespolizei in der Waldshuter Innenstadt durchsucht. Die großangelegten Aktion mit 75 Einsatzkräften sollte ein Schlag gegen Schwarzarbeit sein, welche die Beamten in den Nagelstudios vermuteten. Zwei Personen waren an diesem Tag festgenommen worden.
Mittlerweile, mehr als drei Jahre später, befasst sich das Waldshuter Amtsgericht mit der Razzia. Eine heute 26-Jährige ist angeklagt, weil bei der Razzia zwei in ihrem Nagelstudio beschäftigte Männer aus Vietnam weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Arbeitsbewilligung vorweisen konnten. Die Angeklagte, die selbst aus Vietnam stammt, war zum Gerichtstermin nicht erschienen. Ihr Verteidiger verlas an ihrer Stelle jedoch eine Stellungnahme, in welcher sie die Vorwürfe zurückweist.
Die anschließende Beweisaufnahme vom zuständigen Einsatzleiter der Razzia und zwei Zollbeamten, welche bei der Befragung der Festgenommenen anwesend waren, gaben Einblicke in die Geschäftswelt der Nagelstudios. Die beiden damals beschäftigten Vietnamesen selbst konnten nicht befragt werden. Sie sind nach Kenntnis des Amtsgerichts ausgereist oder nicht mehr auffindbar.
Beide Personen hatten sich nicht mit Papieren ausweisen können, nachdem sie bei der Razzia des Zolls 2018 bei der Arbeit im Nagelstudio vorgefunden worden waren. Die Angeklagte stritt in ihrer Stellungnahme ab, die beiden Männer zu kennen oder sie beschäftigt zu haben. Sollten sie bei der Razzia bei der Arbeit gesehen worden sein, seien dies allerhöchstens unentgeltliche und unabgesprochene Gefälligkeiten gewesen sein, so die Stellungnahme.
Schwere Vorwürfe
Einer der beiden Männer hatte in einem Verhör durch die Zollbeamten 2018 jedoch erklärt, bereits seit Monaten bei der Angeklagten beschäftigt zu sein. Den Zollbeamten hatte er erzählt, seit 16 Jahren in Deutschland zu leben und wenige Jahre zuvor an den Hochrhein gekommen zu sein. Zu seiner Lebenssituation sagte er aus, er hätte keine feste Wohnung, wohne unter eine Brücke und wasche sich im Bach. Seine Chefin, die Angeklagte, würde ihn zum Arbeiten an andere Nagelstudios „ausleihen“, an manchen Tagen soll er in vier verschiedenen Nagelstudios gearbeitet haben. Monatlich würde er zwischen 100 und 300 Euro verdienen – diese Summe liegt in jedem Fall weit unter dem Mindestlohn. Naturgemäß liege für diese Form von Schwarzarbeit kein Arbeitsvertrag oder ein ähnlicher Nachweis vor.
Genau diese Lücke machte sich der Rechtsanwalt zur Verteidigung der Angeklagten zueigen: Außer den Aussagen der beiden Männer, die aus Verhören protokolliert sind und von den Zollbeamten wiedergegeben wurden, fehle schlicht das Beweismaterial, um deren Beschäftigung bei seiner Mandantin nachweisen zu können.
Schließlich ist es genau der Sachverhalt der Beschäftigung der beiden Männer, welcher zur Anklage der 26-Jährigen führte. Denn unter „Einschleusen“ versteht das Gesetz nicht nur Schlepper und Menschenhändler, sondern auch die Arbeitgeber, die durch die Beschäftigung illegal eingereister Ausländer Geld verdienen. Der Anwalt argumentierte nun, dass es keinen Nachweis gebe, dass die beiden Männer aus Vietnam „regelmäßig“ bei seiner Mandantin arbeiteten – außer der Aussage des einen, dessen Glaubwürdigkeit der Verteidiger in Frage stellte.
Widersprüchliche Aussagen
Der Verteidiger sah keinen Anlass zur Annahme, dass nicht vielmehr die Version des zweiten befragten Mannes der Realität entspreche. Dieser soll beim Verhör angegeben haben, erst am Morgen der Razzia nach Deutschland gereist zu sein. Zufällig sei er dabei zu dem Nagelstudio gelangt und habe sich nützlich machen wollen. Einer Beschäftigung bei der Angeklagten ging er nach eigener Aussage nicht nach.
Die juristische Bewertung der Razzia erweist sich als schwierig. Denn die Razzia konnte zwar zwei Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis ermitteln, die zum Zeitpunkt der Razzia im Nagelstudio tätig waren. „Aber nur weil jemand einmal beim Feilen von Fingernägeln erwischt wird, heißt das noch nicht, dass diese Person erwerbstätig oder fest in den Betrieb eingegliedert ist“, so der Verteidiger.
Um zu beweisen, dass die Männer tatsächlich regelmäßig einer Arbeit für die Angeklagte nachgingen, hätte es eine längere Observation durch den Zoll benötigt. Staatsanwalt und Verteidiger lieferten sich am ersten Prozesstag eine Schlacht aus Paragrafen und Auslegungen. Ein zweiter Prozesstag Anfang November ist für den Richter notwendig, um zu einer Bewertung der Anklagepunkte zu kommen.