Die 1972 gebaute Kolpingbrücke in Waldshut ist seit Spätsommer 2018 wegen ihrer Sanierung halbseitig gesperrt. Die damit einhergehenden Umleitungen verursachen zeitweise chaotische Verkehrsprobleme. Verschärft wurde die Situation durch die seit 15. April bestehende Sperrung der Auffahrrampe, über die der aus Richtung Tiengen kommende Verkehr normalerweise direkt auf die Brücke rollen kann. Stattdessen wird der Verkehr gegenwärtig beim Bahnhof über die Bismarck- und Bogenstraße auf die Brücke umgeleitet. Erst nach der für Juli geplanten Verkehrsfreigabe der gesamten Brücke soll der Verkehr wieder ungehindert rollen.

Die erste Straßenbrücke über die Gleisanlagen westlich des Waldshuter Bahnhofs wurde Mitte des Jahres 1902 in Betrieb genommen. Davor rollten Fuhrwerke und erste Kraftfahrzeuge über den zwischen Kornhaus und Kolpinghaus eingerichteten schienengleichen Bahnübergang, der Ziegelfeld, Schmitzinger und Gurtweiler Tal mit dem Stadtzentrum verband. Die Bahnschranken waren wegen des Zugverkehrs und der damals starken Rangiertätigkeit so häufig geschlossen, dass der Ruf nach einer Brücke immer lauter wurde. Im Jahr 1900 war es dann soweit. Zunächst mussten durch große Aufschüttungen beidseits der Gleisanlagen die Rampen für die Brücke hergestellt werden. Erst dann, ab 1901, konnte mit dem Bau der eigentlichen Brücke aus Stahl begonnen werden. Sie wurde in der damals modernsten Bauart als genietete Fachwerk-Balken-Brücke mit gebogenem Oberträger errichtet. Im April 1902 stand im Alb-Bote zu lesen, dass die Fertigstellung „in Bälde“ bevorstehe. Doch erst am 14. September 1902 wurde laut Alb-Bote der alte Bahnübergang endgültig gesperrt, sodass jetzt sämtlicher Verkehr über die neue Brücke rollte.
Lokführer machen Fußgängern Dampf
Fast sieben Jahrzehnte überspannte sie eine verzweigte Gleisanlage, auf der die Personenzüge rollten und über viele Jahre hinweg in noch größerer Zahl die Güterzüge. Bis in die 1960er Jahre hinein machten sich die Dampflokführer ab und zu einen Spaß daraus, die Brücke und die darauf wartenden Schulkinder mit besonders viel Rauch und Dampf einzuhüllen.
Von 1960 an kündigten erste gravierende Mängel das nahende Ende der stählernen Brücke an. „Der Zustand der Brücke über die Bahn beim Kolpinghaus verschlechtert sich immer mehr“, war dem Alb-Bote vom 7. Juni 1963 zu entnehmen. „Jeder Fußgänger kann sich davon überzeugen, dass eine ganze Reihe von tragenden Elementen stark angerostet ist. Außerdem ist die Betondecke der Fußgängerwege brüchig. Erst unlängst brach ein Stück der Decke durch, sodass man auf die Gleise blicken konnte. Eine Gefahr stellen auch die zwischen den einzelnen tragenden Elementen angebrachten Abdeckbleche dar, die an verschiedenen Stellen durchgerostet sind.“ Nach einer Brückeninspektion durch Bahntechniker wurden die schlimmsten Mängel behoben, doch das täuschte nicht darüber hinweg, dass eine neue Brücke her musste.
Im Jahr 1971 war es so weit. Die Eisenkonstruktion wurde abgerissen, die heutige Spannbetonbrücke 1972 in Betrieb genommen. Sie war dem rasant gewachsenen Straßenverkehr angepasst, hatte jedoch einen kleinen Schönheitsfehler: Der auf der B 34 aus Richtung Tiengen kommende Verkehr, der über die Kolpingbrücke wollte, musste einen ärgerlichen Umweg fahren. Die einfachste Lösung, direkt nach rechts zur Brücke hochfahren zu können, wurde als zu teuer aus der Planung gestrichen.
Zwar gab es eine Rampe mit direkter Verbindung zwischen Bahnhof und Brücke, die aber war nur für Fußgänger errichtet worden. Die Planung der zunächst als überflüssig gehaltenen Auffahrrampe für Fahrzeuge wurde Mitte der 1980er Jahre in Auftrag gegeben. Am 20. Februar 1987 war im Alb-Bote die Nachricht zu lesen, dass die Rampe nach den bisherigen Plänen gebaut werden könne, wie eine Untersuchung der Materialprüfstelle Stuttgart über die technische Machbarkeit der Brücke ergeben habe.
