Die gute Nachricht zuerst: Im Bad Säckinger Gloria-Theater gehen die Lichter nicht aus. Der Weiterbetrieb des Musicaltempels ist fürs Erste gesichert. Die Frage ist nur, bis wann. „Je länger es dauert mit der Schließung, umso schwieriger wird es mit dem Durchhalten“, sagt der kaufmännische Direktor Alexander Dieterle. Theater auf der grünen Wiese seien ein spezielles Konstrukt, die durchs Raster der Corona-Hilfsprogramme fallen. Das drückt auf die Motivation der Musicalmacher, die im Oktober mit ihrer Eigenproduktion „Tommy Tailors Traumfabrik“ erfolgreich gestartet sind, aber nun wieder in der coronabedingten Zwangspause verharren müssen. Um das Überleben in der Krise zu sichern, haben Intendant Jochen Frank Schmidt und Geschäftsführer Dieterle als Rettungsanker die Crowdfunding-Aktion „Neustart Gloria“ ins Leben gerufen, die bis 1. Februar läuft. „Das Crowdfunding hat super funktioniert und hilft uns immens“, freuen sich die beiden Gloria-Betreiber.
Für Alexander Dieterle ist es auch ein „politisches Zeichen, dass die Leute hinter uns stehen“. Mehr als 685 Unterstützer haben bereits gespendet (Stand Montagmorgen, 1. Februar), statt der angepeilten 50.000 sind bis jetzt über 65.000 Euro eingegangen – eine Ermutigung, dass es weitergehen kann. Die Finanzspritze ist nötig, um bei der Wiederöffnung den Technikbetrieb und die Werbemaschinerie hochzufahren. „Die Werbekosten für die Produktionen ist einer unserer größten Batzen“, erklärt Dieterle. Man müsse fast wieder bei Null anfangen. Und dafür gibt es kein Förderprogramm.
Zehn Hilfsprogramme hat das Gloria am Laufen. „Wir kriegen aber weniger als vorgesehen, sind überall durchgerutscht, nichts greift richtig“. Da sich die Novemberhilfe auf den Vorjahresumsatz bezieht, es im November 2019 im Gloria aber keine Musicalproduktion, also auch keinen Umsatz gab, greifen diese Fördermittel nicht. „Neustart Kultur“ und Überbrückungshilfen wären zu gering, um über die Runden zu kommen.

Intendant Jochen Frank Schmidt will den Spielbetrieb aufnehmen, sobald es die Lage zulässt. Eine realistische Perspektive sieht er erst für den Herbst. Für die angelaufene Musicalproduktion muss dann nochmal geprobt, Verträge mit Darstellern für die nächste Saison neu verhandelt, Probenpauschale bezahlt werden. Bei den Ausgaben hat das Gloria „die Reißleine gezogen“ und fünf Angestellte in Kurzarbeit geschickt. Mit „dem wenigen Personal, das uns noch geblieben ist“, hat Schmidt die Zeit positiv genutzt und an der Inszenierung gefeilt. Als „ein Lebenszeichen“ für die Fans wurde ein professionell gemachtes Hörspiel des Fantasy-Musicals produziert. Damit kann man zwar kein großes Geld verdienen, ruft sich aber in Erinnerung, damit die Zuschauer bei der Stange bleiben.
Vertrag mit Stadt nicht verlängert
In den letzten zwei Oktoberwochen wurden unter Corona-Bedingungen sieben Musicalvorstellungen gegeben, am Schluss vor 200 Zuschauern, mit einer Auslastung von 20 bis 30 Prozent, die laut Dieterle „nicht mehr rentabel war.“ Erschwerend kommt hinzu, dass der Vertrag mit der Stadt über einen Zuschuss für Energiekosten von 24.000 Euro jährlich auf zehn Jahre befristet war, Ende 2020 ausgelaufen ist und nicht verlängert wurde.
Lockdown ein Trauerspiel
Spricht man mit Theatermachern am Hochrhein, so bekommt man den Eindruck, dass der zweite Lockdown ein Trauerspiel ist, um in der Sprache des Theaters zu bleiben. Viele Kulturschaffende sind der Meinung, dass die Entscheidung, die Häuser zu schließen, die Falschen treffe. Die meisten Theaterleute sind im Verschiebemarathon-Stress. Das Freie Hochrhein Schauspiel in Waldshut-Tiengen hat die in dieses Frühjahr verschobenen Aufführungen des Stücks „Mordstheater“ im Schlosskeller Tiengen gekippt.

