Schwester Armina, 1997 kamen Sie als Franziskanerin von Gengenbach in den Konvent Gurtweil. Jetzt wird die Schwesterngemeinschaft in Gurtweil nach 123 Jahren aufgelöst und Sie wechseln wieder zurück ins Mutterhaus. Was bewegt Sie in diesen Tagen?
Oh, eigentlich habe ich gar keine Zeit, zu überlegen. Es gibt derzeit so viel zu tun, auszuräumen, den Abschied vorzubereiten. Aber ich denke, die Zeit, ins Mutterhaus zurückzukehren, wo ich schon von 1987 bis 1997 tätig war, ist jetzt richtig. Die Generaloberin hat im Februar angerufen und mitgeteilt, dass sie mich auch wegen meines Alters, ich bin jetzt 87 Jahre alt, nicht mehr allein als einzige Schwester in Gurtweil zurücklassen will. Eigentlich bin ich hier ja nicht allein, aber seit acht Jahren einzige Ordensschwester. Die Zeit ist einfach da und ich verstehe die Fürsorge des Mutterhauses. Ich freue mich auch, wieder mehr in der Schwesterngemeinschaft und näher bei meiner riesengroßen Verwandtschaft in der Ortenau sein zu dürfen, obwohl ich mich hier im Gurtweiler Schloss im Kreis der Behinderten sehr wohl gefühlt habe und mich geborgen wusste.
Wo und wie verbrachten Sie Ihre Kindheit und Jugendzeit?
Ich bin zusammen mit meinen neun Geschwistern in einer kleinen Landwirtschaft in Bad Rippoldsau (Landkreis Freudenstadt) aufgewachsen. Mein Vater hat neben der Landwirtschaft auch als Waldarbeiter und Imker gearbeitet. Es war eine harte Zeit, vor allem im Zweiten Weltkrieg. Zwei Jahre lang hatten wir keine Schule, sondern wir mussten viel Zeit für die Suche nach Kräutern, Bucheckern und Tannenzapfen verbringen. Nach dem Schulabschluss 1948 war ich dann noch eineinhalb Jahre in einer staatlichen Pflanzschule. Danach begann die Lehre als Schneiderin mit Abschluss der Gesellenprüfung im Jahre 1952 und anschließender Berufstätigkeit im Lehrbetrieb bis 1955.
Welche Gründe haben Sie bewogen, sich als Ordensfrau in den Dienst Gottes zu stellen?
In unserer Familie war schon damals eine Franziskanerin aus Gengenbach mit dabei, die später dann in die Mission ging. Aber die Verbindung zu den Schwestern in Gengenbach blieb erhalten. So kam es dann, dass ich am 1. März 1955 -damals hatte es Berge von Schnee- in den Orden eingetreten bin. 1956 erfolgte die Einkleidung und zwei Jahre später die Profess (Ablegen des Ordensgelübde/Bekenntnis, Anmerkung der Redaktion). Ich habe es noch keine Stunde bereut, dass ich ins Kloster bin. Nach der Profess war ich zehn Jahre in Todtnau als Nähschwester tätig. Danach wurde ich vier Jahre in Durbach eingesetzt und war dann 15 Jahre als Lehrschwester an einer Schule in Forbach bei Rastatt. Anschließend kam ich ins Mutterhaus in Gengenbach, wo ich bis 1997 die Schwesternkleider nähte; damals waren noch etwa 1200 Mitschwestern in unserem Orden, heute sind es nur noch 132.
Welche Tätigkeiten verrichteten sie im Gurtweiler Konvent?
Ich wurde 1997 hier im Gurtweiler Schloss als Oberin eingesetzt und war zunächst für neun Franziskanerinnen in der Schwesterngemeinschaft verantwortlich. Das Beten und Arbeiten zählt zu den Ordensregeln in der Nachfolge des Heiligen Franziskus. Und Arbeit gab es hier im Caritaswohnheim reichlich. Als gelernte Schneiderin hatte ich bei Änderungen und Ausbesserungen der Kleidung für die Bewohner und für die Küchendienstkleidung immer zu tun. Darüber hinaus habe ich mich um die Gottesdienste in der Marien- und in der Josefskapelle gekümmert. Und die Menschen mit Behinderung sind mir zwischenzeitlich sehr ans Herz gewachsen. Oft werde ich jetzt von den Mitbewohnern gefragt: „Warum gehst Du fort?“
Woran erinnern Sie sich gerne in Ihrer 23-jährigen Tätigkeit in Gurtweil?
