Beim SlowUp Hochrhein radelten sie jüngst wieder zu Zehntausenden auf der nur ihnen gehörenden B 34. Beim Stadtradeln, gerade auch im Kreis Waldshut wieder zu Ende gegangen, galt es für die zahlreichen Teams, erneut ordentlich Strecke zu machen. Aber wie fährt es sich im Alltag, abseits von Aktionstagen und Wettbewerben? Wie könnten mehr Menschen dazu gebracht werden, in die Pedale zu treten?

Der Alltags-Check: Mit dem Rad durch Waldshut

Der SÜDKURIER war im Stadtgebiet von Waldshut-Tiengen mit einem auf Tour, der weiß, woran es hapert, der die Straßen der Stadt aus Radfahrersicht kennt: Alexander Emmerich, Vorsitzender des Velo und Bike Clubs Waldshut-Tiengen. Eine Tour mit fünf Etappen.

Diesen Weg sind wir gefahren: 11,4 Kilometer lang war die Tour durch Waldshut-Tiengen.
Diesen Weg sind wir gefahren: 11,4 Kilometer lang war die Tour durch Waldshut-Tiengen. | Bild: Steller, Jessica

Etappe 1: Von der Altstadt zur Liedermatte

Rätselraten am Oberen Tor – der Pfeil weist den Weg für Fahrräder scharf nach rechts. Die Kaiserstraße ist für Fahrradfahrerinnen und -fahrer wohl gesperrt, das Schild „Radfahrer bitte absteigen“ aber kaum noch zu entziffern. Also rechts abbiegen in die Marienstraße und wieder scharf links in die Wallstraße. Fußgängerzone? Von wegen. Auf der Waldtorstraße kreuzen die Autos. „Verwirrend“, sagt Emmerich: „Damit rechnet eigentlich keiner, vor allem niemand von auswärts oder Touristen.“

Auch Alexander Emmerichs Tochter Marlena hatte an der Unterführung am Liederbach so ihre Schwierigkeiten.
Auch Alexander Emmerichs Tochter Marlena hatte an der Unterführung am Liederbach so ihre Schwierigkeiten. | Bild: Wagner, Hans

Am Krankenhaus Konfusion mit der Beschilderung: Richtung Laufenburg geht der Weg entlang der Bundesstraße, Richtung Bad Säckingen soll man ein Stück den Berg hinauf, Richtung B 500. Wir nehmen die Mitte, die Ochsensteige, entlang der Bahnlinie, hinter dem Landratsamt durch – schöner Weg eigentlich.

Doch dann ist urplötzlich absteigen angesagt. An der Unterführung beim Liederbach ist die Rampe für Fahrräder keine 20 Zentimeter breit. Auch Emmerichs Tochter Marlena kommt hier kaum durch. Bleibt mit den Pedalen hängen. Kämpft sich durchs Gestrüpp. Gut, dass es bis zum Brahmsweg, wo die siebenköpfige Familie wohnt, nicht mehr weit ist.

Etappe 2: Von der Liedermatte zum Hochrhein-Gymnasium

Mozartstraße, Eschbacherstraße, St. Blasier Straße, Gartenstraße – es ist der Schulweg für einen Teil von Emmerichs Kinder. Autos haben die Mozartstraße komplett zugeparkt. Emmerich hat seinen Kindern eingebläut, immer mit großem Abstand daran vorbeizufahren, um nicht mit urplötzlich aufgehenden Autotüren zu kollidieren. Ein echter Radweg fehlt. Auf Fußgängerinnen und Fußgänger zu achten, nervt, auf der Straße zu fahren ist gefährlich. Durch St. Blasier Straße und Gartenstraße fahren auch noch Schulbusse – weiterer Stress.

25 Kilo durch die Unterführung tragen: Und an der Bahnlinie endet die Waldtorstraße im Nichts. Das heißt, wer als Radfahrer die B 34 unterqueren möchte, muss sein Bike hier die enge Abfahrtsrinne hinunterbalancieren oder es hinuntertragen.

An der Bahnlinie endet die Waldtorstraße im Nichts. Da heißt es, das Rad durch die enge Fußgängerunterführung zu bugsieren.
An der Bahnlinie endet die Waldtorstraße im Nichts. Da heißt es, das Rad durch die enge Fußgängerunterführung zu bugsieren. | Bild: Wagner, Hans

„Anstrengend, mit einem 25-Kilo-E-Bike“, weiß Emmerich. Die vorhandene Unterführung fahrradtauglich zu machen, hält er für unmöglich. Es gebe eine am Viehmarktplatz, die nicht zum Absteigen zwingt, aber das wäre halt ein Umweg.

Etappe 3: Vom Hochrhein-Gymnasium zum Zoll

Um Fußgänger herumlenken, müssen wir auch auf dem Seltenbachweg, entlang der Robert-Gerwig-Straße und noch mehr in der Bahnhofsunterführung. Hinter dem Busbahnhof geht es an der Bundesstraße Richtung Schmittenau/Zoll.

