Abitur machen, auf Reisen gehen und dann zum Studium in die nächste Großstadt ziehen – so steht es in vielen Lebensläufen junger Menschen, die am Hochrhein und im Südschwarzwald aufgewachsen sind.

Doch für eine akademische Laufbahn müssen Studieninteressierte nicht zwangsläufig ihre Heimatregion verlassen. Auch der ländliche Raum bietet Aus- und Weiterbildungschancen auf hohem Niveau. Zwar ist die Hochschullandschaft noch eher karg besiedelt, doch die Angebote haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Und der Bildungsstandort am Hochrhein soll weiterwachsen.

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An wen richten sich die Studienangebote?

„Es war schon immer mein landes- und kommunalpolitisches Ziel, die Hochschule in die Region zu bringen und nicht umgekehrt“, sagt Günther Nufer, Geschäftsführer der Akademie für Gesundheitsfachberufe in Bad Säckingen. Die Schule, an der ab diesem Jahr zwei Bachelor- und ein Masterstudiengang angeboten werden, ist ein Vorreiter der regionalen Akademikerausbildung. Um die erste Akkreditierung eines Studiengangs bewarb sich die Schule schon in den 1990er Jahren, immer mit der Ambition, ein attraktiver Standort für Schulabgänger zu sein.

Die Absolventen des Studiengangs Sozialpädagogik & Management werden im November 2021 im Foyer der Justus-von-Liebig-Schule ...
Die Absolventen des Studiengangs Sozialpädagogik & Management werden im November 2021 im Foyer der Justus-von-Liebig-Schule verabschiedet. (Archivbild) | Bild: Justus-von-Liebig-Schule

„Wer zum Studieren den Landkreis nicht verlassen muss, muss nicht zurückkommen“, kommentiert auch Tobias Herrmann von der Pressestelle des Waldshuter Landratsamts. Der Kreis unterstützt alle schulischen Angebote, die einen Studienabschluss vor Ort unterstützen. Auch weil die langjährigen Bemühungen, eine staatliche Fachhochschule ins Kreisgebiet zu bekommen, nicht gelungen seien.

Infos über die einzelnen Studienmöglichkeiten

Ein anderer Schwerpunkt der regionalen Studienangebote richtet sich an Berufstätige, die ihren Lebensmittelpunkt bereits in der Region haben und sich fortbilden wollen. Dazu zählen die Angebote der Kaufmännischen Schule und der Justus-von-Liebig-Schule in Waldshut, genauso wie das Fernstudium an der privaten SRH Hochschule, die in Zell im Wiesental mit einem nahen Studienzentrum angesiedelt ist.

Firuze Köycu und Miguel Pindi absolvieren an der Kaufmännischen Schule in Waldshut ein BWL-Studium. Sie sind die ersten Teilnehmer des ...
Firuze Köycu und Miguel Pindi absolvieren an der Kaufmännischen Schule in Waldshut ein BWL-Studium. Sie sind die ersten Teilnehmer des berufsbegleitenden Studiengangs. (Archivbild) | Bild: Juliane Schlichter

„Es geht im Wesentlichen darum, den Landkreis zu stärken als attraktiven Ort für Arbeitnehmer und -geber“, erklärt Magnus Sauerborn, Leiter des Studienzentrums an der Kaufmännischen Schule in Waldshut. Von einer Weiterbildung profitieren beide Seiten, sodass viele Arbeitgeber ein Studium ihrer Mitarbeiter finanziell unterstützen.

Diese Erfahrung teilt auch Christine Zeller, Leiterin des Studienzentrums in Zell im Wiesental: „Wir machen seit 25 Jahren nichts anderes, als Leute zu bedienen, die auf den Beruf ein Studium wollen. Das ist unsere primäre Ausrichtung. Die Idee ist, dass wir in der Region verankert und somit auch im Austausch mit Firmen sind.“ Studieren, findet Zeller, kann eine Wunscherfüllung sein. „Und bei uns ist das möglich“, sagt sie, „mit der richtigen Ausbildung und Berufserfahrung auch ohne Abitur.“

Welche Fächer kann man in der Region an welchen Orten studieren?

Im Kreis Waldshut finden alle Studiengänge mit Start im Oktober in Kooperation mit der privaten Fachhochschule des Mittelstandes Bielefeld (FHM) statt. In dieser Zusammenarbeit werden in Bad Säckingen Bachelorstudiengänge Physiotherapie und Ergotherapie an der Akademie für Gesundheitsfachberufe angeboten. Seit 2016 läuft hier die Kooperation mit der FHM und das erfolgreich: Im Herbst kommt mit dem Master in Physiotherapie ein dritter Studiengang hinzu.

Auf eine ähnlich lange Zusammenarbeit mit der FHM blickt auch die Justus-von-Liebig-Schule in Waldshut zurück. Hier können bereits ausgebildete Erzieher und Heilerziehungspfleger den Bachelor in Sozialpädagogik und Management ablegen. Nach dem gleichen Konzept bietet die Kaufmännische Schule in Waldshut seit 2021 den Bachelorstudiengang Betriebswirtschafslehre an.

