Thomas Mutter

Einen Menschen aus besonderem Anlass zu feiern, heißt natürlich seine Charakterstärken und seine lobenswerten Eigenschaften ins rechte Licht zu rücken. So soll es auch für Fürstabt Martin Gerbert gelten, bei dem sich zweifelsfrei auch Schwächen ausmachen lassen. Aber heute drängt es sich auf, seinen „Mut vor Fürstenthronen“, sein Selbstbewusstsein und seine aufrechte Haltung in einer brisanten kirchenpolitischen Lage zu rühmen und für vergleichbare Fälle beispielhaft darzustellen.

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Der nur kurz von 1769 bis 1774 regierende Papst Clemens XIV. (in deutschen Medien meistens mit K geschrieben) verbietet 1773 unter politischem und gewiss auch theologischem Druck die Ordensgemeinschaft „Gesellschaft Jesu“ (lateinisch „Societas Jesu“, daher die Abkürzung SJ hinter den Namen der Angehörigen, vereinfacht „die Jesuiten“).

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Es würde das lokale Interesse sprengen, die staats- und kirchenpolitischen Hintergründe der Ordensaufhebung durch den Papst zu erörtern. Der St. Blasier Klostervorsteher Martin II. jedenfalls, der übrigens gar kein ungetrübtes Verhältnis zu den Jesuiten vorweisen will, zeigt sich empört über diese päpstliche Entscheidung: „Die Aufhebung ist eine Angelegenheit, die ich wenige Jahre früher für unmöglich gehalten habe. Das überschreitet mein Fassungsvermögen.“

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Der Fürstabt gibt diese Stellungnahme nicht im internen blasianischen Kreis der Mitbrüder ab, sondern in seiner Antwort an den Kanzler der päpstlichen Botschaft in Luzern. Von dort war Martin Gerbert vom Verbot der Jesuiten in Kenntnis gesetzt worden, ausdrücklich mit dem Hinweis, dass es unter Strafe verboten sei, gegen diese Verfügung Stellung zu beziehen. Das hindert den Fürstabt nicht daran, gegenüber dem höchsten bischöflichen Verwaltungsbeamten (in Konstanz, noch nicht Freiburg) ebenfalls sein Unverständnis auszudrücken, ja sogar die Zeit kommen zu sehen, da der Satan sein Unwesen treiben werde. Harsche und barsche Worte, ausgelöst durch eine päpstliche Entscheidung.

Seinen Widerstand setzt er auch in die praktische Tat um: Ohne Bedenken nimmt er einen heimatlos gewordenen Jesuiten 1774 im Kloster St. Blasien auf und krönt seine Haltung mit einem deutlichen symbolischen Akt – als Papst Pius VI., der Nachfolger des „Verbotspapstes“, Anfang Mai 1782 in Augsburg weilt, ist es für den Fürstabt eine innerkirchliche und protokollarische Pflicht, dem Papst seine Aufwartung zu machen. Und wo bezieht Martin Gerbert seine Unterkunft? Bei den dortigen Jesuiten, die still und verhalten „noch immer beisammen lebten und noch immer ihre Ämter und die Ordnung hatten wie zuvor“ (der St. Blasier Pater und Hofkaplan Trudpert Neugart).

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Die eindeutige fürstäbtliche Position hat umso mehr Gewicht als Martin II. durchaus den Jesuiten nicht kritiklos gegenüber steht – sonst hätte er ja als kurzzeitiger Jesuitenschüler Jesuit und nicht Benediktiner werden können. Die Jesuitenschule in Freiburg verlässt der 12-Jährige, weil er zwar nicht restlos begeistert war, aber doch hauptsächlich, weil sein 14 Jahre älterer Bruder Johann – in der Kanzlei des Klosters tätig – ihn nach St. Blasien „abgeworben“ hatte.

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Pater Martin, der überragende Wissenschaftler in der Abtei St. Blasien, machte mit der kirchlichen Zensur (von der Bischofsbehörde den Jesuiten in Freiburg übertragen!) nicht die besten Erfahrungen. Dennoch unterhielt er mit ausgewählten Jesuiten einen engen Briefkontakt, der in ihm wahrscheinlich auch das nötige Maß an Zuneigung bewahrte. Nun mag man einwenden, Rom und St. Blasien seien damals kommunikationstechnisch weit entfernt gewesen, so dass es für das Aufbegehren keines allzu großen Mutes bedurft habe. Aber was bei der Nuntiatur in Luzern landete, blieb dem Vatikan nicht verborgen. Das wusste der Fürstabt, der dennoch seinem Unmut freien Lauf ließ. Aus heutiger Bewertung geht es nicht darum, sich darüber zu freuen oder zu wundern, dass ein herausgehobener Kirchenmann dem Papst die Stirn geboten hat. Es soll festgehalten und in unsere Zeit beispielgebend übernommen werden, dass Fürstabt Martin seiner reiflich geprüften Einschätzung folgte, bevor er gegen die päpstliche Obrigkeit Front machte.