„Das hätte ich nicht gedacht.“ Bürgermeister Christian Mauch ist angesichts des Andrangs überrascht. Das Format „Wer sind die Bewerber? Welche Motivation legen sie an den Tag, sich zu bewerben? Welche Ziele hat sich jeder der Kandidaten als künftiger Bürgermeister vorgenommen, für Wutach zu erreichen?“ Der Noch-Amtsinhaber Christian Mauch stimmt die mehr als 350 Gäste, die trotz widrigen Schneewetters in die Wutachhalle gekommen waren, auf die Kandidatenrunde zur Bürgermeisterwahl ein.

Während Mauch noch die in den vergangenen Wochen abgearbeiteten Formalitäten für den Wahltag am Sonntag, 29. Januar, und das Vorgehen am Abend der öffentlichen Kandidatenrunde erläutert, steigt in der ersten Stuhlreihe bei Alexander Pfliegensdörfer und Werner Intlekofer die Anspannung – Finger werden geknetet, Handflächen aneinander gerieben.

Alexander Pfliegensdörfer und Werner Intlekofer treten an

Für jeden der beiden Kandidaten gilt: 15 Minuten Redezeit; 15 Minuten Fragezeit, die letztlich aber etwas ausgeweitet werden. Während der Vorstellung des einen, muss der jeweils andere in der Grundschule warten – begleitet von Hauptamtsleiterin Alexandra Ruf. Nicola Schmidt vom Personalamt zeigt mit zwei Schildern an, ab wann dem Kandidaten noch drei beziehungsweise eine Minute Zeit zur Verfügung steht.

Alexander Pfliegensdörfer
Alexander Pfliegensdörfer
  • Die Kandidatenrunde: Blauer Anzug, weißes Hemd, schwarze Schuhe – Alexander Pfliegensdörfer bleibt seiner persönlichen Kleidernote auch an diesem Abend treu. In knapp zehn Minuten erläutert der 27-Jährige, der seine Bewerbung am 23. Dezember abgegeben hatte, seinen beruflichen Werdegang, warum er Bürgermeister werden möchte und wie seine Vorstellungen lauten, welche Schwerpunkte er setzen möchte, sollte er gewählt werden. Immer spricht er von Wir, sucht dadurch Nähe zum Publikum.
Werner Intlekofer
Werner Intlekofer
  • Grauer Anzug, weißes Hemd, bequeme Halbschuhe – Werner Intlekofer, der seine Bewerbung eine halbe Stunde vor Torschluss am 2. Januar abgegeben hat, schiebt sich die Brille ins Haar, greift den Rand des Rednerpults, legt los. Auch er berichtet über seinen Lebenslauf und davon, dass die Position als Bürgermeister das Ende der beruflichen Karriereleiter sein soll. Er spricht vom Wir, betont seine persönlichen Verknüpfungen in die Region, von dem, wie er die Gemeinde entwickeln und bewahren möchte.
  • Das Publikum: Mehr als 350 Gäste – von jung bis alt – finden sich ein. Es muss nachgestuhlt werden. Bürgermeister Christian Mauch ist, mit Blick ins Hallenrund, begeistert von der gelebten Demokratie in Wutach, zitiert einen Medienbericht von vor 16 Jahren – mehr als 85 Prozent Wahlbeteiligung in jedem der beiden Wahlgänge mit vier beziehungsweise drei Kandidaten. Sein Leitmotiv „Wer die Wahl hat, hat die Qual“ zum jetzigen Veranstaltungsbeginn ergänzt der momentane Amtsinhaber durch „Wer nicht die Wahl hat, den quält es auch“ – ein Aufruf an die Wutacher, wählen zu gehen.

Dann erklärt Christian Mauch die Veranstaltung für beendet. Werner Intlekofer hält es nicht auf dem Sitz, er eilt sofort in den Saal, sucht das Gespräch mit potentiellen Wählern. Alexander Pfliegensdörfer sieht man zunächst bei den Kollegen aus dem Rathaus Mönchweiler, die ebenfalls zur Kandidatenrunde gekommen waren. Später unterhält auch er sich mit Wutachern. Die Menschen tauschen sich über den Abend, die Vorstellungsrunde aus – in kleinen Gruppen wird über die Eindrücke, die die beiden Kandidaten hinterlassen haben, debattiert. Nicht alle sind zufrieden, es gibt aber auch Stimmen, die froh darüber sind, wenigstens zwei Kandidaten für das höchste Amt in Wutach zu haben.

Fazit

Insgesamt, so der Eindruck, ist der Funke zwischen den Kandidaten und dem Wählervolk nicht richtig übergesprungen. Alexander Pfliegensdörfer bleibt in seinen Antworten zu kurz, erklärt wenig. Werner Intlekofer schweift häufig ab und wird nicht immer konkret. Und so bleibt trotz der Gegensätzlichkeit der Kandidaten eine Gemeinsamkeit: eine gewisse Oberflächlichkeit in vielen Antworten. Und der Eindruck, dass sich beide besser hätten vorbereiten können. Denn viele Fragen waren im Grunde genommen vorhersehbar.

