„Wenn ich ins Wasser falle, dann lacht ihr alle“, sagt Raymond Vöstel, Kreisvorsitzender des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg (LFVBW), während er knöcheltief in der Steina steht. Die Kinder nehmen seinen Scherz kaum wahr, zu vertieft sind sie in die Welt der kleinen Lebewesen, die sie mit Keschern versuchen zu fangen. Aufgeregt stapfen sie mit ihren Gummistiefeln durch die Strömung. Wild rufen die kleinen Fischer durcheinander: „Ich hab einen gefangen!“, „Da ist ein Krebs…und da fliegt eine Libelle.“ Raymund Vöstel lächelt amüsiert in die Runde.

So geht es zu, wenn das Fischmobil in Detzeln halt macht. Lernen, lachen und vor allem erleben dürfen hier 28 Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren unter Anleitung von Umweltpädagoge Malte Seibold das Tierleben der Steina.

Klassenzimmer am Bach

Bevor Seibold ins Wasser geht, gibt es doch ein wenig Theorie. Im Stuhlkreis versammelt sitzen die Juniorforscher vor dem mit einer Flusslandschaft bemalten Transporter. Doch anders als in so mancher Mathestunde befindet sich dieses Klassenzimmer am Bach in einem lebendigen Austausch.

Wo es überall Wasser gibt? „Klar, im Meer, im See, im Fluss!“ Die neunjährige Neele weiß: „Auch aus dem Wasserhahn kommt Wasser.“ Malte Seibold erklärt den Begriff Grundwasser. Dann holt der schlanke junge Mann einige präparierte Tiere aus seinem Kastenwagen. Einige Kinder kennen den Hecht, manche den Aal, alle natürlich den Biber.

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„Wenn es oft heißt, die Kinder seien unaufmerksam, dann hat man sie meistens einfach falsch abgeholt“, sagt der Umweltpädagoge über seine Lehrphilosophie. Seit seinem Masterabschluss in Biodiversität und Umweltbildung fährt er mit dem Fischmobil durch ganz Baden-Württemberg und bringt Kindern das Leben in Flüssen und Seen näher.

Seltene Steinkrebse in der Steina

Sehr gerne komme er nach Detzeln, da er vom Hochrhein sonst kaum Anfragen bekomme. Dabei habe die Region sehr viel zu bieten. In der Steina vermehrt sich zum Beispiel der ansonsten sehr seltene Steinkrebs.

Nachdem die Fischwelt ausgiebig diskutiert wurde, geht es jetzt endlich ans Schaffen: Gummistiefel an und ab ins Wasser!

„Jetzt kommt der spannende Teil“, meint Jörg Kasseckert, Vorsitzender des Vereins “Erlebbare Umwelt“ mit Sitz in Tiengen. Viele Kinder erinnern sich noch Jahre später an die Erlebnisse, die sie hier machen. „Und das spricht sich rum“, fügt Raymond Vöstel, Kreisvorsitzender des LFVBW, an. Die beiden Fischliebhaber sind überzeugt, dass die Aktion einen nachhaltigen Unterschied macht. Es sei wichtig, der jungen Generation zu zeigen, was an Leben alles Schützenswertes da ist, sagt Vöstel: „Denn wir haben nicht mehr fünf vor zwölf, wir haben mindestens viertel nach.“

So sieht ein Steinkrebs aus.
So sieht ein Steinkrebs aus. | Bild: Jannic Hofmuth

In Gruppen von fünf gehen die Kinder mit kleinen Keschern durch die Steina und versuchen die flinken Flussbewohner, zu erwischen. Am besten funktioniert es, wenn einer oder zwei einen Stein hochheben und dann ein drittes Mitglied aus dem Forscherteam mit seinem Kescher gegen die Strömung wischt. Auf diese Weise bekommt der fünfjährige Emil etwas ins Netz: „Es bewegt sich, da bewegt sich was!“ Stolz entlässt er seinen Fang in eine Wasserwanne am Ufer.

„Unsere größte Hoffnung ist natürlich, dass wir jemanden so begeistern, dass wir gleich ein neues Vereinsmitglied für die Zukunft gewinnen“, sind sich Jörg Kasseckert und Raymond Vöstel einig. Doch das Wichtigste sei, ein Gefühl für die Umwelt und ihre Lebewesen zu geben.

Steinabewohner unterm Mikroskop

Und außerdem meint Raymond Vöstel: „Hier starrt keiner in irgendein Handy rein und trotzdem haben sie alle Spaß.“ In der Tat sind die Kinder gerade in etwas anderes vertieft. Die gefangenen Tiere haben sie nämlich in kleinen Glasbehältern unter Mikroskope gelegt und nehmen die Steinabewohner jetzt genauer unter die Lupe.

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Auf Blättern zeichnen die jungen Naturforscher ihre Beobachtungen auf. Später können sie in Ordnern nachschauen, welche Tiere sie erwischt haben und was diese so besonders macht.

Besonders viel Aufmerksamkeit bekommt ein junger Steinkrebs, der mit seiner Schale und seinen Scheren, wie ein Relikt aus Urzeiten anmutet.

„Leider nehmen einige Schulen das Angebot nicht wahr“, bedauert Malte Seibold, Leiter des Fischmobils. „Dabei verursachen wir keine Kosten und sind extrem unkompliziert, was die Organisation betrifft. Eigentlich sollte so ein Naturunterricht fast verpflichtend sein“, meint der Umweltpädagoge.

Als die Untersuchungen abgeschlossen sind, bringen alle gemeinsam ihre neuen Fischfreunde wieder zurück ins Wasser. „Ganz, ganz behutsam“ müssen die Kinder mit den Tieren umgehen, betont Jörg Kasseckert.

Zum Abschluss dürfen im Kreis noch mal alle erzählen, was sie gefangen und gesehen haben. Auf Malte Seibolds Frage, ob die Kinder Spaß hatten, ertönt ein lautstarkes „JA!“. „Und wollt ihr, dass wir nächstes Jahr wiederkommen?“ „JAAA!“, rufen die Mädchen und Jungen.