Mutter und Sohn sitzen auf der Anklagebank im Saal 5 des Amtsgerichts Bad Säckingen. Beide wirken adrett: Sie trägt eine weiße Bluse, er ein weißes Hemd. Die 54-Jährige und der 34-Jährige müssen sich vor dem Schöffengericht unter Leitung der Vorsitzenden Richterin Stefanie Hauser wegen der Vorwürfe des Vortäuschens einer Straftat, des Versicherungsmissbrauchs und des versuchten Betrugs in zwei Fällen verantworten. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die Staatsanwalt Florian Schumann zu Beginn der Verhandlung verliest.

Konkret geht es um zwei Brände im Einfamilienhaus der Angeklagten in Wehr im April 2016 und Juni 2017

Der Sohn soll mithilfe von mindestens einer weiteren, unbekannten Person beide Male einen Einbruchsdiebstahl in das Haus mit anschließender Brandstiftung vorgetäuscht haben, in mindestens einem Fall mit Billigung seiner Mutter. Zum Zeitpunkt der Brände befanden sich die beiden jeweils im Urlaub, gemeinsam mit der damals ebenfalls im Haus wohnhaften Tochter der Angeklagten. Später sollen Mutter und Sohn die Gebäudeversicherung betrogen und bei ihrer Hausratsversicherung falsche Angaben über vermeintlich gestohlene Wertgegenstände gemacht haben. Aufgrund der laufenden Ermittlungen erfolgten keine Versicherungszahlungen.

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„Es ist ein komplexes Verfahren“, so Richterin Stefanie Hauser nach Verlesung der Anklage

Zwei Verhandlungstage waren eigentlich geplant. Das reicht wohl nicht aus. Zum Auftakt stand der erste Brand im Mittelpunkt. Zehn Zeugen wurden geladen. Einer war nicht erschienen, ein weiterer machte von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung Gebrauch. Im Zusammenhang mit den Bränden war gegen ihn ermittelt worden, das Verfahren ist jedoch inzwischen eingestellt. Ein weiterer Zeuge, gegen den ebenfalls ermittelt worden war, konnte nicht gehört werden, da das Gericht keinen Übersetzer für den Bulgaren bestellt hatte. Er soll am Freitag vernommen werden. Die beiden Angeklagten werden sich während des Prozesses nicht zur Sache äußern, wie ihre Verteidigerinnen bekannt gaben.

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Ein Überblick zu den bisherigen Erkenntnissen und den Aussagen der Zeugen vor Gericht:

  • Was bisher bekannt ist: Am Donnerstag, 7. April, 2016 wird die Feuerwehr Wehr gegen 2.50 Uhr wegen eines Brandes in einem Einfamilienhaus alarmiert. Das Feuer beschränkt sich beim Eintreffen der Einsatzkräfte auf den Keller. Es gibt eine starke Rauchentwicklung. Die unmittelbaren Brandschäden halten sich in Grenzen, allerdings ist das Haus wegen der Rauchablagerungen vorübergehend nicht mehr bewohnbar. Über ein Jahr später, am Donnerstag, 16. Juni 2017, bricht in dem Haus erneut ein Feuer aus. Gegen 2.25 Uhr geht bei der Feuerwehr eine entsprechende Meldung ein. Die Feuerwehren Wehr und Öflingen sowie die Drehleiter der Feuerwehr Bad Säckingen werden alarmiert. Diesmal hat der Brand verheerende Folgen: Beim Eintreffen der Rettungskräfte brennt der Dachstuhl des dreistöckigen Gebäudes bereits lichterloh. Insgesamt sind etwa 60 Feuerwehrleute rund fünf Stunden im Einsatz. Das Haus ist danach nicht mehr bewohnbar. Die durch beide Brände entstandenen Schäden summieren sich laut Staatsanwaltschaft auf rund 460 000 Euro. Beide Male befinden sich die Hausbewohner zur Zeit des Brandes im Urlaub, wie auch spätere Ermittlungen beweisen. Laut Anklageschrift wurden nach beiden Bränden jeweils mehrere im Haus verteilte Kanister mit Ethanol gefunden sowie verschiedene Flaschen mit einer brandbeschleunigenden Flüssigkeit. Beim ersten Brand seien die Haustür abgeschlossen, die Terrassentür aufgebrochen und im Erdgeschoss zwei Fenster beschädigt gewesen.
Eine aktuelle Aufnahme der Brandruine in Wehr.
Eine aktuelle Aufnahme der Brandruine in Wehr. | Bild: Olheide, Monika
  • Kein typischer Tatort: Warum der Verdacht auf die beiden Angeklagten fiel, erklären die drei als Zeugen geladenen Polizisten. Unter ihnen ist die ehemalige Leiterin der Ermittlungsgruppe Einbruch in Waldshut-Tiengen, die den mutmaßlichen Einbruchsdiebstahl nach dem ersten Brand 2016 untersuchte. „Es war kein klassischer Tatort, so etwas hatte ich noch nie gesehen“, so die Hauptkommissarin. Alle Schränke und Kommoden seien aufgerissen gewesen, es habe totales Chaos geherrscht. Einbrecher hätten für so etwas keine Zeit, sondern würden gezielt nach Wertgegenständen suchen. Das bestätigt ein weiterer Polizist und ergänzt: „Landesweit haben wir keinen zweiten Fall gefunden, bei dem nach einem Einbruch ein Brand gelegt wurde.“
  • Hochwertiges Diebesgut: Der Tatort war aber nicht das Einzige, was den Beamten verdächtig erschien. Alle drei Autos der Familie seien vor Urlaubsantritt an verschiedenen Orten, weit weg vom Haus geparkt worden. Und es habe ziemlich lange gedauert, bis die Familie eine Diebesgutliste erstellt hatte. „Die Gegenstände auf der Liste passten zudem nicht zum Haus und dessen Ausstattung, die wenig hochwertig war“, so die Kommissarin. Die Angeklagte habe angegeben, dass ihr mehrere Schmuckstücke gestohlen worden seien. Darunter Ringe, eine Tahitiperlen-Kette, fünf Uhren, zwei Gold- und zwei Silberarmbänder sowie mehrere Goldketten. Die Angeklagte habe gesagt, dass ihr der Schmuck größtenteils von ihrer verstorbenen Mutter geschenkt oder vererbt worden sei. „Auf bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten Familienfotos trug die Mutter aber hauptsächlich Modeschmuck und keines der Schmuckstücke.“ Auch der langjährige Lebenspartner der Mutter erkennt die Schmuckstücke nicht wieder, als ihm das Gericht entsprechende Fotos zeigt.
  • Ein großer Fernseher: Die Angeklagten hätten auch den Zahlungsbeleg eines angeblich von der Mutter der Angeklagten geerbten Fernsehers eingereicht. Das gleiche Modell fanden die Beamten jedoch in der Wohnung des Lebenspartners der verstorbenen Mutter. Zudem sei der Rollladen der aufgebrochenen Terrassentür zu drei Vierteln heruntergelassen gewesen, als die Feuerwehr eintraf. „Die Einbrecher hätten den Fernseher raustragen und den Rollladen wieder herunterziehen müssen“, so einer der Beamten. Das Fazit der Hauptkommissarin: „Ich war überzeugt, dass in diesem Haus kein Einbruch stattgefunden hat. Aber wir konnten es nicht beweisen.“