Noch einmal gingen zwei Jahre ins Land, ehe der Alb-Bote am 16. März 1989 berichten konnte: „Anfang April beginnt der Bau der Auffahrrampe für die Brücke beim Kolpinghaus, über die künftig der auf der B 34 aus Richtung Tiengen kommende Verkehr direkt auf die Brücke fahren kann. Nach Fertigstellung der Auffahrrampe vermutlich im späten Frühjahr 1990 kann die Stadt ihr neues Verkehrskonzept verwirklichen. Dann werden die Verkehrsverbindungen im Bereich der Brücke sowie der Bogen-, Bismarck- und Poststraße umgedreht.“
Die Bauarbeiten begannen Mitte April 1989 mit dem Abriss der schmalen Rampe für den Fußgängerverkehr. Am 14. November 1989 wurde die 80 Meter lange neue Auffahrrampe in einer 16-stündigen minutiös geplanten Aktion an einem Stück betoniert. Ständig waren zwei Betonfahrzeuge an die Saugrüssel angedockt, über die der Beton auf die Rampe gebracht wurde. Zum ersten Mal bei einem Brückenbau am Hochrhein eingesetzt wurde ein Spezialverfahren zur sofortigen Aushärtung des Betons. Dadurch wurde es möglich, die Betonfläche, die sonst bis zu 14 Tage trocknen muss, schon am anderen Tag betreten zu können. Jetzt war die Baufirma Hoch-Tief zuversichtlich, den vertraglich für Ende Juni 1990 vereinbarten Fertigstellungstermin einhalten zu können.
Im Juni 1990 rollt der Verkehr
Im Mai 1990 war die neue Auffahrrampe komplett betriebsbereit, allerdings noch nicht die eigentliche Brücke – auch sie brauchte noch einen neuen Belag. Und weil der in einem Aufwasch aufgebracht werden sollte, wurde die Brücke am 28. Mai total für den Verkehr gesperrt. Die vom Verkehrschaos während der Brückensperrung geplagten Verkehrsteilnehmer mussten über Gurtweil oder den damals noch existierenden Bahnübergang B 34/B 500 umgeleitet werden, wenn ihr Fahrtziel im nördlich der Bahnlinie liegenden Teil von Waldshut lag. Ein Zustand, der dreieinhalb frustrierende Wochen dauerte, weil immer wieder einsetzender Regen die Arbeiten an der Isolierschicht der Brückenplatte quälend lange hinauszögerte, weshalb sich auch die übrigen Restarbeiten am letzten Straßenbelag verspäteten. Doch schließlich verdrängte Schönwetter die letzten Regenwolken, die Kolpingbrücke mit ihrer neuen Auffahrrampe konnte am 20. Juni 1990 für den Verkehr freigegeben werden.
29 Jahre und einen Monat später, sprich Juli 2019, soll die für 3,3 Millionen Euro sanierte Kolpingbrücke wieder in beiden Richtungen befahrbar sein. Letzte Arbeiten an den Rampen sollen ohne Behinderungen für den Verkehr im November 2019 abgeschlossen werden. Danach ist die Kolpingbrücke aber nur fit für die nächsten 20 Jahre: Wie die Bestandsaufnahme im Zuge der Sanierung ergab, soll dann ein Abriss und Neubau fällig sein.
Der Irrtum der Planer
Die Planer der 1972 fertiggestellten heutigen Kolpingbrücke erlagen seinerzeit dem Irrtum, für den auf der B 34 aus Richtung Tiengen kommenden Verkehr keine direkte Auffahrrampe zu benötigen. Nur an die Fußgänger wurde gedacht und für sie eine schmale Rampe gebaut, vor allem für die zwischen Bahnhof und Schulzentrum in der Friedrichstraße pendelnden Schüler. Den Umweg, den die Autofahrer nehmen mussten, indem sie vor dem Waldshuter Bahnhof in die Bismarckstraße einbogen und danach über die Poststraße auf die Auffahrrampe (heute Abfahrrampe) und dann über die Brücke kamen, hielt man für zumutbar. Doch es zeigte sich schnell, dass der zusätzliche Abbiegeverkehr vor dem Waldshuter Bahnhof den Verkehrsfluss auf der B 34 stark behinderte. An die Zustände ohne direkte Auffahrrampe erinnert die seit ihrer Sperrung am 15. April 2019 geltende Umleitungsstrecke für den Verkehr aus Ost über Bismarck- und Bogenstraße.