„Es ist ein Indizienprozess. Wir sammeln Mosaiksteine“, sagt die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Bad Säckingen, Stefanie Hauser, gegen Ende der Sitzung. Es ist der zweite Verhandlungstag im Fall der zwei Brände in einem Wehrer Einfamilienhaus im April 2016 und Juni 2017. Die 54-jährige Hauseigentümerin und ihr 34-jähriger Sohn müssen sich vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Bad Säckingen verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen das Vortäuschen einer Straftat, Versicherungsmissbrauch und versuchten Betrug in zwei Fällen zur Last. Die Besonderheit: Zur Zeit der Brände befanden sich Mutter und Sohn jeweils im Urlaub. Ebendies macht die Arbeit für Justiz und Ermittler nicht gerade einfach.

Der zweite, weitaus schwerwiegendere Brand stand am zweiten Verhandlungstag im Fokus

In der Nacht zum 16. Juni 2017 brach in dem dreistöckigen Haus in Wehr ein Feuer aus. Das Gebäude war danach nicht mehr bewohnbar. Wie bereits ein Jahr zuvor fand die Feuerwehr mehrere im Haus verteilte Kanister. Beim ersten Brand seien sie mit Ethanol, beim zweiten mit Benzin gefüllt und mit einer Kordel verbunden gewesen, an deren Ende eine Kerze befestigt war, geht aus der Anklageschrift hervor. Nach dem ersten Brand hatte der Sohn erklärt, die Kanister gehörten ihm, er brauche sie für einen Ethanol-Ofen. Als er diesmal nach den Kanistern gefragt worden sei, habe er ausgesagt, ähnliche Kanister brauche er für das Wasser eines Dampfbügeleisens sowie zum Abfüllen von Frittierfett, schildern die als Zeugen geladenen Polizisten.

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Einen Tag nach dem zweiten Brand leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Mutter und Sohn ein. Zentrale Zeugin des zweiten Prozesstages ist deshalb die Leiterin der mit dem Fall betrauten Ermittlungsgruppe „EG Kanister“. Die Kriminalkommissarin nannte bei ihrer Aussage vor Gericht mehrere Punkte, die gegen die Angeklagten sprächen.

  • Eine Miet-Garage: Der 34-jährige Angeklagte habe einen Monat vor dem ersten Brand am 7. April 2016 eine Garage in Rheinfelden angemietet und die Miete später bis zum 30. Juni 2017 verlängert, so die Kommissarin. Das belegt ein Mietvertrag, der dem Gericht vorliegt. Der als Zeuge geladene Immobilienverwalter, der die Garage vermietet, konnte sich an den 34-Jährigen nicht erinnern. Bei einer früheren Vernehmung gab er jedoch an, der Angeklagte habe ihm erzählt, er müsse verschiedene Gegenstände unterstellen, da er für längere Zeit ins Ausland gehe. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass er wirklich längere Zeit im Ausland war“, sagt die Kommissarin.
  • Ein verdächtiges Telefonat: Die Handy-Überwachung der Angeklagten habe lange keine Ergebnisse gebracht, so die Kommissarin. Das änderte sich, als Hausdurchsuchungen angekündigt wurden, unter anderem in einer Wohnung in Rheinfelden, die den Angeklagten gehört. Darauf rief der Angeklagte einen Kollegen an, der einen Gegenstand aus der Garage der Wohnung entfernen sollte. Als eine Streife in Rheinfelden eintraf, waren der Mieter der Wohnung und dessen Neffe vor Ort, versicherten jedoch, sie hätten nichts entwendet. In der Garage sei in einem Holzschrank ein offener Tresor gefunden worden. Der Schlüssel dazu befand sich im Wehrer Einfamilienhaus. Der Kollege des Angeklagten hatte in der vorangegangenen Sitzung von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung Gebrauch gemacht, da das Verfahren gegen ihn eingestellt ist.
  • Das Kellerfenster: Wenn der unbekannte Täter keinen Haustürschlüssel gehabt habe, müsse er durch das Kellerfenster eingestiegen sein, das eingeschlagen war, so die Kommissarin. Es habe sich aber gezeigt, dass es unmöglich sei, durch das Fenster zu klettern, ohne Spuren zu hinterlassen. Ein Nachbar habe ausgesagt, er sei in der Nacht vor dem zweiten Brand durch Schleifgeräusche geweckt worden. Ein Schrank, der lange Zeit auf dem Lichtschacht über dem fraglichen Kellerfenster gestanden habe, sei weggebracht worden. Die Ermittler vermuten, dass der Angeklagte das Fenster selbst vor seiner Abreise eingeschlagen hat und sich dabei am Arm verletzte. Tatsächlich war der 34-Jährige vor seiner Urlaubsreise zur Behandlung einer Wunde am Arm im Krankenhaus Schopfheim. Dem Arzt habe er erklärt, die Verletzung stamme von einem Fahrradunfall. „Diese Schilderung schien dem Arzt nicht plausibel“, so die Kommissarin. Zudem zeige das Auto-Navigationssystem des Angeklagten, dass es kein Zeitfenster gegeben habe, in dem der 34-Jährigen die beschriebene Radtour hätte absolvieren können.
  • Die Brandfallen: Die Kommissarin hält es für unwahrscheinlich, dass ein vermeintlicher Einbrecher 13 mit Benzin gefüllte Kanister durch das Kellerfenster ins Haus gebracht und eine Brandfalle gebaut hat. Derselbe Nachbar, der die Beobachtung mit dem Lichtschacht gemacht hatte, gab an, er habe von seinem Wohnzimmer aus gesehen, wie der Angeklagte eine Woche vor seiner Urlaubsreise zwei Kanister aus seinem Auto geholt und in den Keller getragen habe. Laut Kommissarin wurden diese als die beim Brand verwendeten Kanister identifiziert.
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  • Die Dokumente: Bei den Durchsuchungen der temporären Unterkunft der Angeklagten nach dem zweiten Brand und des Geschäfts der Mutter seien Unterlagen gefunden worden, die vor dem Brand datierten, sowie Familienfotos, ein Haustelefon und die Urne mit der Asche der verstorbenen Mutter der Angeklagten. Da das Navigationsgerät ihres Sohnes vor dem Brand mehrere Fahrten zwischen dem Geschäft der Mutter und ihrem Haus verzeichnete, gehen die Ermittler davon aus, dass die Dokumente und Gegenstände in Sicherheit gebracht wurden. Nach dem Brand sei das Haus versiegelt gewesen.
  • Das Motiv: Der Grund, dass die Angeklagten zweimal einen Einbruch und eine Brandstiftung inszeniert haben sollen, ist laut Kommissarin die „gleitende Neuwertversicherung“ des Hauses, das in den 1950er Jahren gebaut wurde. „Es wäre komplett neu aufgestellt worden. Die Kosten hätte die Versicherung übernommen.“ Wegen der Ermittlungen hat die Gebäudeversicherung bislang jedoch nichts gezahlt. Nach dem ersten Brand hatte sie die Renovierungskosten von rund 60 000 Euro übernommen.

Die Gerichtsverhandlung gegen die Angeklagten wird am Freitag, 27. September, um 9 Uhr im Saal 45 des Amtsgerichts Bad Säckingen fortgesetzt.