Nach einem kürzlichen Gespräch mit Kulturamtsleiterin Kerstin Simon musste man sich von der Idee, im April zu spielen, verabschieden und plant die komplette Wiederaufnahme der Komödie erst im Herbst. Dabei war die Theatertruppe nach Worten von Ensembleleiter, Regisseur und Schauspieler Daniel Leers „mitten in der Produktion, fast spielfertig und aufführungsbereit“, bevor die Endproben wegen Corona unterbrochen werden mussten. Auch wenn der gemeinnützige Verein kein festes Haus hat, bleiben Fixkosten für die Probenräume, doch es sei „ein tolles Agreement“ mit dem Vermieter gefunden worden. Vom Landesverband Amateurtheater bekam das Hochrhein Schauspiel, das jedes Jahr eine große Produktion macht, eine Corona-Hilfe. „Ich baue auf 2022“, hofft der engagierte Theatermann Leers dann wieder auf einen halbwegs normalen Spieltrieb.
Glück im Unglück hatte die Festspielgemeinde Bad Säckingen, die das Stück „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ von Theresia Walser im Oktober gerade noch vor dem neuerlichen Lockdown über die Bühne bringen konnte. Allerdings durfte nur vor stark reduzierter Besucherzahl gespielt werden; lediglich ein Drittel der 120 Plätze war belegt. So verzeichnete man in den neun Vorstellungen nur 380 Zuschauer statt wie sonst um die 1000. Dennoch haben die Aufführungen, so bilanziert Günter Kraus, der erstmals Regie führte, einen wichtigen Beitrag für die Kasse geleistet. Schließlich würden jährlich Kosten von 10.000 Euro anfallen, die wieder reinkommen müssten. „Wir haben seither keine Einnahmen und bleiben auf den Kosten für Miete, Strom und Probenraum sitzen“. Zur Unterstützung haben einige Zuschauer die Tickets gespendet, und vom Landesverband erhielt das Theater einmalig 700 Euro Corona-Entschädigung. Die Festspielgemeinde geht fest davon aus, Ende April/Anfang Mai Walsers Satire wieder auflegen zu können. „Corona kann uns die Spielfreude nicht verderben“, lassen sich Kraus und seine Akteure nicht unterkriegen.

Wie gehen Schweizer Theater mit dem erzwungenen Stillstand um? Das Kurtheater Baden, das bis Ende Februar pausieren muss, hofft, im März den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu können. Das Gastspielhaus, das für 600 Zuschauer Platz hat und vor allem die Sparte Sprechtheater abdeckt, hat nach zweieinhalbjähriger Sanierungs- und Umbauphase erst im Oktober 2020 wieder aufgemacht unter dem Motto: „Wir spielen weiter – für 50!“. „Wir hatten uns extrem auf unser neues Haus gefreut“, sagt Verwaltungsdirektorin Lara Albanesi. Sie bezeichnet es als „kleines Wunder“, dass man das Gastspiel des Residenztheaters München gerade noch veranstalten konnte. Bis Mitte Dezember wurde vor 50 Zuschauern weitergespielt, auch erhielten die Darsteller die volle Gage. Es sei keine einfache Situation für Mitarbeiter und Künstler, schildert Albanesi die schwierige Lage. Die Angestellten seien in Kurzarbeit, eine Risikoanalyse werde gemacht und eine Ausfallentschädigung vom Kanton angefordert. Die erste Eigenproduktion des Kurtheaters ist auf April verschoben.
Bei der Kaiserbühne in Kaiserstuhl konnten nur zwei von 20 geplanten Vorstellungen der Komödie „Die Weinprobe“ im vergangenen Oktober über die Bretter gehen, die anderen mussten abgesagt werden – für Betriebsleiterin Claudia Meierhofer „ein finanzielles Desaster.“ Dabei spielte man sogar in einer riesigen Mehrzweckhalle, wo viel mehr Besucher reingepasst hätten. Doch das Publikum erwies sich in diesen Pandemie-Zeiten als „weniger buchungsfreudig“. Von Oktober bis Dezember steht nun die Wiederaufnahme des Stücks im eigenen Theater im Amtshaus auf dem Spielplan. Erstmals wird für diese Bühnenproduktion zusätzlich ein Live-Stream in Aussicht gestellt. „Wir versuchen auf den Herbst hin digital zu werden“, verweist Meierhofer auf die Online-Plattform und ein Unterstützungsprogramm. Seit Laxdal-Zeiten kommt traditionell ein Viertel des Publikums von der anderen Rheinseite, aus dem Badischen.
Hoffen auf bessere Zeiten
Auf bessere Zeiten hofft man auch in den Basler Klein- und Privattheatern. Das Förnbacher Theater im Badischen Bahnhof hat für Unterstützer einen Spende-Button eingerichtet. Außerdem kann gegen einen angemessenen Betrag der vom Schweizer Fernsehen restaurierte Kinofilm „Sommersprossen“ (1968) von Helmut Förnbacher auf der Website herunterladen werden. Einen Unterstützungsappell und eine kämpferische Durchhalteparole gibt das Theater Fauteuil am Spalenberg aus: „Vive la Résistance – Vive le Fauteuil!“.