Unterschiedliche Ansichten – aber eine Gemeinsamkeit

  • Alexander Pfliegensdörfer: Der 27-Jährige spricht mit ruhiger, etwas verhaltener Stimme und wirkt deutlich angespannt, der Griff zum Wasserglas folgt häufig. In kurzen Sätzen stellt er sich in seiner Vita vor, betont seine Verwaltungserfahrung – aktuell ist er Rechnungsamtsleiter in Mönchweiler und absolviert außerdem ein Traineeprogramm an der Fachhochschule Kehl. „Ich bin ihr Verwaltungsfachmann“, sagt er. Im Falle seiner Wahl möchte er dem Klimaschutzpakt des Landes beitreten, für solide Finanzen samt maximaler Fördermittelabschöpfung sorgen und die Jugendbeteiligung im Ort stärken. Einen Wohnmobilstellplatz stellt er ebenso in Aussicht, wie einen Abenteuerspielplatz und ein digitales Ratsinformationssystem. Nach zehn Minuten ist Pfliegensdörfer fertig. Auf die nun folgenden Fragen antwortet er im gleichen Stil, wie er sich vorstellt: in knappen Sätzen. Wie er den ÖPNV verbessern will? Gespräche mit Behörden und Landratsamt suchen. Wie er die Aufnahme ins Landessanierungsprogramm erreichen möchte? Beraten lassen von externen Experten. Was ihm der Wald wert ist? Der Wald ist wichtig, hier gilt es Fördermittel abzugreifen. Ins Straucheln gerät er bei der Frage, wie er es schaffen möchte, dass Wutach bis 2040 klimaneutral wird. Zwar erklärt Pfliegensdörfer die Hintergründe des Bundes- beziehungsweise Landesziels. Eine echte Antwort bleibt er aber schuldig. „Das habe ich jetzt nicht verstanden“, meint der Fragesteller und dürfte damit nicht alleine gewesen sein.
  • Werner Intlekofer: Der 53-Jährige spricht laut, schnell und – viel. Er sucht den Kontakt zum Publikum, spricht einige Wutacher beim Namen an. Er erzählt von seinen Vereinsmitgliedschaften, seinen beruflichen Werdegang vom Maurer hin zum Berufsschullehrer, erwähnt, dass er Christ ist, Nebenerwerbslandwirt und Parteimitglied der Grünen. „Dass man sich einmischt“, sei ihm wichtig. Er habe sich einen Plan für den Fall seiner Wahl gemacht, so Intlekofer, aber er sei „ja noch nie Bürgermeister gewesen.“ Vordenker, Vermittler aber auch Bewahrer will er sein, denn in Wutach sei vieles bewegt worden. Er wisse, dass ihm Verwaltungswissen fehle, aber er traue sich zu, sich einzuarbeiten. Aufgrund seiner Erfahrung im Bausektor – Intlekofer war auch als Bautechniker und Bauleiter beschäftigt – traue er sich zu, dieses Ressort zu übernehmen. Bei der Fragerunde bleibt sich Intlekofer treu – und redet viel und bildhaft. Auf die Frage, wie lange er seine Einarbeitungszeit einschätzt, sagt er: „Ein Jahr werde ich wohl brauchen, aber das bedeutet nicht ein Jahr Stillstand.“ Seine Meinung zur Unechten Teilortswahl tut er ebenso ausschweifend kund – er will sie vorerst beibehalten – wie seine Antwort auf die Frage einer jungen Frau ausfällt, die seine Meinung zur Jugendbeteiligung hören möchte. Ein Jugendparlament ist für Intlekofer nicht das richtige Instrument für so einen kleinen Ort. „Ihr wisst ja, wo mein Rathaus steht“, sagt er. Und er wisse, wo er die Jugend findet und schiebt gleich noch hinterher, dass er bei der Eröffnung des Jugendraums in Münchingen dabei war. Einige Fragen beziehen sich auf Intlekofers grünes Parteibuch. So möchte ein Bürger wissen, wie er denn zur Jagd stehe. „Ich habe selbst Schafe und die Grünen wollen den Wolf zurück“, sagt Intlekofer und erntet Lacher. Die Jagd sei wichtig, um die Gesundheit des Waldes zu erhalten, schiebt er nach. Günter Nosbüsch, Gemeinderat und aktiv im Arbeitskreis Umwelt und Natur, dürfte mit der Antwort auf seine Frage nicht ganz zufrieden gewesen sein. Für ihn sei ein grüner Bürgermeister „ein Traum“, und er will wissen, welche ganz konkreten Projekte für den Umweltschutz Intlekofer in der Gemeinde umsetzen möchte. Hier bleibt Intlekofer vage, erzählt von seinen Schafen, seinen Bienen. „Kurze Wege, Pragmatismus“ seien wichtig.