Herr Rábl, was ist der World Cleanup Day genau?

Der World Cleanup Day ist ein weltweiter Aktionstag, an dem in 190 Ländern Müll gesammelt wird. Entstanden ist er aus einem nationalen Müllsammeltag in Estland, an dem rund 50.000 Menschen teilnahmen.

Danach wollten ein paar Leute den Gedanken des Müllsammelns weitertragen und haben die „Let‘s Do It“-Bewegung ins Leben gerufen. Unter ihrem Dach fand 2018 der erste World Cleanup Day statt.

Ziel ist es, am World Cleanup Day fünf Prozent der Weltbevölkerung auf die Straße zu bringen, die an diesem Tag Müll sammelt. Fünf Prozent gilt allgemein als Grenze, ab der Bewegungen auch politisch wahrgenommen werden.

Ziel der Müllsammelaktion: Fünf Prozent der Weltbevölkerung mobilisieren

Ist die Fünf-Prozent-Grenze noch weit entfernt?

Ja, schon. Knapp 300.000 Menschen haben beim letzten Aktionstag in Deutschland Müll gesammelt, für die fünf Prozent bräuchten wir rund vier Millionen, weltweit haben 15 Millionen Menschen mitgemacht.

Es ist aber nicht hoffnungslos, die fünf Prozent zu erreichen, der World Cleanup Day ist fest etabliert, es machen jedes Jahr immer mehr Menschen mit, auch bei uns.

Wer kann mitmachen?

Jeder, egal ob jung oder alt. Man kann allein Müll sammeln gehen, mit der Familie oder mit einer Gruppe. Wer im Klettgau sammeln will, kann sich uns Klettgau Cleaners anschließen.

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Wir hoffen, dass möglichst alle Gemeinden des Landkreises Waldshut mitmachen, die jährlichen Dorfputzeten reichen nicht mehr. Ich habe alle Bürgermeister des Landkreises angeschrieben. Schirmherr ist Landrat Martin Kistler. Schade ist, dass die Stadt Waldshut-Tiengen, so wie es aussieht, nicht mitmacht, sondern separat am 30. September sammelt.

Überall auf der Welt wird am 16. September Müll gesammelt

Was ist für Sie das Besondere am World Cleanup Day?

An einem Tag im Jahr haben Menschen überall auf der Welt das gleiche Ziel, egal welches politische System in ihrem Land herrscht, egal wie alt sie sind, welche Voraussetzungen sie mitbringen: Sie wollen die Natur vom Müll befreien.

Jede Person, jede Gruppe, jede Kommune, die mitmacht, ist Teil einer globalen Bewegung und kann sagen, ich bin dabei, ich trage mit meinem eigenen Handeln dazu bei, die Situation zu verbessern.

Wo gibt es Informationen und müssen Aktionen angemeldet werden?

Auf der Internetseite www.worldcleanupday.de findet man alle Informationen. Man kann dort seine Aktion anmelden, die dann auf einer Deutschlandkarte angezeigt wird. So wird das persönliche Engagement sichtbar.

Außerdem kann man dort Gruppen finden, die in der Region mitmachen und denen man sich anschließen kann. Nach der Aktion kann man die gefundene Müllmenge melden.

Diese Zahlen helfen uns und dem Umweltbundesamt zu sehen, wie stark unsere Landschaft vermüllt ist. Die Tendenz ist leider stark steigend, was mitunter an der Verdopplung der Menge an Kunststoffverpackungen innerhalb der letzten 30 Jahre liegt.

Aus Einzelaktion wird schnell ein Verein

Sie sind mit den Klettgau Cleaners Gründer der ersten Müllsammelgruppe im Landkreis Waldshut – was hat Sie dazu motiviert?

Das Wort „Müllblindheit“ war der Auslöser. In einem Video-Beitrag in den sozialen Medien hörte ich diesen Begriff und konnte zunächst nichts damit anfangen. Aber dann stellte ich fest, dass man wirklich kaum zwei Schritte gehen kann, ohne auf Müll zu stoßen.

