Die Umsetzung der Energiewende in der Region und die Zukunft der ärztlichen Versorgung beschäftigen die Bürger im Landkreis Waldshut derzeit besonders. In der SÜDKURIER-Wahlarena zur Bundestagswahl am 23. Februar in der Stadthalle Waldshut mussten die sechs Direktkandidaten der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien – Felix Schreiner (CDU), Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Jan-Lukas Schmitt (Grüne), Nathalie Wagner (FDP), Andrea Zürcher und Julian Besemann (Linke) – zu diesen Themen Farbe bekennen und ihre Ideen für die Zukunft präsentieren.

Knapp eine Stunde diskutieren  Markus Baier (links) und Justus Obermeyer (rechts ) mit Felix Schreiner (CDU), Rita Schwarzelühr-Sutter ...
Knapp eine Stunde diskutieren Markus Baier (links) und Justus Obermeyer (rechts ) mit Felix Schreiner (CDU), Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Jan-Lukas Schmitt (Grüne), Nathalie Wagner (FDP), Andrea Zürcher (AfD) und Julian Besemann (Linke, von links) über die Energiewende und die ärztliche Versorgung. | Bild: Nico Talenta

Energiewende: AfD will Atomkraftwerke statt Windräder

Lieber weitere Atomkraftwerke, „wie andere Länder auch“, zu bauen, anstatt mit „ideologischem Schwachsinn“ und gegen den Bürgerwillen Windräder zu errichten, forderte Andrea Zürcher. Die AKW-Aussage wurde vom Publikum mit einem lauten Raunen quittiert. Zumal: Offenbar würde sie die nötigen Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg treffen wollen.

Die AfD-Politikerin zweifelte derweil am Sinn von Windrädern und Photovoltaikanlagen in einer, wie sie sagte, „windschwachen Region“ wie dem Landkreis Waldshut an, wo auch selten die Sonne scheine.

Andrea Zürcher (AfD).
Andrea Zürcher (AfD). | Bild: Nico Talenta

Gegenwind von SPD und CDU, FDP liebäugelt mit Atomkraft

Dem widersprach Rita Schwarzelühr-Sutter vehement. „Wir brauchen jetzt den Ausbau der erneuerbaren Energien und nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag ein Kernkraftwerk.“ Es sei außerdem ein Trugschluss zu glauben, Atomkraft sei eine günstige Energiequelle.

Auch Felix Schreiner bezeichnete die Forderung der AfD nach weiteren Atomkraftwerken als „weltfremd“. Für Nathalie Wagner sei der Ausstieg aus der Kernenergie eine „historisch schlechte Entscheidung“ gewesen.

Felix Schreiner will sich bei Windenergie-Standorten nicht festlegen

Windräder auf dem Hotzenwald, ja oder nein? Auch nach mehrmaligen Nachfragen der Moderatoren Justus Obermeyer und Markus Baier wollte sich Felix Schreiner nicht eindeutig positionieren: „Am Ende muss Windkraft dort gebaut werden, wo sie Sinn macht, die Genehmigung da ist und die Leute dahinterstehen.“

Er verstehe, dass sich die Menschen im Hotzenwald Sorgen machen. „Ich bin für erneuerbare Energien, aber ich bin der Meinung, dass wir es mit den Menschen vor Ort umsetzen müssen.“ Er forderte, die Menschen abzuholen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Schwarzelühr-Sutter: Je mehr dezentrale Energiequellen, desto größer die Unabhängigkeit

Rita Schwarzelühr-Sutter zeigte sich besorgt, dass im Zusammenhang mit dem geplanten Bau der Windräder Ängste geschürt werden. Jetzt gehe es darum, bei der Energieversorgung unabhängiger zu werden. „Das geht nur mit erneuerbaren Energien. Und wir sollten die Chance nutzen, den Strom auch vor Ort zu haben.“

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Julian Besemann (Linke) über die Themen erneuerbare Energien und ärztliche Versorgung.
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Julian Besemann (Linke) über die Themen erneuerbare Energien und ärztliche Versorgung. | Bild: Nico Talenta

FDP, Grüne und Linke bei Windkraft uneins

„Ich bin für die Windkraft, man muss nur einen besseren und pragmatischeren Ort dafür finden“, sagte Nathalie Wagner. Sie befürchte, dass die Politik die Menschen beim Thema erneuerbare Energien verliere, weil ihre Meinung nicht ernst genommen würde.

„Windkraft auf jeden Fall dort, wo es möglich ist“, lautete die klare Meinung von Jan-Lukas Schmitt. Die Bürgerbeteiligung sei für ihn wichtig. „Die Leute müssen gehört werden, gleichzeitig müssen wir die Ausbauziele erreichen“, machte er deutlich.