Gefährlich bei Gegenverkehr: Richtung Tiengen unter der Bahnbrücke ist die Kurve des Radwegs kaum einzusehen.
Gefährlich bei Gegenverkehr: Richtung Tiengen unter der Bahnbrücke ist die Kurve des Radwegs kaum einzusehen. | Bild: Wagner, Hans

Der Rumpelbelag auf dem Fuß-/Radweg schüttelt ordentlich durch. Kaum auszumachen ist der Hinweispfeil, der den Weg über Klingnauer und Züricher Straße weist. Vorfahrtsberechtigte Autos kommen hinzu. Augen auf also auch hier.

Etappe 4: Am Zoll

Schweizer Einkaufstouristen parken den Radweg zu: Autos, Lastwagen, Busse – am Zoll ballt sich alles aufeinander, ist volle Aufmerksamkeit notwendig. Schweizerinnen und Schweizer, zum Abstempeln ihrer Ausfuhrscheine hier, haben den rot markierten Radweg teils zugeparkt.

Am Zoll weist der Radweg Richtung Koblenz, aber er ist teils von Schweizer Einkaufstouristen zugeparkt.
Am Zoll weist der Radweg Richtung Koblenz, aber er ist teils von Schweizer Einkaufstouristen zugeparkt. | Bild: Wagner, Hans

Richtung Tiengen unter der Bahnbrücke ist die Kurve des Radwegs kaum einzusehen. Ein schnelles, von Tiengen kommendes E-Bike oder Rennrad – und der Zusammenstoß ist vorprogrammiert. „Hier hatte ein Vereinskollege auch schon mal einen schweren Unfall“, erzählt Emmerich.

Etappe 5: Auf dem Lonza-Areal und zurück nach Waldshut

Richtung Tiengen hat der Fahrradfahrer fast schon ein Luxusproblem und die Qual der Wahl durch zwei parallel verlaufende Radwege und auch noch die oberhalb liegende verkehrsberuhigte Kupferschmidstraße.

Auf der Kupferschmidstraße hat Alexander Emmerich freie Fahrt. Für ihn sollte die Stadt die Straße in einen Radschnellweg umwandeln.
Auf der Kupferschmidstraße hat Alexander Emmerich freie Fahrt. Für ihn sollte die Stadt die Straße in einen Radschnellweg umwandeln. | Bild: Wagner, Hans

Drei Routen also, aber Emmerich sagt: „Keine davon stellt wirklich zufrieden.“

Wechselnde Vorfahrten auf dem Lonza-Areal: Den auf der alten Lonza-Industriegleis-Trasse verlaufenden Radweg nutzt er gerne. Doch ihn stören die verwirrenden Vorfahrtsregelungen im Gewerbepark Hochrhein. Immer wieder kreuzen Autostraßen den Fahrradweg. Manchmal haben die Autofahrer die Vorfahrt, manchmal, die rote Markierung zeigt es an, die Fahrradfahrer.

Verwirrende Vorfahrt auf dem Lonza-Areal Video: Hans Christof Wagner

Emmerich muss an den Kreuzungen immer Sichtkontakt herstellen, Handzeichen geben. Sich darauf zu verlassen, dass die Autofahrenden schon anhalten, wäre lebensgefährlich. Wenn er mit seinen fünf Kindern im Schlepptau hier Rad fährt, sagt er: „Das ist Stress pur.“

Das könnte Sie auch interessieren

Auf der üppigen Kupferschmidstraße geht es zurück. Wir fahren am Rhein entlang, via Freibad und Minigolf. Teils können wir direkt am Wasser fahren, aber der Uferweg ist kaum einen halben Meter breit. Und Fußgänger mit Kinderwagen kommen auch noch entgegen. An der Schiffsanlegestelle angekommen, packen wir die steil ansteigende Zollstraße, ohne zu schieben und stehen wieder vor dem Oberen Tor.

Das Fazit: Viel Flickwerk und nur wenige gute Lösungen

Jüngst hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club eine Studie in Auftrag gegeben. Tenor: Im Radverkehr stecken enorme Potenziale, um Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Aber die Leute satteln nur um, wenn sie auf vom Autoverkehr getrennten und geschütztem Radwegen fahren können. Und: Radverkehr muss in der Stadtplanung Priorität haben.

Die Wirklichkeit sieht anders aus, auch in Waldshut-Tiengen. Alexander Emmerich sagt, er vermisse „durchdachte Lösungen“, sehe viel „Flickwerk“. Er ist einer, der das Rennrad oft auch auf dem Weg zur Arbeit nutzt: 25 Kilometer ohne Motor bis nach Bad Säckingen, an die hauswirtschaftlichen Schulen, wo er stellvertretender Schulleiter ist.

Radschnellwege als Angebot für die Berufspendler

Gerne gibt er dann auch mal Gas. Und sagt: „Da fahre ich mitunter lieber auf der Bundesstraße, da komme ich schneller voran.“ Um gerade Berufspendler vom Auto wegzukriegen, brauche es für längere Distanzen Radschnellwege, exklusiv nur für sie reserviert, frei von Autos und Fußgängern. Emmerich hofft, dass sich im Zuge der Elektrifizierung der Hochrheinbahn Verbesserungen für Radfahrer in Waldshut ergeben. Er weiß: Das alles kostet viel Geld – für ihn ist es gut investiert.