Thomas Mutter

Geheimnisvollen Erzählstoff merken sich die Menschen schneller und länger als unbezweifelbare Fakten. Die Besucher des Domes fragen schneller nach der Habsburger Gruft, von der sie irgendwo einmal gelesen haben, als nach der Bauzeit der Kirche. Schließlich vermittelt allein schon das Wort Gruft einen gewissen und die Vorstellung von Mystischem.

1770 ließ Fürstabt Martin II. in einer feierlichen Zeremonie die Gebeine mehrerer früherer Habsburger aus Klingnau nach St. Blasien ...
1770 ließ Fürstabt Martin II. in einer feierlichen Zeremonie die Gebeine mehrerer früherer Habsburger aus Klingnau nach St. Blasien überführen. Bild: Barthmes | Bild: Sebastian Barthmes

Was hat es also mit dieser Habsburger Gruft, die neben vielen wichtigeren Motiven auch am Anfang des Dombaus eine kleine Rolle spielte, auf sich? Fürstabt Martin II. lässt am 14. November 1770 – mitten in den Planungen für den Kuppelbau und protokollarisch ausgeklügelt am Vortag des Festes des heiligen Leopold (des Schutzpatrons von Österreich) – in einem bombastischen Zug Gebeine alter Habsburger aus dem 13. Jahrhundert – darunter Königin Anna (gestorben 1281), die erste Gemahlin Rudolfs I. – aus Klingnau nach St. Blasien verbringen.

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Nach Klingnau, bis heute mit St. Blasien in freundschaftlicher Partnerschaft verbunden, waren die Habsburger Gebeine aus dem Münster zu Basel und aus Königsfelden im Aargau überführt und, das Wort sei erlaubt, zwischengelagert worden. Vom „Heimholen“ der Gebeine aus evangelischen Schweizer Orten in ein katholisches und zudem Habsburg unterstelltes Kloster versprach sich der kirchlich und politisch versierte Fürstabt den verstärkten Schutz und die besondere Gunst der Wiener Zentrale der Habsburger. Dass die Geschichte dann doch alles anders gefügt hat, war die später bittere Lektion nicht nur für die St. Blasier Abtei.

Feuer und Flamme für würdevolle Darbietung

Der französische Architekt der geplanten Kuppelkirche, Pierre Michel d’Ixnard, war Feuer und Flamme für eine würdevolle Darbietung der Gebeine, die erst einmal in eine erhabene, aber letztlich doch bescheidene Gruft (in etwa tief unter dem Orgelstandort anzusiedeln) verbracht wurden. Die Idee des begeisterten Architekten, eine Art Unterkirche als Grufthalle unter der Rotunde zu bauen, wurde vom fürstäbtlichen Bauherrn nie (aus heutiger Sicht: leider?) ernsthaft aufgenommen und weiter verfolgt. Stattdessen war Martin Gerbert an einer prachtvoll ausgestatteten, großzügig bemessenen Gruftkapelle gelegen, die eine feinsinnige symbolische Botschaft übermitteln sollte: Die eigentlichen Grabnischen sollten unter der Kirche, die Kapelle unter dem Konventgebäude Platz finden.

Anspruchsvolle Gestaltungsabsichten

Inwieweit die als Plan vorliegenden und auch nach Wien übermittelten anspruchsvollen Gestaltungsabsichten dieser Habsburger Gruft tatsächlich in die feierliche und mystische Wirklichkeit umgesetzt werden konnten, verbirgt sich unter dem undurchsichtigen Mantel der Ereignisse. Denn längst hatten sich über die Klöster die Schatten der großpolitischen Entwicklungen (französische Revolution, Aufklärungsgeist, Bedrohung der kirchlichen und klösterlichen Stellungen, Säkularisation) gelegt und für empfindsame Ohren das Sterbeglöcklein für die Klöster läuten lassen.

Knochenreste liegen heute in Kärnten

Beim erzwungenen Weggang der Benediktinermönche 1807 blieben die kleinen Holzsärge mit den edlen Knochenresten zunächst noch in der St. Blasier Klostergruft zurück. Sie wurden – welch ein Wunder der Geschichte und der hereinbrechenden Umwälzungen! – unangetastet und unversehrt gelassen. Die sehr alten, nur noch aus Knochenresten bestehenden Habsburger wurden nachgeholt und zogen dann mit den St. Blasier Mönchen von ihrer Zwischenstation in Spital am Pyhrn/Oberösterreich zur neuen Heimstatt in St. Paul/Kärnten. Unter dem Hochaltar der dortigen Stiftskirche haben die Gebeinskästen ihren womöglich wirklich letzten Ruheplatz gefunden – wiederum in einer höchst einfachen, überaus kleinen, an die Urkirche erinnernden Gebets- oder Schweigekammer.