Der 10. Juli 1864 zählt zu den großen Tagen der Feuerwehr in Wehr. An diesem windigen Sonntag wurde die Fahne der 1860 gegründeten Organisation geweiht. Noch heute ist sie das Prachtstück der historischen Sammlung im Feuerwehrheim. Wehrmänner aus der Umgebung zogen an jenem Sonntagmorgen „unter fast überreichem Musikgenuss“ in Wehr ein. Die Gaststätten waren überfüllt. Auch die „Grasgärten, Gassen und Straßen waren buchstäblich von Massen übersät“. Die Hauptprobe der Wehrer Mannschaft fand viel Beifall. Höhepunkt des Festes war jedoch die Weihe der neuen Fahne.

Wehrer Jungfrauen hatten sie gestickt, so der Bericht im Schopfheimer Wochenblatt „Der Statthalter“. „Eine Anzahl festlich geschmückter Jungfrauen übergab die von ihnen gestiftete Feuerwehrfahne“ auf dem damaligen Rathausplatz vor der Volksschule (heute Talschule II) dem Kommandanten Karl Ludwig Trefzger (Accisor, veraltet für Steuereinnehmer, Anmerkung der Redaktion). „Hierauf bewegte sich der Zug in die Kirche, wo die Fahnenweihe durch den Geistlichen von Wehr in schöner, ergreifender Weise vollzogen ward.“

Blick auf die Herosé von Westen 1905: Der Gebäudebestand entspricht dem nach dem Wiederaufbau. Seit 1876 wurde kaum noch investiert.
Blick auf die Herosé von Westen 1905: Der Gebäudebestand entspricht dem nach dem Wiederaufbau. Seit 1876 wurde kaum noch investiert. | Bild: Stadtarchiv Aarau

Katastrophaler Fabrikbrand

Die Feuerwehr war seither bei vielen Bränden im Einsatz. Der wohl größte war der katastrophale Fabrikbrand der Kattundruckerei und Türkischrot-Färberei Herosé am 23. Mai 1876. An diesem verhängnisvollen Dienstag fielen acht Gebäude, darunter zwei Druckereien und die Färberei, mit fünf Nebengebäuden dem Feuer zum Opfer. Der anfängliche Verdacht einer Brandstiftung bestätigte sich aber nicht.

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Wie einem Schreiben des damaligen Bürgermeisters Franz Ehinger zu entnehmen ist, brach der Brand im Trockengebäude („Trockene“) aus. Hier wurden die Stoffe mit Heißluft getrocknet. Die Flammen griffen rasch auf die benachbarten Schuppen und dann auf den Haupttrakt mit den beiden Druckereien und der Färberei über. Wären die „Trockene“ und die Schuppen nicht so nah an der Fabrik gebaut worden und hätten sie „nicht durchgängig aus Holz bestanden“, so hätte der Brand „vielleicht schon im Entstehen gelöscht werden können.“

Adolph Burckhard forcierte den Wiederaufbau und erhielt dafür einen Orden.
Adolph Burckhard forcierte den Wiederaufbau und erhielt dafür einen Orden. | Bild: Stadtarchiv Aarau

Die Akten verraten, wie der Einsatz erfolgte

Richard Genter war als erster am Brandplatz. Er ritt mit seinem Pferd zum Rathaus und von dort hinunter zur Herosé. Ihm folgte Albert Kuni mit der 1860 angeschafften Spritze. Richard Seiler zog mit der per Signalhorn alarmierten Mannschaft hinunter zur Fabrik. Johann Brugger aus dem Flinken kam zu Pferd. Alexander Multner war während des Einsatzes einmal und der Glockengießer Blasius Muchenberger zweimal am Brandplatz. Den weitesten Weg legte Ludwig Nägele nach dem Brand zurück. Er führte die Spritze nach Schopfheim. Wieso, ist nicht bekannt. Diese Einsätze wurden notiert, weil die Gemeinde Spesen abrechnete.

Alle Mühe war vergebens

Mit dem damaligen Gerät konnte ein Großbrand dieser Dimension nicht gelöscht werden. Nur drei kleine Gebäude blieben heil. Sogar der Schopf mit der firmeneigenen Feuerspritze brannte nieder. Kein Wunder, denn es war – wie Ehinger notierte – „zu viel Holz“ im Spiel. Zudem wirkten die Stoffe und die Chemikalien für Druck, Färben und Veredelung wie Brandbeschleuniger. Aus gutem Grund hatte man damals Horror vor Bränden in Textilfabriken.

Feuerversicherung zahlte 52.000 Mark

Als Entschädigung für die zerstörten Gebäude wurden von der „General Witwen- und Brandkasse Karlsruhe“ circa 52.000 Mark angesetzt. Es handelte sich um eine staatliche Pflichtversicherung. Die Abwicklung erfolgte über die Gemeinde, die auch für die Versicherungsansätze zuständig war. Der Wiederaufbau wurde sofort in Angriff genommen. Bereits Ende Oktober 1876 hatte die Firma für Neubauten über 72.000 Mark ausgegeben. Diese mussten gemäß den Versicherungs-Konditionen am Platz der alten erstellt werden. Aus Gründen des Brandschutzes wurden aber im Falle von drei Gebäuden Ausnahmen gestattet.

Nach einem Jahr laufen die Maschinen wieder

Nicht einmal ein Jahr nach dem Brand lief die Produktion wieder an. Für den Wiederaufbau in Rekordzeit verlieh Großherzog Friedrich I. dem Fabrikanten Adolf Burckhardt einen Verdienstorden. Dabei muss betont werden, dass nur die Gebäude, nicht aber der Maschinenpark, die Geräte und sämtliche Materialien versichert waren. Die Investitionen dürften bei weit über 100.000 Mark gelegen haben. Damals eine gewaltige Summe.

Wenig Investitionen führen zur Pleite

Die Katastrophe hatte zu einer General-Modernisierung des Maschinenparks geführt. Aus Sicht des Brandschutzes wurde nun in besser gebauten Gebäuden produziert. Über 100 Arbeitsplätze waren gerettet. Danach gab es allerdings kaum noch Investitionen. Das konnte nicht gut gehen. 1956 wurde – nach einer Fast-Pleite 1932 – das Konkursverfahren eröffnet. Die neue Substanz des Jahres 1876/77 war endgültig aufgezehrt.

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