Wenn es nach dem Publikum geht, ist Dialekt vor allem eine Sache für die Ü-50er: Viele graue Haare sind im Bad Säckinger Schlosspark beim Open-Air-Konzert „Dialäkt sounds good“ des Kreiskulturamts zu sehen. Sie sitzen unterm Sonnensegel, lauschen auf Bänken im Schatten, genehmigen sich ihren Drink vom Foodtruck oder essen eine Ofenkartoffel. Mehr als 300 Menschen sind zum Event gekommen, das der Landkreis Waldshut der Bevölkerung schenkt.

Luddi mit Sänger Christoph Dörflinger trat beim Mundart-Openair im Schlosspark Bad Säckingen auf.
Luddi mit Sänger Christoph Dörflinger trat beim Mundart-Openair im Schlosspark Bad Säckingen auf. | Bild: Annemarie Rösch

Dialekt ist im Publikum beliebt

Auch Singer und Songwriterin Elena Seeger aus dem Killertal im Zollernalbkreis hat sich unters Publikum gemischt, wippt im Rhythmus der Schwabenband „Wendrsonn“ mit. „Mei Enkel isch vier. Er spricht perfekt Hochdeutsch“, witzelt der Sänger von Wendrsonn, Markus Stricker, auf der Bühne.

Um dann ernst zu werden: „Es ist uns ein Anliegen, dass der Dialekt überlebt.“ Alle drei Bands, die das Konzert im Schlosspark bestreiten, sind Gewinner des Dialektpreises 2024 in der Kategorie Musik, den das Land Baden-Württemberg vergeben hat. „Oft sind bei Dialektveranstaltungen viele ältere Leute“, sagt Elena Seeger, 36 Jahre alt. „Es kommt aber auch auf die Veranstaltung an. Kürzlich bei einem Dialekt-Poetry-Slam waren viele junge Leute dabei.“

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Witzig, ironisch und manchmal wehmütig

Dass Dialekt Spaß machen kann, Wendrsonn beweist es. Witzig ironisch sind die Texte, die sie rockend zum Besten geben. Sie besingen eine Dorfpomeranze aus dem so bekannten Strümpfelbach irgendwo im Rems-Murr-Kreis. Mit Neid blickt sie auf die Huddle – auf Hochdeutsch hieße es Schlampe – aus der Stadt, die ihr den Liebsten ausgespannt hat. „I könnt plärre, wenn i mei Schätzle so seh.“

Früher ging‘s nicht nur um Liebe – sondern auch um Grundstücke

Ja, der Geiz der Schwaben, in Baden ist er legendär. Wendrsonn weiß das – und das Publikum freut‘s, wenn Sänger Markus Stricker einen Song mit den Worten ankündigt: „Früher ging‘s nicht nur um Liebe, sondern auch um Grundstücke.“ Die Band, die vor 20 Jahren gegründet wurde, besingt das traurige Los einer jungen Frau aus alten Tagen, die ein „altes buckligs Maali“ heiraten musste.

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Geiger Klaus Marquardt, der 2016 den Deutschen Rock & Pop Preis in der Kategorie „Bester Instrumentalsolist“ gewonnen hat, sorgt für Folk-Sound, ebenso Sängerin Anke Hagner mit dem Waschbrett oder Sänger Markus Stricker mit der Maultrommel. Mit einem Witzchen auf eigene Kosten tritt Wendrsonn ab: Schlagzeuger Rob Wittmaier musste ersetzt werden. Statt seiner spielt Stephan Schuchardt. „Der Schlagzeuger hatte einen Bandscheibenvorfall“, sagt Stricker. „S‘isch eifach Scheiße mit alte Leut Musik mache.“ Das Publikum honoriert‘s mit einem Lachen.

Mundart hat einen speziellen Sprachwitz

Witzig, ironisch und manchmal wehmütig sind die Lieder von Songwriterin Elena Seeger. Sie besingt die perfekte Frau, die früh aufsteht, Sport treibt, sich im Verein engagiert, die besten Spätzle macht. „I dues nit, so bin i nit, i schlof aus, jede Morge, jede Tag“, singt sie mit klarer, voluminöser Stimme und spielt dazu Gitarre. Begeisterungsrufe ertönen aus dem Publikum. Applaus brandet auf. Am Ende witzelt sie: „Meine Mutter hat zu mir gesagt: Du musst aber auch sagen, dass du die ganze Nacht schaffst.“ Sie lacht. „Sonst wäre die schwäbische Familienehre verletzt.“

Auch Elena Seeger mit Wendrsonn-Geiger Klaus Marquardt waren im Schlosspark-Openair dabei.
Auch Elena Seeger mit Wendrsonn-Geiger Klaus Marquardt waren im Schlosspark-Openair dabei. | Bild: Annemarie Rösch

Im Gespräch sagt sie: „Viele meiner Themen sind autobiografisch und haben für mich einen therapeutischen Charakter.“ Elena Seeger schreibt alle Lieder selbst. Erst seit 2022 ist die 36-Jährige vor allem Musikerin. Von null bis sechs Auftritten im Monat erzählt sie. Sie komme über die Runden. „Aber bescheiden.“ Der Mundart-Preis habe ihr aber geholfen, bekannter zu werden. Bei Konzerten in Berlin singt die ausgebildete Lehrerin auch Hochdeutsch, in Bad Säckingen aber ausschließlich Schwäbisch: In einem wunderschön nostalgischen Lied erinnert sie sich an Spaziergänge mit ihrem Großvater am Benseberg und trauert darüber, dass er gestorben ist: „Es gäb no so viel zue verzähle“, singt sie melodisch und klar.

Alemannenrocker kommen aus Ühlingen-Birkendorf

Doch nicht nur Schwaben können Musik: Die Alemannenrocker von Luddi stellen unter Beweis, dass sie rocken können. Aus Ühlingen-Birkendorf kommen sie, ihr Name bedeutet so viel wie Tagdieb. Düster klingt das erste Lied „Sichelmond“. Mit schwarzem Umhang streicht Sänger Christoph Dörflinger durch das Publikum, besingt einen Mann, der Schuld auf sich geladen hat. „Nur de Sichelmond lüchtet durch d‘Nacht“, singt er. Schnell sind die Rhythmen, abwechslungsreich. Das Saxophon, das zu Weinen versteht, unterstreicht die Düsternis des Songs.

Begeisterung und viel Applaus

Doch Luddi, die erstmals 2002 in alemannischer Mundart auftraten, können auch anders, fröhlicher, ironischer. In „Schwarzwald Cowboy“ besingen sie das Schicksal eines Bauern, der keine Frau finden kann. „Au wenn d‘Schwobe extremi Jommeri sin, mir chönne das au“, frotzeln die Alemannen die Schwaben. Manchmal klingt Luddi hardrockig, ein andermal dominieren Balkan-Klänge. Abwechslungsreich und viel Gespür für Melodien – das zeichnet die Alemannenrocker aus. Wer bisher wenig mit Rock in alemannischer und schwäbischer Mundart zu tun hatte, muss anerkennen: Die kurzen Dialektwörter passen sich besser an den Rhythmus an als das Hochdeutsche, machen die Songs peppig und interessant.

Am Ende müssen Luddi, Elena Seeger und die Musiker von Wendrsonn noch einmal auf die Bühne, spielen zusammen. Es gibt viel Begeisterungsrufe und Applaus. „Das war viel besser, als ich erwartet habe“, ruft eine Frau einer anderen Zuschauerin zu. Die nickt. „Das war super.“