Es ist ein ungewöhnliches Hobby, das sich Louis Hulin ausgesucht hat: Der 14-Jährige brennt für die Rheinfelder Stadtgeschichte. Und damit ist er nicht allein, seine Facebookgruppe hat inzwischen fast 1500 Mitglieder. Toll, wenn sich Menschen einbringen können, findet der Schüler. Er macht eine kleine historische Stadtführung.
Seine Leidenschaft für das Alte hat Louis Hulin ausgerechnet bei Google entdeckt. „Louis, kannst du mal im Internet nach alten Bildern von Rheinfelden suchen?“ Das hat ihn sein Großvater vor anderthalb Jahren gefragt, erzählt der 14-Jährige. Er begann, zu suchen und stellte fest: „Da ist ein großer Unterschied zwischen früher und heute. Das hat mich bewegt.“ Er steht auf dem Friedrichplatz und deutet auf das Modehaus Bohn, den „Public Pub“. „Was diese Häuser schon alles erlebt haben, das ist atemberaubend.“
Die Facebookgruppe
Auf seinem Tablet öffnet Louis Hulin ein altes Foto. Es zeigt die beiden Gebäude, vor denen der Schüler jetzt steht, in sepia, mit dem Grünstreifen und der Straße, die hier einst entlangführte. Es stammt aus der Facebookgruppe „Rheinfelden früher – heute“. Dem Mitglied zufolge, das dieses Bild gepostet hat, stammt es von 1952. Unter dem Beitrag in der Facebookgruppe finden sich Erinnerungen, etwa: „In dem Kino habe ich meinen allerersten Kinofilm gesehen.“
Platz für Erinnerungen
Es finden sich aber auch Bewertungen des Bildes, des Platzes: „Viel schöner und besser gestaltet“ – gemeint ist: als heute. Die Facebookgruppe, die Louis Hulin im April 2019 gegründet hat, hat inzwischen 1434 Mitglieder. Hier tauschen Liebhaber der Stadtgeschichte Fotos und Erinnerungen. „Dass die Gruppe so groß wird, hätte ich nicht gedacht“, sagt der 14-Jährige. Eigentlich wollte er nur seinem Großvater helfen, sagt er, für dessen Buch über die Stadtgeschichte. Inzwischen seien daraus mehrere Bände geworden.
Geschichte für die Familie
Der Großvater habe die Geschichte der Stadt festhalten wollen, für die Familie. Dabei stamme sein Großvater gar nicht aus Rheinfelden, sondern aus Schlesien. Seine Großmutter aus dem Ruhrpott. Louis Hulin grinst stolz: „Aber ich komme aus Rheinfelden, ich bin hier geboren.“ Besonders spannend findet er, dass Rheinfelden eine junge Stadt ist: „Das macht es so interessant, alte Städte gibt es überall.“ Sein großer Bezug zur Stadt komme aus seinem vielfältigen Engagement: Ministranten, Jugendfeuerwehr, Turnverein, 8er-Rat. Dabei komme die Schule auch einmal etwas zu kurz. Louis Hulin lächelt betreten. Seine Familie unterstütze ihn trotzdem, sagt er. Genau wie Bürgermeisterin Diana Stöcker, die er bei einem Praktikum bei der Kaltenbach-Stiftung kennen gelernt habe.
„Mir macht Rheinfelden Spaß“, sagt er. Sein Herzensprojekt sei und bleibe aber die Stadtgeschichte. Allerdings: Nur die alten Gebäude, für alte Gegenstände sei sein Großvater zuständig. Der sammle alte Radios. Der 14-Jährige führt weiter zum nächsten „besonderen Ort“: zum Oberrheinplatz. Auf seinem Tablet zeigt er ein Bild des früheren Gebäudes, des Kaufhauses Blum. „Mir gefällt das Hochrheincenter, die Struktur des Gebäudes ist erhalten geblieben“, sagt Louis Hulin. Und die modernen Geschäfte, die hier eingezogen sind? „Das ist natürlich toll für meine Generation“, sagt er. In der Facebookgruppe gebe es aber auch kritische Stimmen, die das Kaufhaus vermissen. „Das Kaufhaus war eine Ikone“, gibt Louis zu.
Er sei hin- und hergerissen: „Es ist wichtig, die alten Gebäude zu erhalten, aber eine Stadt muss auch modern werden.“ Nur solle man dafür nicht alles abreißen, zum Beispiel die Steffen-Häuser. „Das würde mich schon schmerzen, wenn die verschwinden.“ Louis überquert den Oberrheinplatz, betrachtet die Steffen-Häuser, deren Zukunft gerade erst wieder im Bau- und Umweltausschuss der Stadt diskutiert wurde. Das nächste Bild auf dem Tablet zeigt den alten Platz, Löwenbrunnen, Grünfläche. Louis‚ Kommentar: „Der Platz heute wirkt trostlos.“
Erhalt von Gebäuden wichtig
„Die Gebäude haben eine Geschichte und sie sollten stehen bleiben“, findet er. „Das gehört zu einer Stadt: Ein Haus erzählt viele Geschichten.“ Außerdem seien alte Gebäude einfach schön, findet der Schüler, wie die Rudolf-Vogel-Anlage. Der Erhalt historischer Gebäude sei auch in der Facebookgruppe „Rheinfelden früher – heute“ ein großes Thema. „Das ist den Leuten wichtig“, sagt der 14-Jährige.
Mitgestalten
Genau da liegt für ihn ein weiterer Reiz für sein Engagement: Die Leute sollen mitgestalten können, wie in seiner Gruppe. „Eine Stadt ohne Bürgerbeteiligung funktioniert nicht“, ist Louis Hulin überzeugt. Er selbst fühle sich bei seinem Herzensthema eingebunden: Bürgermeisterin Diana Stöcker habe ihn gefragt, ob er sich an einem Projekt im Schauraum der Stadt beteiligen will. Nur: Bei der Jugendbeteiligung hapere es noch. Der 8er-Rat bringe sich ein – „aber es ist bis jetzt nichts herausgekommen“.
Die Wünsche der Jugend
Die Wünsche der Jugend laut Louis: mehr Grünflächen, ordentliche Schulgebäude und ein Treffplatz. „In der Stadt werden sie weggescheucht, weil sie Musik hören. Aber wo sollen sie sich sonst aufhalten?“ Gemeinsam mit einer Schulkameradin plant er ein Jugendcafé in der Metamorphose – sobald die Corona-Pandemie es zulässt.
Dem 14-Jährigen wird es wirklich nicht langweilig. Nach Corona will er auch wieder seinen Stadtgeschichte-Stammtisch mit rund 20 Teilnehmenden beleben. Außerdem führt er gerade 15 Interviews: Im Rahmen des Wertejahrs fragt er verschiedene Menschen, welchen Wert Stadtgeschichte hat. Auch für die Zukunft hat Louis Hulin große Pläne: Er will in den Gemeinderat, eine junge Stimme sein. „Politik ist mein Thema.“ Er könne sich auch vorstellen, Berufspolitiker zu werden, sagt er. „Ich will, dass auf die Bürger gehört wird.“