Über die Kreisgrenze hinaus decken Fernhochschulen eine breite Palette an Fachrichtungen ab. Ortsunabhängig und trotzdem lokal bietet das Institut für Bildung und Management in Zell im Wiesental im Kreis Lörrach nicht nur Beratung, sondern ist zugleich eines von bundesweit 19 Studienzentren der SRH Fernhochschule mit Stammsitz in Riedlingen. Am Wiesentaler Standort finden Präsenz-Prüfungen, Vorträge und Seminare statt. Das Studienangebot selbst reicht von Naturwissenschaften über Psychologie bis hin zur Wirtschaftslehre.

Wie sind die Studiengänge vor Ort aufgebaut?

Studieren im Kreis Waldshut ist generell praxisnah. Die angebotenen Studiengänge unterscheiden sich jedoch in ihrer Konzeption.

Das Studium an der Akademie für Gesundheitsfachberufe in Bad Säckingen findet parallel zur Berufsfachausbildung statt. Nach drei Jahren erhalten die angehenden Therapeuten ihr Diplom, ein halbes Jahr später den Bachelorabschluss. Im letzten Semester erfolgt zudem der aktive Berufseinstieg.

Der Andrang ist groß: Vergangenes Jahr immatrikulierten sich 32 neue Studenten für den Studiengang Physiotherapie in Bad Säckingen. ...
Der Andrang ist groß: Vergangenes Jahr immatrikulierten sich 32 neue Studenten für den Studiengang Physiotherapie in Bad Säckingen. (Archivbild) | Bild: Harald Schwarz

Die Studienangebote in Waldshut sind sogenannte konsekutive Studiengänge, die sich an eine fertige Ausbildung anschließen. Die Inhalte der Berufsausbildung werden angerechnet, sodass sich die Studienzeit auf zwei Jahre verkürzt. Das Studium findet berufsbegleitend mit Wochenendseminaren statt.

Wie verläuft ein Fernstudium?

Der große Vorteil eines Fernstudiums, wie es die SRH Fachhochschule bietet, ist die Ortsunabhängigkeit und die Flexibilität: Der Studienbeginn ist zu jedem Monat möglich, die Lern- und Lehrformate können frei gewählt werden, wobei das meiste von Zuhause aus absolviert werden kann. „Das ist der Zeitgeist“, sagt Studienberaterin Christine Zeller. Sie ist die persönliche Ansprechperson im Studienzentrum in Zell im Wiesental und weiß, dass sie auch in dieser Funktion immer noch wichtig ist. „Wir sind hier, und die Studierenden kommen hier auch immer wieder zusammen, um sich auszutauschen. Denn sie haben eines gemeinsam: Sie müssen ein Fernstudium auf die Reihe bringen.“

Hans-Peter Schlaudt für das Klinikum Hochrhein, Günther Nufer für die Physiotherapieschule, Landrat Martin Kistler für den Landkreis und ...
Hans-Peter Schlaudt für das Klinikum Hochrhein, Günther Nufer für die Physiotherapieschule, Landrat Martin Kistler für den Landkreis und Professor Anne Dreier (von links) für die Fachhochschule des Mitterstands unterzeichneten im November 2021 die Vereinbarung zur Gründung des Instituts für Gesundheit. (Archivbild) | Bild: Akademie für Gesundheitsfachberufe

Generell setzt sich ein Fernstudium aus Online-Angeboten, Selbststudium und klassischen Prüfungsformaten wie Hausarbeiten und Klausuren zusammen. Beflügelt durch die Pandemie steigt nicht nur das Interesse am Fernstudium, auch die Methoden passen sich an: Hybride Unterrichtsformen – also eine Mischung aus Online und Präsenz – sind im Kommen. „Hybrid wird die Zukunft sein und die Hochschule kann das, weil sie es vor Corona schon konnte“, verdeutlicht Zeller den technischen Vorsprung der Fernschulen.

Was kostet ein Studium?

Alle angebotenen Studiengänge im Kreis sind gebührenpflichtig. Insgesamt betragen die Kosten für die jeweiligen Studiengänge zwischen 7000 und 8000 Euro. Wie die Leiter der Studienzentren unterstreichen, ist das Studieren vor Ort dennoch kostengünstig, weil die Studierenden schon während der Studienzeit erwerbstätig sind und keine zusätzliche Miete wegen eines studienbedingten Umzugs anfällt.

Auch ein Fernstudium, wie es die SRH Fernhochschule anbietet, kostet Geld: Zwischen 200 und 400 Euro im Monat. Hier spielt der berufliche Hintergrund der Studierenden ebenfalls eine Rolle. Bis zu 90 Prozent von ihnen sind berufstätig und absolvieren ihr Studium als Zusatzqualifikation. In einzelnen Fällen können auch Kredite aushelfen oder Stipendien vergeben werden.

Wird das Studienangebot in der Region erweitert?

Aktuell zählt die FHM mit ihren Kooperationen am Hochrhein etwa 150 Studierende. Mit der Gründung des Instituts für Gesundheit im November vergangenen Jahres haben der Kreis und die FHM einen weiteren Grundstein dafür gelegt, das akademische Ausbildungsangebot im Gesundheitsbereich zu erweitern. Mit der Besetzung der Professuren für Physiotherapie und Pflegewissenschaft wird im gleichen Zug ein neuer Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft angestrebt. „Der Landkreis wird somit Standort einer Fachhochschule“, erläutert Tobias Herrmann, Pressesprecher des Landratsamtes, die Bedeutung des Instituts.

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