Ursula Freudig

Herr Mutzke, Sie sind zehn Jahre über dem normalen Ruhestandsalter, was hat Sie so lange im Beruf gehalten?

Mit 65 wollte ich nicht aufhören, dazu war ich einfach zu gerne Arzt. Aber irgendwann muss man ja aufhören und ich sagte mir, mit 75 ist Schluss. Ich kann dies jetzt auch mit gutem Gewissen tun, weil ich mit Alexandros Goletsos einen intelligenten und warmherzigen Nachfolger gefunden habe. Ich hatte schon Angst gehabt, niemanden zu finden und ganz lange gesucht.

Können Sie noch etwas mehr zu Ihrem Nachfolger sagen?

Alexandros Goletsos hat in Griechenland zehn Jahre eine Praxis geführt und ist seit Anfang 2017 am Waldshuter Spital tätig, wollte aber immer eine eigene Praxis. Er arbeitet schon seit Anfang November bei mir zu 50 Prozent. Ich werde ihn auch nach der Praxisübergabe unterstützen und vorläufig einen Tag die Woche in der Praxis sein und mich hauptsächlich um die Mammographie kümmern, also die Röntgenaufnahmen auswerten. Außerdem werde ich Urlaubsvertretung machen.

Was waren die größten Veränderungen in Ihrer 40-jährigen Praxistätigkeit?

Die technische Ausrüstung war in meiner Anfangszeit im Vergleich zu heute wie im Mittelalter. Die Qualität der bildgebenden Geräte wie Ultraschall hat sich enorm verfeinert und entwickelt. Und besonders die letzten zehn Jahre habe ich mich auch persönlich verändert. Ich hatte immer Angst, ob ich alles richtig mache und als ich bis 65 keine großen Fehler gemacht hatte, konnte ich mir sagen, ich kann es also. Das hat mich entspannt und ich konnte dadurch dem Zwischenmenschlichen mehr Raum geben. Die letzten zehn Jahre waren die Schönsten für mich.

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Was ist für Sie als Arzt das Wichtigste?

Ich wollte immer, dass jede Patientin meine Praxis mit dem Gefühl verlässt, ernst genommen worden zu sein. Dass sie Antworten auf ihre Fragen bekommen hat und nicht das Gefühl hatte, abgefertigt worden zu sein. Wir hatten immer viel mehr Patientinnen, als wir eigentlich verkraften konnten, aber ich habe mich nie unter Zeitdruck gesetzt und mir immer gesagt, du machst jetzt dies und danach das nächste.

Wie reagieren denn Ihre Patientinnen auf Ihr Aufhören?

Sie verabschieden sich und bedanken sich. Einige nehmen mich zum Abschied auch in den Arm. Erst kürzlich hat mir eine Frau gesagt, wie toll sie es finden würde, dass schon ihre Mutter in der Schwangerschaft bei mir gewesen sei und auch sie ihre Kinder mit mir als Arzt an ihrer Seite bekommen hätte. Mich freut das und es zeigt mir, dass ich es richtig gemacht habe.

Ist der Ärztemangel auf dem Land Ihrer Ansicht nach auch „hausgemacht“?

Einige Sachen sind meiner Ansicht nach fehlgesteuert. Zum Beispiel der Numerus Clausus. Wir bilden heute Ärzte nach dem Abiturschnitt aus und nicht nach der Motivation. Außerdem glaube ich, dass allgemein die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, abgenommen hat. Viele Ärzte, besonders auch Frauen, die Familie haben, wollen angestellt werden. Als Abhilfe könnte ich mir vorstellen, dass jeder Arzt vor seiner Zulassung verpflichtet wird, für ein bis drei Jahre an einen Ort zu gehen, wo Ärztemangel besteht.

Sie haben im kleinen Tiengen praktiziert, hatten Sie nie den Wunsch in einer größeren Stadt zu arbeiten und zu leben?

Nein, wir haben hier eine superschöne Landschaft und Zürich, Basel und Freiburg sind in der Nähe. Waldshut-Tiengen war und ist meine Wahlheimat. Auch deshalb, weil der Schwarzwald dem Waldenburger Bergland, meiner Heimatgegend, ähnlich ist.

Jetzt noch ein paar Worte zu Ihren Hobbys. Ich habe gehört, Sie wollen als Schlagzeuger der Spätzünder nochmals richtig durchstarten.

Ja, ich werde ja bald mehr Zeit haben und möchte nochmals Unterricht nehmen. Ich habe schon jemanden in Tiengen im Auge, einen professionellen Schlagzeuger, der alle Techniken beherrscht.

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Am 21. und 22. Dezember geben die Spätzünder ab 17 Uhr im Ali-Theater Konzerte. Macht es Ihnen nichts aus, dass am 21 Dezember auch Ihr 75. Geburtstag ist?

Nein, wir geben schon seit einigen Jahren vor Weihnachten an meinem Geburtstag im Ali ein Konzert. Das kommende ist aber schon etwas Besonderes für mich, weil ich auch den Abschluss meiner Berufstätigkeit feiere. Es wird aber ein ganz normales Konzert mit Gästen. Am ersten Konzertabend mit Anke Johannsen, am zweiten mit Anne Czichowsky. Und wenn sie es schaffen, beide sind unterwegs, stehen an dem ein oder anderen Konzertabend auch meine Söhne Max und Menzel mit seiner Jazztrompete auf der Bühne.

Sie schmieden auch, haben Sie erzählt.

Ja, ich schmiede seit etwa 1975 und mache kleinere Sachen wie Kerzenständer und Pfeifenstopfer. Ich habe jetzt sogar einen Lufthammer, das ist eine Maschine, die mit Riesenkraft auf das glühende Eisen hämmert. Meine Kinder haben ihn mir zum 70. Geburtstag geschenkt.

Stichwort Pfeifenstopfer – die Pfeife ist so etwas wie ein Markenzeichen von Ihnen. Hat der Arzt in Ihnen nie gesagt, sie sollten damit aufhören?

Nein, nie. Ich kannte einen Pfeifenhändler, der überzeugt war, dass Pfeifenrauchen die Gesundheit fördert, weil es ein Genuss- und kein Stressrauchen ist. Und anders als bei der Zigarette, gelangt der Rauch auch nicht in die Lunge.

Sie fühlen sich also ein paar Tage vor Ihrem 75. und der Praxisübergabe rundum wohl?

Ja, ich fühle mich wohl. Die Musik hält mich jung, meine Frau hält mich jung. Vielleicht fange ich auch noch mit Golfspielen an, um möglichst viel gemeinsame Zeit mit meiner Frau zu verbringen.