Fahrrad, Zigarettenautomat und ein Radio – was sich anhört wie die Requisitenliste eines 60er-Jahre-Films, war alles am vergangenen Samstag im Flussbett der Steina zwischen Tiengen, Lauchringen und Detzeln zu finden.
Mit Greifzangen und Müllsäcken bewaffnet wanderten zehn Freiwillige das Steina-Wadi ab. Ein Wadi ist ein trockenes Flussbett und nein, das muss man nicht wissen. Jörg Kasseckert, Vorsitzender des Verein Erlebbare Umweltbildung Klimenz, erklärt es deshalb zu Beginn der Tour, genauso wie das Wort „Gumpen“, mit dem Angler Wasserbecken in ansonsten trockenen Flusstälern beschreiben.

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In diesen Becken können Fische oder Krebse zurückbleiben, ohne jede Chance auf Überleben. „Falls Ihr so ein Tier seht, gebt mir bitte Bescheid, dann retten wir das Lebewesen“, weist Kasseckert deshalb an.
Danach teilen sich die Helfer in zwei Gruppen auf und begeben sich ins steinige Gelände der Trocken-Steina. Dort dauert es auch nicht lange, bis die ersten Metallteile aus dem Boden hervorschauen. Klettgau-Cleaner Andreas Otte, Michael Summ und seine beiden 14 Jahre alten Töchter versuchen schwere Stangen, Platten und Rohre aufzusammeln.
Manch eine Hinterlassenschaft lässt sich jedoch nicht mit einfachen Mitteln entfernen. Andreas Otte sieht schnell, wo die Mühe vergebens ist. „Solche eingewachsenen Stücke können wir vergessen“, sagt der erfahrene Müllsammler.
Früher Biomüll, heute Plastik
Teile des Steina-Wadi wurden früher als offizielle Mülldeponie verwendet. Allerdings sei damals hauptsächlich Biomüll und nicht wie heutzutage Plastik entsorgt worden, wie Naturschutzwart Jörg Kasseckert berichtet.
Das Problem mit Plastikmüll ist, dass er bei der Zersetzung Stoffe freisetzt, die schädlich für Mensch und Tier sind.

Etwas weiter flussabwärts findet die Sammlertruppe um Andreas Otte skurrile Überbleibsel. Hinter grünen Büschen steht ein schwarzes Radio. Zwischen den Steinen verstecken sich Plastikverpackungen. Mitten im Flussbett liegt ein alter Zigarettenautomat.
Den Hintergrund solcher Entsorgungen zu bestimmen, fällt selbst Otte schwer. Sonst könne er mit seiner Erfahrung viel Müll bestimmten Personengruppen zuordnen: „Wenn ein BH und ein leerer Nagellack rumliegen, weißt du, dass es von einer Frau kommt.“
Gerade unter Brücken sind es oft Obdachlose, die ihre Abfälle liegen lassen. Allerdings sind es nicht nur einzelne Flaschen und Dosen, die herumliegen. Am Abhang hinter dem Lauchringer Wohngebiet hängen ganze Müllsäcke in den Ästen.
In der Schweiz drohen Strafen
Klettgau-Cleaner Andreas Otte sieht beim Anblick dieses Tals ein politisches Versäumnis: „Eine Pfanderhöhung auf einen Euro oder ein Bußgeld für Littering würde viel bewegen.“ Das Liegenlassen von Abfall (Littering) wird in der Schweiz mit Bußgeldern bestraft.
Wer im Kanton Aargau seinen „Grüsel“ liegen lässt, muss seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2019 mit einer Buße von bis zu 300 Franken rechnen. Eine solche Regelung wünscht sich Otte auch auf der deutschen Seite der Grenze.
Zeitgleich findet die Gruppe um Raymond Vöstel, Vorsitzender des Landesfischereiverbandes, die den Steina-Canyon in entgegengesetzter Richtung abläuft, ein verrostetes Fahrrad. Ein paar Ecken weiter liegt ein Fass tief in der Erde eingegraben. Mit vereinten Kräften bringen die Helfer seine rostige Oberfläche ans Sonnenlicht.
Was ihn ärgere sei, dass es genug Möglichkeiten zur Entsorgung gäbe, sagt Raymond Vöstel: „Das Zeug ist ja nicht vom Himmel gefallen.“

Die Gruppe zieht weiter durch das trockene Flussbett. Dass das Steina-Wadi ausgetrocknet sei, sollte uns alarmieren, meint Gewässer-Experte Jörg Kasseckert: „Vor 20 Jahren sind mir beim Angeln an der Steina noch Kanufahrer entgegen gekommen, da war das noch eine Wildwasserstrecke.“
Auf halber Strecke treffen sich die beiden Gruppen und vergleichen ihre Beute. Kleinabfälle tragen die Freiwilligen in Eimern, sperrige Gegenstände nimmt Kasseckert mit dem Auto mit. An einer gut erreichbaren Sammelstelle wird alles zusammengetragen: Reifen, Dosen, Stangen – verrostet und sandig.

„Der Mensch wird als Egoist geboren und es ist eine unserer Lebensaufgaben, Rücksicht füreinander zu entwickeln“, kommt Andreas Otte angesichts des Müllbergs ins Philosophieren.
Abschließend sitzt die Gruppe von Helfern noch für ein kleines Vesper im Wald, bis langsam der Regen einsetzt. Trotz Eile nimmt sich Raymond Vöstel die Zeit, sich bei allen zu bedanken und insbesondere Jörg Kasseckert für seinen Einsatz zu loben und appelliert an alle: „Wir müssen am Ball bleiben, denn die Hoffnung stirbt immer zuletzt.“