Die kirchliche und politische Gemeinde feiern in diesem Jahr mit dem 300. Geburtstag des Fürstabts Martin Gerbert auch den Höhe- und Endpunkt des klösterlichen Jahrtausends an den Ufern der Alb. Da drängt sich die Frage auf, ab wann von Kloster im eigentlichen Sinn mit strengen Regeln und Formen gesprochen werden kann.
Die Geschichte gibt selten eine einzige Antwort. Wir greifen uns den Abt Rusten und seine Zeit vor 900 Jahren heraus, als die Alb- oder Blasiuszelle eine in jeder Hinsicht glänzende Festigung erfährt. Es bedarf gewiss keiner weiteren Erläuterung, dass die Zeit von Mitte 9. bis Mitte 11. Jahrhundert dem geistigen und materiellen Aufbau, der wirtschaftlichen Sicherung, der Rodung der Wälder und dem mühsamen Weg zum Klosterleben gewidmet war.
Zögernd und ganz allmählich wird durch die frommen Männer (Einsiedler, die noch weit vom Wesen des Mönchs entfernt waren) die Ordensregel des heiligen Benedikt angenommen, ein steinernes Kloster (oder war es nur ein „Klösterlein“?) und die erste Kirche werden errichtet. In der Mitte des 11. Jahrhunderts dann erlangt St. Blasien unter Abt Giselbertus zusammen mit dem Kloster Cluny erste Berühmtheit im innerklösterlichen Reformbestreben gegen die Nachlässigkeiten und Gleichgültigkeiten.
Offizielle Abtliste
Und daran scheint Abt Rusten, latinisiert (also in lateinische Sprachform gebracht) Rustenus, angeknüpft zu haben. So seltsam wie sein Name ist der Umstand, dass seine Herkunft unbekannt ist, obwohl er in der offiziellen Abtliste geführt und für seine Tat- und Führungskraft gerühmt wird.
Er ist der fünfte Abt in der Reihe der nachweisbaren Klostervorsteher und wird als eindrucksvoller Gelehrter und Organisator überliefert. Das gerade mit der Reformbewegung von St. Blasien/Cluny benannte Streben nach Disziplin, Zucht und geistig-religiöser Strenge hat dieser Abt Rustenus in eindrücklicher Weise fortgesetzt und ausgeweitet.
In seiner Amtszeit (1108 bis 1125) gilt St. Blasien als erster Höhepunkt in der damals noch jungen Klostergeschichte, als Hort der Disziplin, der Wissenschaft und des Reichtums (durch zahlreiche Schenkungen). Abt Rustenus setzt zudem den vor ihm begonnenen Bau des „Neuen Münsters“ als dreischiffige romanische Basilika in Angleichung an das sogenannte Hirsauer Schema fort (benannt nach den Klosterbauten von Hirsau). Die Stellung und das Ansehen St. Blasiens werden damals auch aufgewertet durch den Umstand, dass viele hiesige Mönche andere Klöster als Reformer, Äbte und Gelehrte bereichern.
Es ließe sich ein trefflicher „Streit“ entwickeln, ob nicht Abt Giselbertus (1068-1086) mit seinem Anschluss an die europäisch-kirchenpolitisch bedeutsamen Reformbestrebungen von Cluny die gleiche Bewertung als erster St. Blasier Geschichtshöhepunkt zuerkannt werden sollte wie seinem Nach-Nachfolger Rustenus.
Das blasianische Jahrtausend kennt andere Probleme als eine solche Leistungsbewertung, wiewohl Abt Rustenus als der umfassendere, leistungsstärkere und autoritätsvollere Klosterleiter hervortritt. 900 Jahre sind zwar kein Stoff für ein neues Jubiläum, aber fügen sich in den Zusammenhang des fürstäbtlichen Jubiläumsjahres ein.