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Ich bin dann zunächst allein mit Müllsack und Greifzange im Klettgau losgezogen. Einmal sah mich dann ein Förster und Mitglied im Klettgauer Gemeinderat. Beim Neujahrsempfang 2020 wurde ich für mein Engagement ausgezeichnet. Über die sozialen Medien suchte und fand ich Mitstreiter. Bei Achim Meyer, Verena Sparakowski und mir laufen heute bei den Klettgau Cleaners die Fäden zusammen.

Wie viele Müllsammel-Aktionen organisieren die Klettgau Cleaners im Jahr?

Wir machen jedes Jahr sechs bis acht Aktionen im Klettgau und beteiligen uns an der großen Müllsternenwanderung. 190 Aktionen sind es insgesamt seit der Gründung 2019, bei denen wir rund 7500 Kilogramm Müll gesammelt haben. 50 bis 60 Leute machen an guten Tagen bei unseren Cleanups mit, vom Grundschulkind bis zum Rentner.

Arbeiten die Klettgau Cleaners auch gezielt mit Schulen zusammen?

Ja, mit der Grundschule Grießen haben wir beispielsweise eine Kooperation. Wir machen mit einzelnen Klassen vier Sammelaktionen im Jahr auf dem Schulgelände. Schulen sind sehr wichtig. Sie sollten noch aktiver werden, um die Kinder für das Thema zu sensibilisieren. Besonders im Grundschulalter sind sie sehr offen.

Einmal hat ein kleines Mädchen bei einer Aktion geweint, weil ihr Eimer voll war und sie fragte mich, warum die Menschen das machen würden.

Unachtsamkeit ist groß, doch häufig steckt Vorsatz hinter Müll in der Natur

Warum liegt überall so viel Müll herum?

Teilweise ist es Unachtsamkeit, manchmal ist es auch der Wind, der Sachen aus übervollen Mülleimern herausbläst. Aber oft ist leider auch eindeutig Vorsatz erkennbar. Etwa bei Bier- und Schnapsflaschen am Straßenrand, die wurden einfach aus dem Autofenster geworfen.

Vorsatz ist es auch, wenn wie passiert, ein Kinderwagen in einem Bach steht oder Autoreifen und Hausrat im Wald liegen. Vorsatz ist es auch bei Zigarettenkippen. Es gilt als Kavaliersdelikt, sie einfach wegzuwerfen. Sie bestehen aus Kunststoff und sind zudem hoch giftig.

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Ein einziger Stummel kann 60 Liter Grundwasser verunreinigen. Manchmal spielt auch einfach das Geld eine entscheidende Rolle, wenn die fachgerechte Entsorgung mal etwas kostet. Es wird oft unterschieden: Die Wohnung, das Haus oder das Auto sind pikobello, aber im öffentlichen Raum ist manchen alles egal. Ich habe schon Aussagen gehört wie „für was zahle ich Steuern“.

Müllsammlungen sind Befreiung für Flora und Fauna

Den Müll der anderen wegräumen – für viele ist das alles andere als eine motivierende Vorstellung, was sagen Sie denen?

Natürlich spüre auch ich Ärger und Frust und manchmal auch Wut, wenn ich sehe, dass jemand bewusst etwas in die Natur geworfen hat. Aber ich beruhige mich schnell wieder.

Es ist zweitrangig, ob ich den Dreck der anderen wegräume. Das Befreien der Natur von Müll und damit auch der Schutz unserer Böden, Gewässer und unserer tierischen Mitbewohner steht im Vordergrund und das ist mit einem unfassbar guten Gefühl verbunden.

Wer schon bei Cleanups mitgemacht hat, kennt dieses Gefühl und blickt anders auf den Müll. Deshalb kann ich mit Blick auf den World Cleanup Day nur sagen: Mach mit, es ist keine Arbeit, sondern macht Spaß, es ist unkompliziert, auch für Kinder, und man lernt Menschen kennen, die man sonst nicht kennenlernen würde.

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Das klingt, als ob Sie nie wieder vom Müll sammeln lassen werden?

Man kann sagen, ich bin positiv abhängig davon, ich kann es tatsächlich nicht mehr lassen, mein Bekanntenkreis kann das bestätigen. Ich sammle schon so selbstverständlich Müll wie andere sich die Zähne putzen. Wenn ich spazieren gehe und irgendwo liegt was rum, nehme ich es mit. Jedes Stück, das wegkommt, zählt.

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