Gabi Baumann-Rave wohnt auf dem Dachsberg und arbeitet als Lehrerin für Pflegeberufe an der Justus-von-Liebig-Schule in Waldshut. Obwohl sie im medizinischen Bereich tätig ist, gesteht sie, Corona zu Anfang total unterschätzt zu haben. „Einfach ein Virus, das hatten wir ja schon öfter“, meinte sie damals. Ihre Schwester, die in Nordrhein-Westfalen als Labormedizinerin arbeitet, hatte allerdings gleich zu Beginn deutlicher gewarnt. Wie sich Corona nun tatsächlich auf ihr Leben und Umfeld ausgewirkt hat, sieht die Pflegepädagogin zum Jahresende durchaus zweischneidig.

Gabi Baumann-Rave unterrichtet an der Justus-von-Liebig-Schule.
Gabi Baumann-Rave unterrichtet an der Justus-von-Liebig-Schule. | Bild: Karin Stöckl-Steinebrunner

Im Beruf seien, so Baumann-Rave, die Veränderungen am deutlichsten sichtbar geworden. Das gewohnte Gleichgewicht und die Offenheit unter den Kollegen wurden fragiler. Zum einen hatten ältere oder vorerkrankte Kollegen teilweise die verständliche Sorge um die eigene Gesundheit. Fielen sie deshalb aus, wurde die ohnehin latente Unterbesetzung des Kollegiums noch deutlicher spürbar. Zudem sorgte die verstärkte Aufsichtspflicht für die Anhäufung von Überstunden.

Im Herbst kamen in immer kürzeren Abständen neue Vorgaben, die umgesetzt werden mussten. Und das weitgehend ohne die Hilfe von kurzfristig anberaumten Zusammenkünften. Konferenzen fanden fast ausschließlich nur noch online statt. Dennoch hatten andererseits alle das Gefühl, jeder habe sein Bestes gegeben, keiner lasse die anderen hängen.

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Auch die Schüler habe Corona zwar nicht total aus dem Tritt gebracht, aber doch stark beeinflusst. Die Basisarbeit, die in der Schule für die Pflegeberufe geleistet werde, sei schwieriger geworden, einmal durch die komplizierte Koordinierbarkeit von Homeschooling und Phasen, in denen die Schüler an ihrer praktischen Ausbildungsstätte gefordert waren. Dort wurden sie situationsbedingt teilweise verstärkt eingespannt – in diesem Bereich sei auch die anfängliche Unterschätzung des Virus seitens der Politik deutlich geworden, meint Gabi Baumann-Rave. Die integrative Ausbildung, die geteilt ist in Schultage und solche mit Präsenzpflicht in der ausbildenden Praxiseinrichtung, habe durch den ständigen Standortwechsel der Schüler naturgemäß zu einer ungünstigen höheren Streuung der Kontakte geführt.

Zu dem verstärkten Stress der Auszubildenden in den pflegenden Einrichtungen selbst kam der durch Veränderungen im schulischen Bereich erzeugte hinzu. Prüfungen mussten verändert oder verschoben werden, die Schule richtete im Eiltempo einen zweiten Pflegeraum als Ersatz für fehlenden Praxisbezug ein.

Dennoch habe sich für sie selbst gezeigt, so Baumann-Rave, dass in dieser Ausbildung einfach der persönliche Kontakt auch als Qualitätskriterium nicht unterschätzt werden dürfe. Außerdem habe sich gezeigt, dass die Gruppendynamik im Unterricht auch den Einzelnen fördere, die Anstrengung, alle auf das gleiche Niveau zu bringen, beim Homeschooling ungleich größer sei. Mitunter habe sie gar das Gefühl gehabt, Schüler durch den mangelnden Kontakt ganz aus den Augen zu verlieren.

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Für sich persönlich, meint die 63-Jährige, habe sie nie Angst vor der Krankheit verspürt, aber sie sei doch aufmerksamer geworden im Blick auf die Verantwortung für sich und andere. Die beruflichen Umstellungen, vor allem das ständige Maskentragen während der Präsenzphasen in der Schule, erlebe sie als ermüdend.

Wie die Abschlussfeier für die Prüflinge seien auch ihre privaten Feiern, darunter die Taufe eines Enkelkindes und der 90. Geburtstag ihrer Mutter, ausgefallen, die meisten gesellschaftlichen Kontakte, unter anderem das geliebte Chorsingen, seien auf unabsehbare Zeit gestrichen.

Sie selbst hofft, dass der Staat aus dieser Situation lerne, seine soziale Verantwortung wieder deutlicher wahrzunehmen. Das bedeute für sie beispielsweise generell weniger Privatisierungen, im Speziellen mehr Geld für die Digitalisierung der Gesundheitsämter. Und vielleicht wäre ja mit einem gestärkten Vertrauen in verantwortliches soziales Handeln auch dem sich ausbreitenden Unmut über fehlende Koordination und autoritäre Vorgehensweise ein wenig der Wind aus den Segeln genommen.

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