Peter Sliwka

„Hier spricht Oberkommissar Schwarz. Wir haben Ihre Adresse im Rucksack von Dieben gefunden. Bei Ihnen wird von der Bande auch noch eingebrochen werden. Bitte suchen Sie im Haus Ihre Wertsachen zusammen. Wir lassen sie von einem Kollegen abholen, damit sie in Sicherheit sind. Ihnen selbst wird nichts passieren.“ So, oder so ähnlich muss man sich den Telefonanruf vorstellen, der am 15. Oktober 2017 von einem älteren Ehepaar in Rheinfelden entgegengenommen worden ist.

Gleich mehrfach rief der freundliche Oberkommissar Schwarz dort an und erklärte der Frau, dass zwei Personen einer Diebesbande festgenommen worden seien. Nebenbei erkundigte er sich, ob im Haushalt Bargeld, Schmuck und Münzen vorhanden sind. Um der Polizei bei den Ermittlungen der Diebesbande zu helfen, bräuchte sie 30 000 Euro. Das Geld, den Schmuck und die Münzen werde ein Kollege abholen. Ihr Haus werde beobachtet, die Diebe hätten keine Chance.

Der Ehemann schöpfte aber Verdacht, als seine Frau derart ausgefragt wurde, dass der Anrufer kein Polizist, sondern ein Gauner sein musste. Er tat das einzig Richtige: Er wählte von einem zweiten Telefon die Notrufnummer 110. Die Leitstelle der Polizei vereinbarte ein Passwort und schickte eine Streife zu dem Anwesen.

Ehepaar entwickelt Misstrauen gegen echte Polizisten

Deren Besatzung, angefahren mit einem Streifenwagen und in Uniform, hatte es in der Folge trotz des vereinbarten Passwortes schwer, das Ehepaar davon zu überzeugen, dass sie echte Polizisten sind. Das berichtete ein Polizist aus Rheinfelden am Donnerstag in seiner Zeugenaussage vor der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts in Freiburg. Dort müssen sich vier türkisch stämmige Männer im Alter zwischen 27 und 57 Jahren aus dem Raum Neuenburg wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug in mehreren Fällen verantworten.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass in Abwandlung des Enkeltricks bislang unbekannte Hintermänner der Angeklagten bei älteren Menschen anrufen. Sie stellen sich als Polizisten vor und bitten um Mithilfe bei der Ermittlung von Tätern, die Serieneinbrüche begingen. In Telefonbüchern oder im Internet werde nach Vornamen gesucht, die auf ein betagtes Alter hinweisen. Der echte Polizist aus Rheinfelden ergänzte, dass es auf dem Land noch viele vierstellige Telefonnummern gebe. Sie wiesen Täter darauf hin, dass die Anschlüsse von Senioren genutzt werden. Neuere Telefonnummern seien siebenstellig.

Anrufer behauptet, Banken arbeiten mit Dieben zusammen

Die falschen Polizisten erweisen sich laut Anklage am Telefon als dreist, einschüchternd und Angst verbreitend. Kaum zu glauben, dass sie mit ihrem Begehren nach Bargeld, Schmuck und Bargeld vielfach Erfolg hatten. Sie behaupten, Bargeld für die Recherche und zur Festnahme der Täter zu benötigen. Sie gaben vor, dass Mitarbeiter von Banken mit den Dieben gemeinsame Sache machten. Deshalb müsse das Geld abgehoben und ihnen zur Verwahrung übergeben werden.

Am Telefon mussten die Angerufenen die Geldscheinnummern durchgeben. Anschließend mussten sie das Geld auf Geheiß des falschen Polizisten in einer Plastiktüte verpackt aus dem Fenster oder vom Balkon werfen. Es ginge darum, so wurde ihnen erklärt, so an die Fingerabdrücke der Täter zu kommen. In einem Fall warf eine betagte Akademikerin zwei Mal insgesamt rund 70.000 Euro aus dem Fenster.

Echter und falscher Polizist plaudern am Telefon

Als echte Polizisten nachforschten, weil sie intern über solche Betrugsfälle informiert waren, gab sich die alte Dame zunächst nicht zu erkennen. Ihr war von dem falschen Oberkommissar erklärt worden, dass sie unbedingt „dicht halten“ müsse. Bei dem Ehepaar in Rheinfelden staunte der echte Polizist über die Dreistigkeit seines falschen Kollegen.

Als der nämlich erneut anrief, um die Abholung des Geldes und der Wertsachen zu vereinbaren, übernahm er den Hörer. In dem Moment sei dem unbekannten Anrufer bereits klar gewesen, dass das Ehepaar die Polizei gerufen hatte. Sein falscher Kollege plauderte an die zehn Minuten mit ihm, lud ihn nach Berlin in eine Bar ein. Der Anrufer konnte bis heute nicht identifiziert werden.

Laut Anklage sollen sich am Abend des 15. Oktober 2017 von den vier Angeklagten der 57-Jährige und der 27-Jährige in Rheinfelden in unmittelbarer Nähe des Anwesens des Ehepaares aufgehalten haben. Der echte Polizist berichtete vor Gericht, dass an jenem Tag von Bürgern vier derartige Anrufe gemeldet worden seien.

Alle vier Angeklagten wollen sich nach anfänglichem Schweigen zu den Vorwürfen äußern. Das Gericht hatte zuvor zu erkennen gegeben, dass die Angeklagten bei Geständnissen mit Freiheitsstrafen zwischen drei und dreieinhalb Jahren zu rechnen hätten.