Für Waldshut-Tiengens Bürgermeister Martin Gruner wird es ernst. Der 46-Jährige muss sich am Fasnachtssamstag, 6. Februar, vor dem Malefiznarrengericht verantworten. Punkt 11.11 Uhr geht die Verhandlung im Innenhof des Storchenturms in der Tiengener Innenstadt los. Auch die Henker freuen sich schon auf Martin Gruner, warnt Tiengens oberster Narrenrichter Klaus-Dieter Ritz von der Bürger- und Narrenzunft den Angeklagten. Doch Martin Gruner sieht der Verhandlung gelassen entgegen. „Ich habe genug Zeit gehabt, mich auf die Verhandlung vorzubereiten.“ Egal wie gut seine Verteidigung sein wird, Urteil und Strafe stehen bereits fest. Zur Strafe wird schon so viel verraten: „Martin Gruner muss das Narrengericht samt Henker zum Essen einladen.“

Zwar kenne Martin Gruner, der die Hoffung auf einen Freispruch noch nicht gänzlich aufgegeben hat, die Hauptanklagepunkte. „Allerdings sind diese so verfasst, dass nicht ganz eindeutig wird, worum es sich tatsächlich handelt“, erklärt Ritz und schmunzelt. Vorgeworfen wird dem ehemaligen Leiter des städtischen Hochbauamtes „Vernachlässigung der Aarberger Kinder zu Gunsten unnützer und kostspieliger Prestigeobjekte“, „Verschachern einer altehrwürdigen Tiengener Elite-Bildungseinrichtung an die Nachbargemeinde Wiggenberg“ und „Treiben von subversiven und planmäßigen Machstpielen mit dem Ziel, sich zu Kasten der Stadtkasse eigene Denkmäler zu setzen“. Martin Gruner: „Ich habe mich mit den Anklagepunkten so gut es ging auseinandergesetzt, denn ich habe ja bereits im Dezember die Vorladung zur Verhandlung überreicht bekommen.“ Bei der Verteidigung Gruners seien alle Strategien zugelassen, ebenso wie auf der Anklageseite. „Unser Credo ist: Es kann ruhig etwas rustikal zugehen, aber nicht unter der Gürtellinie“, erklärt Ritz. „Es handelt sich um eine tolle Veranstaltung, die Spaß machen soll und auf die ich mich sehr freue“, sagt der Delinquent.
Während der Veranstaltung, die rund eine Stunde dauern wird, erhält CDU-Landtagsabgeordneter Felix Schreiner, der im vergangenen Jahr auf der Anklagebank saß, einen Ritterschlag. „Wenn Martin Gruner das Jahr über genug Buße tut, dann kann auch er sich auf den Ritterschlag in der kommenden Fasnachtszeit freuen“, sagt Ritz.
Das Tiengener Narrengericht
Alten Aufzeichnungen zufolge wurde im Jahr 1503 durch Kaiser Maximilian I. den Zünften in Tiengen das Recht verliehen, an den Tagen der Fasnacht die Obrigkeit zu verunglimpfen, ohne dafür bestraft zu werden.Narrenrat: Die Mitglieder sind bekleidet mit einem dunkelgrünen Schoßrock mit breitem, weißen plissierten Leinenkragen, roter Weste, schwarzer Bundhose, roten Strümpfen und schwarzen Schuhen. Auf dem Kopf wird ein hoher gelber Spitzenhut getragen. Diese Tracht entspricht der Darstellung auf dem Narrenbrett.
Narrenbrett: Die Narrenzunft 1503 Tiengen führt ihre Tradition auf ein Narrenbrett von 1715 zurück. Darauf standen die Namen und Handwerkszeichen einiger Amtsinhaber. Außerdem waren dort die Narrenfiguren der damaligen Zeit abgebildet und es wurde ein Narrengericht erwähnt.
Narrengericht: Zum Narrengericht gehören Narrenrichter, Ankläger, Verteidiger und Beisitzer. Über dem Anzug des Zunftrates wird ein schwarzer Richter-Talar getragen, dazu Perücke und Barett. Der Narrenrichter führt den historischen Richterstab der Zunft. Das Tiengener Narrengericht ist traditionsgemäß ein Malefizgericht, weshalb ihm eine Henkergruppe angehört, die für die Vollstreckung der Urteile verantwortlich ist.