Südschwarzwald Alexander Pfliegensdörfer muss nicht lange überlegen. Gefragt, wohin er die Milliarden aus Berlin stecken würde, kann der Bürgermeister von Wutach spontan eine lange Liste von Vorhaben aufzählen. Da ist der Kindergarten, der bald erweitert werden müsste, das Rathaus in Ewattingen, das nach 70 Jahren dringend eine energetische Sanierung benötigt, die kaputten Straßen, die Wasser- und Abwasserleitungen, der Klimaschutz. „Wenn man alle notwendigen Projekte in Wutach umsetzen würde“, sagt Pfliegensdörfer, „hätten wir ein Defizit im Haushalt von sieben Millionen Euro.“ Der Rathauschef hegt nicht viel Hoffnung, dass sich an der Situation bald etwas ändert. „Bei solchen Programmen ist es letztlich seit vielen Jahren dasselbe“, sagt Pfliegensdörfer. „Bis das Geld in den Kommunen ankommt, haben Bund und Land das meiste schon abgeschöpft.“
Die Rede ist von dem gewaltigen Infrastrukturprogramm für die kommenden Jahre, das die künftige Bundesregierung von CDU und SPD in Berlin angekündigt hat. Die astronomische Summe von 500 Milliarden Euro wollen die Koalitionäre in einem so genannten Sondervermögen – also durch Aufnahme von Krediten – in den nächsten zehn Jahren bereitstellen, um damit die maroden Brücken, Verkehrswege, Gebäude und andere öffentliche Einrichtungen in Städten und Gemeinden zu sanieren. Klappt das? Die Bürgermeister in der Region Südschwarzwald sind ziemlich skeptisch.
Strukturen müssen sich ändern
Geld allein, da sind sich die Verwaltungschefs einig, reicht nicht aus, damit die Gemeinden weiterhin ihre Aufgaben erfüllen können. Ändern müsse sich auch etwas an den Strukturen. So übt zum Beispiel Stephan Bücheler, Bürgermeister in Dachsberg und Kandidat für das gleiche Amt in Ibach, Kritik an der projektorientierten Förderung, wie sie derzeit meist betrieben wird. „Das ist wie die Banane an der Angel“, sagt Bücheler, „wir sollen immer irgendwo hingeführt werden mit den Fördermitteln.“ Das sei der falsche Ansatz. „Wir suchen immer zwanghaft nach Wegen, aus einem Programm Geld zu ergattern.“ Der Rathauschef warnt außerdem: „Es geht ja nicht nur darum, Projekte zu bezahlen. Auch der Betrieb muss anschließend finanziert werden.“
Daher sollten die Gemeinden über mehr freie Mittel verfügen, um ihre Aufgaben zu finanzieren, findet Stephan Bücheler. Welche Aufgaben das sein sollten, wisse man nirgends genauer als in den Kommunen – schließlich würden dort als ideales Kontrollgremium die Bürger ein Auge auf alle Entscheidungen werfen. „Die kommunale Selbstverwaltung muss gestärkt werden“, sagt Bücheler, „das ist doch gerade die Stärke unserer Demokratie.“
Die Bürokratie bei der Zuteilung von Fördermitteln kritisiert auch Alexander Pfliegensdörfer aus Wutach. Die Anforderungen seien teils so komplex, dass sich für eine kleine Gemeinde die Antragstellung gar nicht lohne. Mehr freie Mittel für die Gemeinde, das wünscht sich daher auch der Wutacher Bürgermeister. „Unser großes Problem ist die Kreisumlage“, sagt er. „Die frisst unsere Finanzmittel auf.“ Die Umlage werde künftig allerdings eher steigen als sinken, befürchtet er.
Verzicht auf langwierige Verfahren
Bonndorfs Bürgermeister Marlon Jost wünscht sich ebenfalls mehr Spielraum. Eine Wunschliste zu erstellen sei verführerisch, doch sei das Aufgabe von Verwaltung und Gemeinderat. Jost verlangt aber: „Die Gelder sollten frei von Reglementierung und bürokratischem Aufwand zur Verfügung gestellt werden.“ Er pocht auf den Verzicht auf langwierige Antragsvorgänge: „Wir wollen keine Doktorarbeit und zeitintensive Nachweise erbringen müssen. Komplexe Planungs- und langwierige Genehmigungsverfahren sind zu vermeiden.“
Im Verhältnis von Bund und Land zu den Kommunen fordert Marlon Jost grundsätzliche Veränderungen ein. „Der Grundsatz ‚wer bestellt, der zahlt‘, sollte tief verankert werden“, sagt der Bonndorfer Bürgermeister. „Dann würden Bund und Land nicht bestellen, und die Kommunen sollen dann schauen, wie sie es hinkriegen.“
Straßen, Schulen, Brücken, Verkehrswege, der erste Schritt beim Infrastrukturprogramm müsse sein, den akuten Bedarf zu lindern, das verlangt St. Blasiens Bürgermeister Adrian Probst. In St. Blasien fallen ihm dringende Investitionen in Höhe von fünf bis sechs Millionen Euro ein. Probst, selbst CDU-Mitglied, sieht die Aufnahme von Schulden allerdings kritisch. Eine grundsätzliche Debatte müsse darüber geführt werden, welche Aufgaben der Staat übernehmen solle – Bürgergeld und Kinderbetreuung nennt Adrian Probst als diskussionswürdige Beispiele. „Man kann den Bürgern alle möglichen hohen Standards versprechen“, merkt der St. Blasier Bürgermeister an. „Das bringt aber nichts, wenn man schon an den Basisaufgaben scheitert.“ Adrian Probst spricht sich zudem deutlich für vereinfachte Genehmigungsverfahren und die Verschlankung der Verwaltung aus.