Boris Burkhardt

Im Wald hat der Klimawandel längst alle Befürchtungen eingeholt: Die ausgetrockneten Bäume sterben massenweise ab und sind ein gefundenes Fressen für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Revierförster Thomas Hirner kann die dramatischen Veränderungen im Rheinfelder Wald nicht mehr aufhalten, wie er dem Ortschaftsrat Karsau auf einem Ortstermin deutlich machte.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Klimawandel ist im Wald angekommen

Den Wettkampf gegen die Zeit haben die Förster verloren. Der Klimawandel ist im Wald angekommen. Die Folgen sind so dramatisch, dass die Waldarbeiter nicht mehr nachkommen, die Schäden zu beseitigen. Thomas Hirner, einer der beiden Rheinfelder Revierförster, findet klare Worte, als er mit den Karsauer Ortschaftsräten einen Nothieb im Wald zwischen Karsau und Nordschwaben beim Martinsplatz besichtigt.

Besonders die Fichte ist betroffen

Besonders betroffen ist die Fichte: Durch Wassermangel entkräftet und wehrlos ist sie ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer, besonders dessen Unterart Buchdrucker. Neun Hektar des Rheinfelder Walds, sagte Hirner, hätten die Waldarbeiter in den vergangenen Wochen komplett entfichtet. Die Baumart machte vor drei Jahrzehnten noch 30 Prozent des heimischen Waldes aus. Der Borkenkäfer finde jedoch ideale Bedingungen im Wald vor und vermehre sich rasant.

Forstwirtschaftsstudent Luca Kiener zeigt den Karsauer Ortschaftsräten, wie sich die Borkenkäfer unter der Rinde der Fichten vermehren.
Forstwirtschaftsstudent Luca Kiener zeigt den Karsauer Ortschaftsräten, wie sich die Borkenkäfer unter der Rinde der Fichten vermehren. | Bild: Boris Burkhardt

Auch die Abnehmer sind überlastet

Die sechs städtischen Waldarbeiter und die Subunternehmen sind personell am Anschlag und können das gehauene Holz nicht schnell genug aus dem Wald transportieren. Auch die Abnehmer seien überlastet. „Die Sägewerke nehmen uns 200 Festmeter im Monat ab; allein hier an dieser Stelle liegen 500.“ Der Borkenkäfer hat derweil Zeit, sich im liegenbleibenden Totholz zu vermehren und neue Fichten zu befallen.

Auch Buchen und Eichen sterben ab

Den Laubbäumen macht die anhaltende Trockenheit ebenso zu schaffen: Auch Buchen und Eichen sterben ab, obwohl die Böden des Dinkelbergs ein idealer Standort für sie sind. Durch die vielen Fällungen um sie herum stehen jedoch auch junge Buchen unter Stress: „Das sind sie nicht gewöhnt. Wind und Sonne setzen ihnen zusätzlich zu.“

Das könnte Sie auch interessieren

Niederschläge überwiegend in den Wintermonaten

Hirner weist auf eine junge, schlanke Buche, deren obere Äste bereits die Blätter abwerfen: „Sie bildet auf halber Höhe eine Ersatzkrone, weil sie das Wasser nicht mehr bis nach oben transportieren kann.“ Die Niederschläge seien nicht unbedingt weniger geworden, erklärt Hirner, sie fielen nun aber überwiegend in den Wintermonaten, wenn Boden und Bäume das Wasser nicht speichern. „Der Boden staubt bis in zweieinhalb Meter Tiefe.“

Lücken mit Douglasien und Roteichen füllen

Hirner will versuchen, die Lücken mit Douglasien und Roteichen aufzuforsten: „Wenn wir den Wald, wie wir ihn kennen, mit heimischen trockenheitsresistenten Bäumen retten wollen, bleibt nur eine Handvoll Baumarten.“ Doch die Forstwirtschaft sei ein langsames Geschäft: „Bis sich Änderungen im Bewuchs des Waldes durchsetzen, dauert es Jahrzehnte.“ Außerdem könnten er und seine Mitarbeiter die Schäden und den Borkenkäfer nur im städtischen Wald bekämpfen.

Kaum einer will noch Forstarbeiter werden

Die Zusammenarbeit mit vielen Privatbesitzern, denen ein Drittel des Waldes in Baden-Württemberg gehört, läuft laut Hirner gut; andere pflanzten aber dennoch weiter Fichten oder kümmerten sich, oft Erben ohne Bezug zum Wald, gar nicht um ihren Besitz. Zu verdienen gebe es in der Forstwirtschaft schon seit „Lothar“ nichts mehr, sagt Hirner. Vor allem mangle es an Personal; da sieht die Zukunft laut Hirner düster aus: In Deutschland wolle kaum noch jemand Forstarbeiter werden; Rumänen oder Slowenen fänden inzwischen zu Hause attraktivere Arbeit.

Der „Notstand des Waldes“ wird im Gemeinderat voraussichtlich am 24. Oktober behandelt; die Karsauer wollen außerdem versuchen, eine Sondersitzung mit allen Ortschaftsräten und dem Gemeinderat zu organisieren.