Drei Schulen, drei Perspektiven: Cybermobbing ist allgegenwärtig. Wir haben nachgefragt, wie ausgewählte Schulleitungen mit dem Thema umgehen.
- Bärenfelsschule: Damit möglichst wenig schief läuft, arbeitet die Bärenfelsschule in Grenzach mit ihren 310 Kindern bis zur Klasse vier mit einem Medienentwicklungskonzept. Schulleiterin Sabine Braun ist es wichtig, dass der Umgang mit dem Internet in allen Klassen geübt wird, denn auch „Grundschüler haben schon Whats App“. Ohne Aufklärung werde im Netz „unsensibel“ agiert.
Die Erfahrung lehre, dass „im Internet kein Betroffenheitsgrad“ entsteht. Dafür sensibilisiere die Schule, indem sie die Kinder an die elektronischen Medien heranführt. Im Grundschulalter falle nicht „so viel“ vor, aber auch Kinder beleidigen und grenzen aus nach dem Muster „….finde ich doof“ oder auch „du gehörst nicht mehr zu uns“. Die Tragweite ihres Tuns erkennen viele nicht. Und für das Opfer gibt es kaum eine Möglichkeit, sich zu verteidigen. „Wir reagieren immer und in jedem Fall“, betont Braun. Wenn Lehrern ein Vorfall zugetragen wird oder auffällt, dass ein Kind traurig aussieht, fragen sie nach. Wichtig ist auch der Blick auf den Schulhof. Schlägt ein Fall bei der Schulleitung auf „reden wir einzeln und direkt“. Dazu werde auch die Schulsozialarbeit eingebunden. Die Eltern werden informiert und gebeten, das Internetverhalten ihrer Kinder im Blick zu behalten und die Schule in ihrem Bemühen zu unterstützen. Meistens reagieren sie „sehr besorgt“, stellt die Schulleiterin fest. Wer mobbt, fühle sich oft beschämt.
- Schiller-Gemeinschaftsschule: Das Repertoire an Beleidigungen und Bedrohungen kennt Hans Peter Brugger gut.
Der Leiter der Schiller-Gemeinschaftsschule in Rheinfelden bestätigt, dass Mobbing stark zunimmt in der Altersgruppe fünfte bis zehnte Klasse. Er geht das Problem direkt und offen an, dabei ist die Schulsozialarbeit der Caritas ein wichtiger Partner. Aber auch die Klassenlehrer spielen eine wichtige Rolle.
Soziale Medien als Thema im Unterricht
Grundsätzlich wird der Umgang mit sozialen Medien und dem Internet im Unterricht thematisiert. Daran nehmen auch Vertreter der Polizei teil. Weil Brugger sich um ein vertrauensvolles Verhältnis an der Schule bemüht, berichten Opfer auch von sich aus, was sie bedrückt.
Bei Cybermobbing werden Verantwortliche anhand des Chatverlaufs zur Rede gestellt und ihnen klargemacht: „Du löscht das.“ Damit sich Fehlverhalten nicht wiederholt, wird der Schüler mit Konsequenzen konfrontiert. Bei wenigen gravierenden Vorfällen kommen die Eltern dazu.
Grundsätzlich gebe es „alle Spielarten“, heißt es. Manche Fälle sind auch „strafrechtlich relevant“ und führen zur polizeilichen Anzeige. Sozialstunden als Erziehungsmaßnahme wurden an der Gemeinschaftsschule noch nie verfügt. Brugger macht die Erfahrung, dass die Jugendlichen ihr Verhalten als „nicht so schlimm“ ansehen. Pädagogisch hilfreich erweisen sich deshalb Fotos vom Chatverlauf, oft helfe im Gespräch ein Perspektivenwechsel mit der Frage: „Was würde das bei dir auslösen?“
- Georg-Büchner-Gymnasium: Den Digitalisierungsschub und die Corona-Zeit hält Volker Habermaier, Direktor des Georg-Büchner-Gymnasiums Rheinfelden für mitverantwortlich, dass Cybermobbing „ein Riesenproblem“ ist. Die Präventionsarbeit in den Klassen stützt sich auf drei Säulen: polizeiliche Prävention, regelmäßige Prävention und Fachunterricht zum Beispiel in Deutsch und Ethik. Das Gymnasium nutzt ein Sozial-Curriculum für die einzelnen Jahrgangsstufen.
