Noch keine Entscheidung zur Zukunft der Unechten Teilortswahl hat der Wehrer Gemeinderat am Dienstagabend gefällt. „Wir haben keine Eile, sondern haben Zeit bis zur nächsten Kommunalwahl in drei Jahren“, sagte Bürgermeister Michael Thater nach einer teilweisen emotionalen Diskussion im Ratsrund. Ohne formelle Abstimmung vertagte Thater den Tagesordnungspunkt. Vor einer weiteren Beratung wird es – sobald es Corona zulässt – eine Bürgerversammlung geben, die in Öflingen stattfinden soll.
Vor allem die Gemeinderäte aus dem südlichen Ortsteil hatten sich in der Diskussion am Dienstag für die Beibehaltung der Teilortswahl eingesetzt. „Seit ich Gemeinderat bin, habe ich noch nie so viele Anrufe von Bürgern bekommen“, schilderte der fraktionslose Öflinger Gemeinderat Björn Griener. Eigentlich sei er der Meinung gewesen, dass die Teilortswahl nach 50 Jahren durchaus abgeschafft werden könnte, doch die vielen Anrufe – vor allem von älteren Öflingern – hätten seine Meinung geändert. „Vielleicht ist die Zeit dann doch noch nicht reif“, so Grieners Fazit. Immer noch gebe es bei „alten Öflingern“ die Befürchtung, nicht mehr mitbestimmen zu können.
Die fünf Öflinger Gemeinderäte Christoph Schmidt, Siegfried Griener, André Langbein, Stephan Engel und Björn Griener waren es letztlich auch, die mit einem fraktionsübergreifenden Antrag eine Einbeziehung vor allem der Öflinger Bürger in dies Diskussion vorschlugen. Die Teilortswahl sei kein nüchtern zu betrachtendes Sachthema, sondern ein gesellschaftspolitisches Thema, das auch Emotionen wecke, befand Schmidt. Diese sollten auch gehört werden. „Ein schönes Thema für eine Bürgerversammlung“, so Schmidt.
Klar gegen die Abschaffung der Teilortswahl positionierte sich André Langbein (SPD): Dass Wehr und Öflingen nach 50 Jahren zusammengewachsen seien, sei „ein Wunschgedanke“, so Langbein. Nur die unechte Teilortswahl könne gewährleisten, dass die Interessen des kleineren Stadtteils ausreichend im Gemeinderat vertreten werden. Ein Satz, der bei anderen Gemeinderäten aber Kopfschütteln und Widerspruch auslöste. „Ich kann mich nicht an eine einzige Entscheidung im Gemeinderat erinnern, die für oder gegen Öflingen oder Wehr getroffen wurden“, stellte Paul Erhart (CDU) klar, immerhin einer der dienstältesten Räte. „Ich bin von allen gewählt und fühle mich allen Bürgern verpflichtet“, meinte auch Helmut Steinebrunner (CDU), der dafür plädierte, vor einer Entscheidung ein Stimmungsbild in den Ortsteilen einzuholen. Als Zugereister ohne Wehrer und Öflinger Wurzeln machte Stadtrat Mathias Scheer (FW) „völlig unbefangen“ an einigen Beispielen deutlich, wie sehr die beiden Stadtteile bereits zusammen gewachsen sind und eng zusammenarbeiten: Ob beim Fußball, der Jugendausbildung der Musikausbildung oder bei der Feuerwehr. Scheer verwahrte sich auch gegen die Unterstellung Langbeins, dass sich Wehrer nicht für den Öflinger Dorfladen interessierten. Dem pflichtete auch Bürgermeister Thater bei: „Ohne den Wehrer Helmut Steinebrunner gäbe es den Öflinger Dorfladen nicht“, machte Thater.
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Bei aller Emotion müsse man in der Diskussion auch Wahrheiten anerkennen, meinte Thater. Die Teilortswahl gebe Wehrern und Öflingern ein Recht, aber es ergäben sich auch Pflichten draus. Nämlich die Bereitschaft, bei einer Wahl auch zu kandidieren. „Schwierig wird es, wenn in einem Ortsteil von diesem Recht nur zu 50 Prozent Gebrauch gemacht wird“, so Thater. Dann drohe die Wahl auch ihre demokratische Legitimität zu verlieren. Die vergangene Gemeinderatswahl, als in Öflingen auf fünf Listen nur 14 Bewerber um die fünf Mandate kandidierten, sei für ihn ein Anlass gewesen, über die Vor- und Nachteile der Teilortswahl nachzudenken. Fünf Jahrzehnte habe das Wahlsystem funktioniert, nun stelle sich aber die Frage: „Brauchen wir sie noch?“ Stefan Tussing (CDU) und Karin Gallmann (SPD) beantworten die Frage eindeutig: Beide hielten es für an der Zeit, das komplizierte Wahlsystem abzuschaffen und die Öflinger Gemeinderatskandidaten künftig auf einer gemeinsamen Liste mit den Wehrern zu integrieren.
„Ein Kommunikationsproblem“ machte hingegen Mathias Scheer in der öffentlichen Diskussion aus. Den Öflingern die Teilortswahl wegzunehmen, weil sie bei der letzten Wahl nicht genügend Bewerber aufgestellt hatten, klinge nach einer erzieherischen Strafmaßnahme. Diese Argumentation führe natürlich zu emotionalen Reaktionen, appellierte Scheer an den Bürgermeister, eine Diskussion auf Augenhöhe zu führen.