Am 19. Mai 1971 berichtete die Zeitung, dass das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage eines Wuppertaler Kaufmanns gegen die Schließung des von ihm in Karsau-Riedmatt eröffneten „Dirnenwohnheims“ abgewiesen hatte.

Das damals noch eigenständige Karsau hatte auf Grundlage einer Landesverordnung die Schließung verfügt, da in Gemeinden unter 20.000 Einwohner die sogenannte Gewerbsunzucht verboten war. Dagegen hatte der Kläger argumentierte, dass die Verordnung nur für die auf öffentlichen Plätzen und Straßen ausgeübte Prostitution gelte. Das Verwaltungsgericht wollte dieser Argumentation nicht folgen und wies die Klage ab.

Beim gerichtlich verhandelten Etablissement handelte es sich um den „Blauen Bock“ an der B 34 außerhalb von Riedmatt, der 1971 seinen markanten blauen Farbanstrich erhielt.

Die anrüchige Geschichte um den Blauen Bock dauerte aber noch Jahre an. Gut daran erinnern kann sich der Karsauer Ortsvorsteher Jürgen Räuber, der 1972 als Polizist nach Rheinfelden kam. Er erinnert sich, dass in jenen Tagen der Blaue Bock weithin bekannt war, sogar über die Grenze kannten Schweizer Karsau und den Blauen Bock, selbst wenn sie noch nie von Rheinfelden gehört hatten.

Ortsvorsteher Jürgen Räuber erinnert sich an die Geschichte des Blauen Bocks.
Ortsvorsteher Jürgen Räuber erinnert sich an die Geschichte des Blauen Bocks. | Bild: Archivbild: Ralf H. Dorweiler

Den unzweideutigen Namen trug das Gebäude nicht immer. Gebaut wurde es als Gasthaus „Zum Kraftwerk“ im Jahr 1928 von einem Riedmatter im Zuge des Baus des Wasserkraftwerks Rhyburg-Schwörstadt, um die Arbeiter zu verköstigen.

Einst beliebtes Gasthaus

„Für Fernfahrer war das vergleichbar mit der Sägemühle in Degerfelden“, sagt Räuber. Noch heute zeugt der große Parkplatz vor dem Blauen Bock davon, dass dort Lastzüge Rast machten. Bis 1970 wurde das Gasthaus von wechselnden Betreibern geführt.

„Da war die Hölle los und Karsau ist öfters mal auf der Titelseite der Bild-Zeitung erschienen“, erinnert sich Räuber. Dienstlich hatte er mehrfach mit dem Blauen Bock zu tun. Immer wieder fanden Razzien statt, sogar verdeckte Ermittler wurden in das offiziell als Nachtklub deklarierte Etablissement geschickt, da der Staat dort „gewerbsmäßige Unzucht“, sprich das Betreiben eines Bordells vermutete.

Bekannt am ganzen Hochrhein

1979 wechselte Räuber zur Lörracher Polizei, aber als er 1980 in den Gemeinderat von Rheinfelden gewählt wurde, sollte ihn der Blaue Bock weiter beschäftigen. Er erinnert sich, dass früher die Karsauer „Halbstarken“ sich etwas dazu verdienten, wenn ein Schweizer durch den Ort auf der Suche nach dem Blauen Bock irrte. Für fünf Mark wiesen sie ihm den Weg. Übrigens zeigten sie oftmals in eine falsche Richtung, damit der nächste Jugendliche nochmal Auskunft erteilen konnte.

„Früher gab es zahlreiche Bordelle an der Grenze zur Schweiz. Die haben sich wie eine Perlenkette am Hochrhein entlang gezogen“, sagt Räuber. Die Bordelle entstanden, weil in der Schweiz die Prostitution verboten war.

Die blaue Farbe ist Geschichte

Erst nach der Liberalisierung der Gesetzeslage in der Schweiz Mitte der 1990er Jahre und dem Ausbleiben der Schweizer Kundschaft setzte der Niedergang der hiesigen Prostitution ein. Der Blaue Bock wurde noch bis 2016 als Nachtklub betrieben, dann eröffnete dort ein Casino. Die blaue Farbe ist Geschichte. Heute ist das Gebäude in einem hellen Grau gestrichen.