Auch Fachkräfte wie Polizei und das Freie Theater Tempus Fugit werden herangezogen. Die ersten Bausteine werden in Klasse fünf und sechs gesetzt. Ganz wichtig ist dem Direktor die Arbeit der Caritas-Schulsozialarbeit mit einer Hundertprozentstelle. Die Stadt sehe diese Notwendigkeit, betont Habermaier. Erfahrungsgemäß sind „Kinder häufig sehr offen“ und sagen Lehrern, wenn sie in Nöten sind. Parallel versucht die GBG-Leitung, die „Eltern zu sensibilisieren“. Doch mit Infoabenden macht der Direktor nicht die besten Erfahrungen (siehe Kasten) Bei Cybermobbing hält sich das GBG daran, konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Das heißt aber auch: „Wir zeigen Grenzen auf“. Das geht bis zum zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht. Zum Äußersten wird aber nur selten gegriffen, ein- oder zweimal pro Schuljahr. Denn die meisten Schüler sind nach Habermaiers Worten einsichtig.
- Schulzentrum in Grenzach-Wyhlen: Das Internet sieht Wolfgang Hüttermann als „wichtige Lebenswelt“ von Schülern. Für die Schulsozialarbeit sei das Netz deshalb ein wachsendes Thema, sagt der Sozialpädagoge der Kaltenbach-Stiftung am Schulzentrum in Grenzach-Wyhlen.
Prävention spielt eine sehr wichtige Rolle. Darin sind auch die Villa Schöpflin und die Polizei eingebunden, denn die Nutzer würden immer jünger. Somit entstehen auch mehr Problemsituationen. Der Schulbereich ist zwar eine handyfreie Zone, das Handy spielt aber trotzdem im Schulleben eine Rolle. Es gibt inoffizielle Klassenchats, die sich auf den Schulalltag niederschlagen, sagt Hüttermann. Einzelne Schüler würden aus Chats ausgeschlossen und mit Fotos oder verbal ausgegrenzt. Werden einzelne Schüler im Netzwerk angegangen oder bedroht und die Schulsozialarbeit erfährt dies, sucht sie nach Lösungen.
Wer sprechen möchte, macht dies freiwillig und es gilt Verschwiegenheit. Grundsätzlich sei es so, dass Lehrer merken, ob es im Schulischen stimmt oder soziale Auffälligkeiten bestehen. Beobachtbares Verhalten unterliege nicht der Schweigepflicht. Jeder Fall werde ernst genommen, es werde versucht, den Tätern klar zu machen, wie sich der Gemobbte fühlt. In der Argumentation hört Hüttermann oft, dass es doch „um Spaß“ gehe.
Und wie ist das mit den Eltern?
Eltern wüssten oft nichts vom digitalen Treiben ihrer Sprösslinge sagen der Sozialpädagoge Wolfgang Hüttermann und Volker Habermaier, Direktor des Georg Büchner-Gymnasiums übereinstimmend. Wolfgang Hüttermann erlebt auch, dass Erziehungsverantwortung zu wenig wahrgenommen wird. Bei 1000 Schülern an der Realschule und Lise-Meitner-Gymnasium nähmen an einem Infoabend zum Internet im Jahr 60 bis 100 Eltern teil, so seine Erfahrung. Sind beide Elternteile berufstätig, fehle häufig Kontrolle und die Aufforderung: „Zeige mir deinen WhatsApp-Verlauf.“
Dabei kennt Wolfgang Hüttermann auch „viele Eltern, die einen guten Job machen“. Vernachlässigung und Unterlassung in der Erziehung werfe die Frage der Kindeswohlgefährdung auf, betont der Sozialpädagoge. Die Schulsozialarbeit gebe Eltern, denen die Kraft fehlt, Tipps und leitet an Beratungsstellen weiter. Hüttermann weiß um das elterliche Dilemma. Verbieten Eltern dem Kind den Smartphone-Gebrauch „kann es zum Außenseiter werden“.
Dass Eltern nur wenig Interesse an entsprechenden Themenabenden zeigen, ist auch der Eindruck Volker Habermaiers am Georg-Büchner-Gymnasium. Bei ernsten Problemen im Bereich Cybermobbing würden die Eltern eingeschaltet. Manche spielen dann den Vorfall herunter, aber Habermaier beobachtet auch die Tendenz: „Schule mach‘ du mal“.