Sommer vor 70 Jahren, fünf Jahre nach Kriegsende. Auch für die Menschen am Hochrhein und im Südschwarzwald geht es wieder bergauf. Seit Einführung der D-Mark im Juni 1948 stabilisiert sich die wirtschaftliche Lage mehr und mehr. Und nun geht auch die Grenze zur Schweiz wieder auf. Am 7. Juli 1950 informiert der Alb-Bote über die Wiedereröffnung der Grenzübergänge für den Straßen- und Schienenverkehr sowie der Fährbetriebe bei Mumpf und Waldshut-Full.

Wiederaufnahme des Fährverkehrs zwischen Waldshut und dem schweizerischen Full nach elfjähriger Pause am 3. August 1950. Im Heck des ...
Wiederaufnahme des Fährverkehrs zwischen Waldshut und dem schweizerischen Full nach elfjähriger Pause am 3. August 1950. Im Heck des Fährboots „Möwe“ steht „Fährmann Auer. Zweiter von links stehend ist der frühere Fährmann Josef Eschbach. Auf der Steuerbordseite des Boots (rechts) sitzt als 5. von links Bürgermeister Hermann Dietsche. | Bild: Stadtarchiv Waldshut-Tiengen

Die seit Kriegsbeginn im September 1939 in die Zwangspause gezwungene Rheinfähre „Möwe“ legte am Abend des 3. August 1950 zum ersten Mal nach fast elf Jahren wieder ab. An Bord der Gemeinderat sowie Vertreter des Landratsamtes und des Zolls. „Über den Teilnehmern lag eine freudig erregte Stimmung“, beschrieb der Alb-Bote die Überfahrt nach Full zur Sitzung mit den Ratskollegen der Nachbargemeinde, um Einzelheiten des wieder beginnenden Fährbetriebs zu besprechen. „Das Winken der Zuschauer auf dem Uferweg war wie ein herzliches Glückauf zur Wiederanknüpfung der alten Freundschaftsbande mit den Schweizer Nachbarn“, so der Artikel weiter.

Das 1998 angeschaffte Fahrgastschiff „Waldshut-Tiengen“ besorgt noch immer den klassischen Fährverkehr, der wegen der ...
Das 1998 angeschaffte Fahrgastschiff „Waldshut-Tiengen“ besorgt noch immer den klassischen Fährverkehr, der wegen der verschiedenen Rheinübergänge für den Autoverkehr seine einstige Bedeutung längst verloren hat. Schwerpunktmäßig ist das 120 Personen fassende Fahrgastschiff jedoch im beliebten Rundfahrverkehr eingesetzt. | Bild: Schlichter, Juliane

Am Schweizer Ufer erwartete die Waldshuter ein herzlicher Empfang. Bürgermeister Hermann Dietsche und der Fuller Gemeindeammann Mühlebach schüttelten sich zum ersten Mal seit elf Jahren wieder die Hände. Bei der Sitzung im Gasthaus „Zum Kreuz“ überreichte Dietsche ein Relief der Waldshuter Kaiserstraße und sprach die Hoffnung aus, „dass das heute neu geknüpfte Band in alle Zukunft nicht mehr zerreißen möge“. Schließlich wurden die Gastgeber offiziell über den Waldshuter Ratsbeschluss informiert, den Fährbetrieb wieder zu eröffnen und die Fähre vorerst täglich zwischen 6 und 21 Uhr verkehren zu lassen. Der Gemeinderat von Full sowie die Zollvertreter erklärten sich damit einverstanden. Einmütigkeit bestand auch über die Fährgebühren: 10 Pfennig oder 10 Rappen für die einfache Fahrt, 20 Pfennig oder 20 Rappen für die Hin- und Rückfahrt, für Kinder und Kirchenbesucher die Hälfte.

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„Gegen 21 Uhr machten sich die Waldshuter auf die Heimfahrt über den Rhein“, so der Artikel weiter. „Am Ufer hatten sich wieder zahlreiche Fuller eingefunden, und als das Fährschiff sich vom Ufer löste, scholl den Waldshutern ein Abschiedslied nach, das erwidert wurde. Dann wurde es still auf dem nächtlichen Strom, der sich nun wieder mehr und mehr beleben wird – so hoffen wir – zur Freude und zum Nutzen seiner Uferbewohner.“

Offiziell eröffnet wurde der Fährbetrieb am Abend darauf, Freitag, 4. Oktober 1950. An beiden Anlegestellen waren die Fahnen aufgezogen, über 1000 Menschen säumten das Waldshuter Ufer und auch auf Fuller Seite standen winkende Bewohner. In zwei Fahrten wurden der Gemeinderat von Full sowie Vertreter des Kantons und der Zollverwaltung ans Waldshuter Ufer gebracht, begleitet von den Klängen der Musikgesellschaft Full und der sie empfangenden Waldshuter Stadtmusik.

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Boote des Wassersportvereins flankierten das beleuchtete Fährschiff bei seinen Überfahrten. „Anschließend formierte sich der Festzug unter den Klängen der Musik“, so der Alb-Bote weiter, „der, voraus die Schweizer und Waldshuter Fahne und gefolgt von sämtlichen Teilnehmern, in die in einem Meer von Fahnen prangende Kaiserstraße einzog. In dichten Scharen säumten die Waldshuter die Straße und begrüßten die Schweizer Gäste durch freundliches Winken.“ Der Abend endete in den „zum Bersten vollen Räumen des Rebstock“ mit kurzen Ansprachen der Lokalpolitiker, einem Imbiss sowie dem „gemütlichen Teil mit viel Blasmusik und Gesang“.

Punkt sechs Uhr am Morgen des 5. August 1950 ging die Rheinfähre für den Personenverkehr in Betrieb. Nur 50 Personen konnten an diesem Tag in Full an Land gehen, denn dazu brauchte es noch die sogenannte Grenzkarte. Die aber konnte erst seit kurzem beim Passamt beantragt werden. Für Rundfahrten ohne in Full anzulegen nahm der Fährmann an diesem ersten Wochenende laut Alb-Bote jedoch 2000 Menschen an Bord, vor allem Kinder.

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Bis Ende September 1950 benutzten schon 34.000 Personen die Fähre, die in den gesamten 1950er Jahren jährlich zwischen 90.000 und 120.000 Fahrgäste beförderte. Danach gingen die Passagierzahlen des Fährbetriebs kontinuierlich bis auf unter 20.000 zurück. Dafür florieren die Rundfahrten für Gesellschaften, für die das 120 Personen fassende heutige Fahrgastschiff „Waldshut-Tiengen“ angeschafft wurde. Daneben erfüllt es seine Aufgabe als Fähre zwischen Waldshut und Full.