Das ist schwer zu sagen, aber es war wirklich ein schönes Leben, mit den Behinderten zusammen zu sein. Wir haben viele schöne Erlebnisse gehabt und viel gelacht. Ich war im Schloss und im Dorf sehr gut aufgenommen. Einmal vertraute mir ein Bewohner an, dass er eine Freundin habe. Als ich dann scherzhaft sagte, ich dachte, ich sei deine Freundin lachte er und schmunzelte: „Aber die andere isch schöner.“
Welche Ereignisse haben Sie sehr nachdenklich gemacht?
Die strengen Regeln anlässlich der Corona-Pandemie haben den Menschen mit Behinderung sehr zugesetzt. Hoffentlich gibt es keine zweite Welle. Dann habe ich auch mit gewisser Sorge die Probleme in der Pfarrei Gurtweil mit der möglichen Schließung des Pater-Jordan-Hauses verfolgt.
Die Seligsprechung des Gurtweiler Ordensgründers Pater Jordan steht bevor. Wie stehen Sie zu diesem Ordensgründer der Salvatorianer?
Ich freue mich sehr, dass es für Gurtweil ein solches großes Ereignis gibt. Bei den bisherigen Feierlichkeiten zu Ehren des Ordensgründers half ich, so gut es ging, immer mit. Auf diese Weise ist mir das erstaunliche Lebenswerk Pater Jordans auch vertraut geworden. Ich werde dann auch zumindest mit meinen Gedanken dabei sein, wenn irgendwann in den nächsten Monaten das Fest der Seligsprechung gefeiert wird. Vielleicht darf ich dann ja auch wieder einmal zu Besuch hierher nach Gurtweil kommen. Und vielleicht bewirkt die Seligsprechung auch, dass das Pater-Jordan-Haus erhalten werden kann.
Was erwartet Sie jetzt am neuen Wirkungsort in Gengenbach?
Ich werde künftig auch im Mutterhaus mit Näharbeiten beschäftigt sein und werde dort auch den vielfältigen Dienst in der Sakristei übernehmen, so gut es geht. Ich lasse es getrost auf mich zukommen, werde aber allerdings nicht mehr umfassend wie hier im Gurtweiler Schloss tätig sein können.
Worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Lebensabschnitt?
Oh jeh, das weiß ich noch nicht. Aber im Mutterhaus bin ich daheim, es ist meine Heimat und ich freue mich darauf, wieder mehr in der Schwesterngemeinschaft leben zu dürfen. Dann komme ich auch wieder in die Nähe meines Elternhauses und somit auch in die Nähe der inzwischen riesengroßen Familie, denn alle meine Geschwister, die mich auch oft hier in Gurtweil besuchten, wohnen mit ihren vielen Kindern, Enkeln und Urenkeln in der Nähe von Gengenbach. Leider ist allerdings im März mein ältester Bruder in Verbindung mit einer Corona-Erkrankung gestorben. Insgesamt bin ich dankbar dafür, dass ich den Weg als Ordensfrau gehen durfte.
Zur Person
Schwester Armina, Ordensschwester der Franziskanerinnen mit Sitz in Gengenbach; 1933 in Bad Rippoldsau als Gertrud Hermann geboren und dort mit neun Geschwistern aufgewachsen; 1952 Gesellenprüfung als Schneiderin; 1955 Eintritt in das Kloster der Franziskanerinnen Gengenbach; bis 1997 in verschiedenen Häusern als Ordensschwester und Schneiderin tätig; seit 1997 bis 2020 Oberin im Gurtweiler Konvent, anfangs zusammen mit neun Ordensfrauen; August 2020 Auflösung des Gurtweiler Konvents nach 123 Jahren; Wechsel in das Mutterhaus in Gengenbach.
Die Ordensschwestern waren 123 Jahre im Gurtweiler Konvent tätig, von 1897 bis 1980 in der Jugendhilfe und dann in der Behindertenhilfe. Zu den Tätigkeiten ab 1980 für die Caritas gehörten neben der Betreuung und Leitung von Wohngruppen auch Tätigkeiten in der Hauswirtschaft, die Gestaltung der Freizeit und des christlichen Lebens.