Rheinfelden Lautes Lachen und das Klirren von Geschirr schallen am Donnerstagvormittag über den Innenhof des Cafés Metamorphose in Rheinfelden, der Duft von Tomaten und Gewürzen mischt sich in die warme Frühlingsluft. Auf einer Anrichte am Küchenfenster kühlen zwei große Schüsseln Schokopudding aus. In der kleinen Küche schwingt Franziska Werbing den Kochlöffel. Seit 9 Uhr stehen sie und ihre vier Helferinnen am Herd – schnibbeln, umrühren, abschmecken. Sie kochen nicht für sich, sondern für alle Rheinfelderinnen und Rheinfelder – und alle, die neu hier sind. „Es gibt nichts Schöneres, als über das Essen und Kochen miteinander in Kontakt zu kommen“, sagt Franziska Werbing, die dort alle nur „Franzi“ nennen.

Das Projekt Familienküche International gibt es seit fast fünf Jahren. Als niedrigschwelliges Angebot, um Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Hintergründe zusammenzubringen. Jeden Donnerstag kochen wechselnde Teams Gerichte aus der ganzen Welt. Fünf bis sechs Köchinnen und Köche stehen dann den ganzen Vormittag in der kleinen Küche des Cafés in der Hebelstraße und bereiten einen offenen Mittagstisch zu. Einen festen Preis haben die Gerichte nicht, stattdessen wird eine Box für Spenden aufgestellt. Jeder soll hier nur so viel bezahlen, wie er sich leisten kann. Seit einem Jahr bezuschusst das Land den multikulturellen Treff.

Man wolle einen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten, indem auch Menschen mit geringem Einkommen eine vollwertige warme Mahlzeit bekommen. Das gehört zum Selbstverständnis der Initiatoren aus dem Familienzentrum Rheinfelden und dem Freundeskreis Asyl. Einer von ihnen ist Rüdiger Lorenz. Er hängt sehr an seinem Herzensprojekt: „Die Familienküche ist kein kommerzieller Raum, es herrscht einfach ein Klima des Willkommens. Und das hat sich rumgesprochen. Hier schaffen wir, was so selten erreicht wird: Einen Ort, wo wir uns unvoreingenommen begegnen können“, sagt er, während er Tische und Bänke im Hof zu einer langen Tafel aufstellt. Um die 50 Essen geben sie bei gutem Wetter im Durchschnitt aus. Und an diesem Donnerstag ist das Wetter sehr gut. Drinnen geht es unterdessen hektisch zu, ein Handywecker schlägt 12 Uhr. In einer halben Stunde kommen die ersten Gäste. Zwischen den beiden engen Küchenzeilen bewegen sich fünf Köchinnen. Eine junge Frau zupft Basilikum für die Tomatensoße, an einer anderen Ecke der kleinen Küche summt ein Pürierstab. Buschra rührt unterdessen routiniert die Soße für den Salat an. Klein geraspelter Chinakohl ist es heute anstelle grüner Salatblätter, „einfach mal was anderes“. Jeden Donnerstag ist sie da, seit einem halben Jahr unterstützt sie das Team. „Zum Deutsch üben und um Freundinnen zu finden“, sagt sie. Beides klappt hier offenbar gut. Seit fünf Jahren lebt sie in Rheinfelden, es gefalle ihr gut, „ich fühle mich sehr wohl“. „Wir würden sie auch nicht mehr hergeben“, sagt Franziska Werbing lachend. Sie steht am Herd und hat vier große dampfende Suppentöpfe im Blick.

Nudeln mit dreierlei Soßen gibt es heute. Ausnahmsweise sogar eine mit Schinkenwürfeln. Normalerweise verzichte man auf Schweinefleisch, aus Rücksicht auf muslimische Gäste. Aber wegen des Ramadans sind heute keine muslimischen Gäste gekommen, deshalb könne man mal eine Ausnahme machen, sagt die Leiterin des Projekts augenzwinkernd. Überhaupt sei das Essen heute recht improvisiert, die portugiesische Köchin liege krank zuhause. Seit 2023 hat Werbing die Zügel beziehungsweise die Kochlöffel in der Hand.

In dieser Woche steht das gemeinsame Kochen und Essen im Zeichen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Wichtig sei es, dass es Projekte wie die Familienküche gibt, um Menschen zusammenzubringen. Auch über kulturelle Barrieren hinweg. Darüber herrscht Einigkeit bei den befragten Gästen. So könnten etwa auch Vorurteile abgebaut werden. „Wer zum Beispiel glaubt, Ausländer würden nicht arbeiten, kann sich hier die Realität anschauen. Hier arbeiten sie sogar unentgeltlich“, sagt Doro Rottmann. Sie ist die Vermieterin des Cafés und kommt jede Woche zum Essen. Weil es immer gut schmeckt, sagt sie, während sie etwas vom vorbereiteten Essen nascht.
„Wir hatten mal Schawarma, das war mega lecker. Indisch ist auch immer gut.“

In der Familienküche kommt alles auf den Teller, was die Köchinnen und Köche aus der Heimat kennen. Einmal, so erzählt es eine der Köchinnen, habe ein syrischer Kurde direkt auf den Herdplatten gerollte Brote gebacken. „Das Essen war oberaffengeil, aber zum Putzen brauchten wir später nen Spachtel“, sagt sie lachend. Auch schwäbische Küche steht auf der Speisekarte, nämlich dann, wenn die Männer im Team am Herd stehen und Käsespätzle zubereiten – das hat schon Tradition. Das Konzept kommt gut an. „Hier esse ich, was ich zuhause selber nie kochen würde, und das ist toll. Und alles ist immer gut gewürzt“, sagt eine Besucherin anerkennend. Sie ist alleinstehend, da mache aufwendiges Kochen oft keinen Sinn. An diesem Donnerstag müssen sie und die anderen rund 20 hungrigen Gäste, die sich pünktlich um 12.30 Uhr am Café eingefunden haben, aber noch etwas gedulden. Die Nudeln sind noch nicht fertig. An einem Tisch unter einem Baum mitten im Hof haben sich sechs Frauen niedergelassen. Vier Nationalitäten vereinen sie auf sich: Südafrika, das Vereinigte Königreich, die Schweiz – und zwei Deutsche sind auch dabei. Gesprächsthemen gibt es genug. Dann endlich: Mit knapp 15 Minuten Verspätung ist angerichtet.