Der Grünen-Kandidat wunderte sich über die Aussage Zürchers, dass am Hochrhein die Sonne nicht scheinen würde, und bilanzierte, dass die Energiewende gut vorankomme. Jetzt gehe es darum, Speicherkapazitäten zu schaffen und Netzentgelte sowie die Stromsteuer zu senken.

Jan-Lukas Schmitt (Grüne).
Jan-Lukas Schmitt (Grüne). | Bild: Nico Talenta

Nach längerem Zögern zeigte sich Julian Besemann „gespalten“. Er formulierte ein klares Ja für die Windkraft und die erneuerbare Energien – in welcher Form auch immer. „Aber man muss die Bürger in den Dialog reinnehmen. Man kann nicht einfach jemanden irgendwo etwas vor die Nase stellen.“ Wichtig sei, dass der Strom bei den Bürgern günstig aus der Steckdose kommt.

Ärzteversorgung: Neue Konzepte müssen her

Warum Ärzte nicht an den Hochrhein kommen wollen, wollte Markus Baier von Nathalie Wagner wissen. Laut ihrer Meinung sei die Region im Vergleich mit der Schweiz nicht attraktiv genug.

Nathalie Wagner (FDP).
Nathalie Wagner (FDP). | Bild: Nico Talenta

Nach Lösungen gefragt, antworte die FDP-Politikerin nach Ausschweifen: „Ich würde mir eine bessere Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung wünschen und wir müssen zum bisherigen Status beim notärztlichen Bereitschaftsdienst zurückkommen.“ Einen Hebel bei der Bundespolitik sehe sie in der Abschaffung der Budgetierung durch die Krankenkasse.

Kritik an KV und Lücken in der Notfallversorgung

Kritik übte Rita Schwarzelühr-Sutter an der Politik der Kassenärztlichen Vereinigung (KV): „Ich kann nicht die Notfallpraxen schließen und sagen, wir haben die 116117 und dann wird alles laufen und dann gibt es nur eine Abdeckung von 60 Prozent.“

In diesem Zusammenhang forderte die Abgeordnete, dass Landesgesundheitsminister Manfred Lucha die Rechtsaufsicht, die er über die KV hat, auch nutzen sollte. Einen Grund für die aktuelle Misere sieht sie in der zu geringen Anzahl an Medizinstudienplätzen.

Felix Schreiner bezeichnete die ärztliche Versorgung als große Herausforderung für alle Mandatsträger. Er forderte, neue Lösungen zu zimmern, wie etwa das Landarztstipendium, das jetzt zum Tragen komme. Neben dem Ausbau von Medizinstudienplätzen müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden und bei der Vergütung angesetzt werden.

Felix Schreiner (CDU).
Felix Schreiner (CDU). | Bild: Nico Talenta

AfD: Notlagen auch mit Zuwanderung ausländischer Ärzte beheben

Entgegen der Parteilinie antwortete Andrea Zürcher auf die Frage, ob nicht auch ausländische Ärzte benötigt werden, um die ärztliche Versorgung zu gewährleisten: „Ja, natürlich braucht Deutschland Fachkräfte, um diesen Mangel zu beheben.“ Sie sprach sich dafür aus, die Fachkräfte, die gekommen sind, auch zu behalten.

Für Verwirrung sorgte die AfD-Politikerin nicht nur bei ihren Mitbewerbern mit der Aussage über den Verbleib von zwölf Ärzten des früheren Spitals Bad Säckingen und dem Versprechen des Landkreises, 12,6 Millionen Euro in den Standort Bad Säckingen zu investieren. Mal sprach Zürcher vom Gesundheitscampus, mal von der Notfallpraxis, die die KV Anfang des Jahres in Bad Säckingen geschlossen hat. „Das ist gerade ein bisschen durcheinander“, kommentierte Felix Schreiner.

Zwischen Bürgerversicherung und staatlicher Regulierung

„Mit der Gesundheit wird in diesem Land einfach viel zu viel Geschäft gemacht. Gesundheit ist nicht, was in den Wirtschaftssektor gehört“, sagte Julian Besemann. Gesundheitsversorgung müsse in gewissem Maße auch vom Staat mit reguliert werden, zudem sollten die Krankenkassen dazu angehalten werden, das Budget für die Behandlung von mehr Patienten zur Verfügung zu stellen.

Julian Besemann (Linke).
Julian Besemann (Linke). | Bild: Nico Talenta

Jan-Lukas Schmitt forderte neben einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, auch neue Konzepte: „Das Lohngefälle in der Region werden wir nicht ausgleichen können, aber wir können günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen, auch die Digitalisierung und der Bürokratieabbau können helfen.“

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