Rheinfelden Die Stadt Rheinfelden wird den Betrieb des geplanten Naturkindergartens in Adelhausen nicht extern vergeben, sondern selbst übernehmen. Nachdem das Thema die kommunalen Gremien mehr als einen Monat lang immer wieder beschäftigte, ist der Gemeinderat mit breiter Mehrheit einem entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion gefolgt. Mit dem Beschluss wurde die Ausschreibung für den Kita-Betrieb aufgehoben. Wann der Kindergarten starten kann, ist indes noch nicht klar. Die Stadt wird dafür zuerst Personal anwerben müssen.

  • Was bisher geschah: In Adelhausen soll ein neuer Naturkindergarten entstehen. Die Stadt Rheinfelden hatte den Betrieb des Kindergartens im April auf fünf Jahre ausgeschrieben. Aus der Ausschreibung war die Senseability Academy als Sieger hervorgegangen. Das Unternehmen mit Sitz im südhessischen Obertshausen betreibt in Rheinfelden bereits die Naturkindergärten in Warmbach und Nordschwaben sowie 16 weitere Wald- und Naturkindergartengruppen in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.

Der Rheinfelder Gesamtelternbeirat hatte in einer Stellungnahme deutliche Kritik an der Senseability Academy geübt. Dabei ging es unter anderem um abgebrochene Eingewöhnungen, den Ausschluss von Kindern vom ­Kindergartenalltag wegen Kleinigkeiten, einer Tendenz zu Anthroposophie und Esoterik sowie nicht zugelassenen Elternbeiräten. In seiner Sitzung am 19.¦Mai hatte der Sozialausschuss sich gegen die Vergabe ausgesprochen. Asha Scherbach, Geschäftsführerin der Senseability Academy, hatte daraufhin die Vorwürfe auf Nachfrage zurückgewiesen.

  • Bedenken überwiegen: In der Sitzung musste in der bereits vierten öffentlichen Gremiumssitzung eine Entscheidung fallen. Auch nach der ausführlichen Vorberatung taten sich viele Ratsmitglieder noch schwer mit dem Thema. Einerseits werden in Rheinfelden angesichts der langen Warteliste möglichst schnell neue Kitaplätze gebraucht. Andererseits gelang es der Geschäftsführung der Senseability Academy offenbar auch in einer nichtöffentlichen Sitzung nicht, die Bedenken zufriedenstellend auszuräumen.

Fragen aus dem Sitzungsrund seien unzureichend beantwortet worden, kritisierte Dieter Meier (CDU) in der Begründung des Antrags. „Papier und gelebtes Wirken passen hier nicht zusammen“, sagte er. Das schließe eine Zusammenarbeit angesichts der zwei anderen Kindergärten, die von der Senseability Academy geführt werden, zwar nicht aus, aber einen dritten an das Unternehmen zu vergeben verbiete sich, so Maier. „Wenn wir eine weitere Kita an die Senseability Academy vergeben, erschüttern wir das Vertrauen der Eltern“, sagte auch Stefanie Bläsi (Grün-Soziale). „100 Prozent Zustimmung“, für den CDU-Antrag gab es ebenfalls von der AfD-Fraktion. Die pädagogischen Mängel in Nordschwaben und Warmbach müssten dringend abgestellt werden, forderte Anette Lohmann (GAR).

Die Freien Wähler und die SPD-Fraktion stimmten jeweils unterschiedlich ab. Sie hätte „mit Bauchweh“ für die Vergabe gestimmt, wenn sie überzeugt worden wäre – das sei aber nicht geschehen, sagte Adelhausens Ortsvorsteherin Silvia Rütschle (Freie Wähler). Die Probleme in den Kindergärten in Warmbach und Nordschwaben seien nicht aus der Welt, wenn die Stadt den Kindergarten in Adelhausen selbst übernehme, sagte Dietmar Häßler (Freie Wähler). „Die Berichte der Eltern und des Gesamtelternbeirats nehmen wir sehr ernst“, betonte Karin Paulsen-Zenke (SPD). Auch die Gespräche mit der Betreiberin hätten große Zweifel hinterlassen. Ihre Fraktionskollegen Hannelore Nuß und Gustav Fischer stimmten dagegen nicht für den CDU-Antrag. Die Stadt sei personell und auch wegen fehlender Erfahrungen nicht in der Lage, die Trägerschaft zu übernehmen, sagte Nuß. Fischer erinnerte an die Verantwortung gegenüber den 200¦Kindern auf der Warteliste. Benno Mülhaupt (FDP) verwies auf geringe Ausfallzeiten in den Kitas in Nordschwaben und Warmbach und schloss sich dem Antrag ebenfalls nicht an.

Kritik gab es auch mehrfach an der Rolle des Kommunalverbands Jugend und Soziales (KVJS). Der müsse seiner Kontrollfunktion nachkommen, forderten mehrere Ratsmitglieder. Sabine Hartmann-Müller (CDU) wies darauf hin, dass der KVJS sich durchaus um Anzeigen und Beschwerden kümmere, diese aber nicht nach außen kommuniziere. Oberbürgermeister Klaus Eberhardt sagte, dass der Stadt keine Gründe vorlägen, die gegen eine Betriebserlaubnis im Falle einer Vergabe an die Senseability Academy sprechen würden. Gleichzeitig betonte der OB aber auch, dass die Stadt Rheinfelden durchaus in der Lage sei, den Kindergarten selbst zu betreiben.

  • Drohen nun Schadenersatzforderungen? Über der ganzen Debatte schwebte auch immer die Frage, ob die Senseability Academy Schadensersatz gegenüber der Stadt geltend machen kann, wenn sie nach der Ausschreibung nicht zum Zuge kommt. Wie beurteilt die Stadtverwaltung das? „Grundsätzlich ist ein Auftraggeber nicht verpflichtet, in einem Ausschreibungsverfahren einen Zuschlag zu erteilen, sofern er die Leistung auch in Eigenregie ausführen kann“, heißt es in einer Antwort aus dem Rathaus auf Nachfrage dieser Zeitung. Genau dieses Vorgehen sei vom Gemeinderat beschlossen worden.