Herr Baumert, Sie sind seit 18 Jahren Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen. Gibt es noch etwas, was Sie an Ihrer Gemeinde überrascht?
Ralf Baumert: Positiv überrascht hat mich, dass nach der Corona-Pandemie unsere Vereine, allen voran die Musikvereine und Sportvereine, wieder voll aktiv sind. Das unterstützt die Gemeinde mit ihrer jährlichen Vereinsförderung, wobei diese auf den Prüfstand gestellt wird: Vereine, die viel Nachwuchsarbeit leisten, sollen stärker unterstützt werden.
Positiv finde ich auch, dass wir alle von der Gemeinde ausgeschriebenen Stellen gut besetzen konnten. Was mich nach wie vor überrascht ist, dass so viele in Rielasingen-Worblingen die AfD wählen, obwohl wir aus meiner Sicht eine intakte Gemeinde sind, die viel bietet, vor allem für Familien mit Kindern.
Wie steht die Gemeinde derzeit finanziell da?
Die Gemeinde steht noch gut da. Obwohl wir nicht die großen Unternehmen im Ort haben, die viel Gewerbesteuer bringen, gibt es bei uns viele solide, mittelständische Betriebe und wir haben eine leichte Steigerung bei den Einwohnern. Unser Schuldenstand im Kernhaushalt liegt bei 1,4 Millionen Euro, das sind 120 Euro pro Einwohner, das Landesmittel liegt bei 458 Euro. Die Gemeinde hatte Ende 2024 rund 17 Millionen Euro an liquiden Mitteln, Ende 2025 werden es laut Prognose noch 7 Millionen sein.
Was uns drückt, sind die steigenden Personalkosten und die Kreisumlage mit 34 Prozent. Nach derzeitiger Prognose werden wir den Ergebnishaushalt weder 2025 noch in den Folgejahren ausgeglichen bekommen. Der Bund und das Land machen Vorgaben und dann heißt es: Kommune mach mal. Dann brauchen wir aber auch die finanziellen Mittel dazu.
Der Rücktritt von AfD-Gemeinderätin Janine Steiner hat im Rat für Ärger gesorgt. Wie stehen Sie zum Stühlerücken bei der AfD?
Der Rücktritt von Janine Steiner aus dem Gemeinderat wurde rechtlich geprüft, da sich nach ihren Angaben die familiären Verhältnisse so verändert hatten, dass sie das Amt nicht mehr ausüben konnte. Die drei Sitze der AfD im Gemeinderat sind besetzt und die nachgerückten Amtsträger Alexander Hofer und Thomas Fessel sind aus meiner Sicht gewillt, das Amt weiterhin auszuüben. Bisher läuft die Zusammenarbeit mit der Fraktion im Rat problemlos.
Verzögerungen beim Feuerwehrhaus, Lärm an der Talwiesenhalle und zu kleine gelbe Tonnen – wie stehen Sie zu Themen, die für Aufregung gesorgt haben?
Der Gemeinderat hat grünes Licht für die Neuplanung des Feuerwehrhauses gegeben und der Neubau soll bis 2029 fertiggestellt werden. Beim Lärm an der Talwiesenhalle waren wir in Zugzwang, weil das Landratsamt Messungen durchgeführt hat, die leicht über dem Grenzwert lagen. Jetzt haben wir das Gutachten und einen verlässlichen Grenzwert, auf dessen Einhaltung unser Techniker in der Halle achtet.
Zur gelben Tonne gab es Rielasingen-Worblingen wenig Beschwerden. Die neue Ausschreibung der Leistung erfolgt 2027, dann müssen auf jeden Fall andere Konditionen verhandelt werden.
Die Gemeinde hat einen Kredit von 5 Millionen Euro für die Anschlussunterbringung aufgenommen, mit dem jetzt zwei Containeranlagen angeschafft wurden. Wie soll das Geld wieder reinkommen?
Die Kosten für die Containeranlagen werden bei rund 3,3 Millionen Euro liegen, zusätzliche Brandschutzmaßnahmen waren da ein Kostentreiber. Ein Teil der Ausgaben wird durch einen Kostenersatz wieder hereinkommen, den das Jobcenter für die Unterbringung der Geflüchteten zahlt. Zusätzlich haben wir die Rückkaufoption für die Containeranlagen innerhalb von 15 Jahren.
Für den Rathausneubau gibt es inzwischen einen Siegerentwurf. Aber ist ein Neubau finanziell überhaupt noch realisierbar?
Ein Rathausneubau ist derzeit nicht realisierbar. Das Rathaus muss aber im Bereich Brandschutz mit zusätzlichen Fluchtwegen ausgestattet und die Elektroinstallationen teilweise saniert werden. Diese Arbeiten sollen im kommenden Jahr umgesetzt werden. Die organisatorische Umstellung haben wir schon vollzogen: Es gibt jetzt keine Abteilungen mehr, sondern Fachbereiche und wir haben zum Beispiel den Bereich Soziales, Bildung und Generationen im Jugendtreff Juca zusammengezogen.
Kann die Aufwertung der Rielasinger Ortsmitte helfen, den Einzelhandel im Ort zu stärken? In Singen schließt wieder ein traditionsreiches Geschäft.
Unser Einzelhandel in der Ortsmitte hat keine Probleme, Geschäfte und Gastronomie laufen sehr gut. Ein guter Schachzug war, das Tourismusbüro in die Ortsmitte zu verlagern, wo die Gäste und Bürger auch unterwegs sind. Die Umgestaltung der Ortsmitte wird besonders den Kirchenvorplatz betreffen, wo wir uns freuen, dass die Kirchengemeinde als Teileigentümerin das Vorhaben positiv sieht.
Auf die Parkplatzsituation in der Niedergasse haben wir wenig Einfluss, weil wir nicht Eigentümerin sind. Wir verfügen aber in der Gartenstraße über einen großen Parkplatz, der sehr gut angenommen wird. Die Einzelhändler wünschen sich weiterhin die Frequenz durch den Durchgangsverkehr. Wobei mich erstaunt hat, dass 80 Prozent des Verkehrs im Ort laut der aktuellen Mobilitätsstudie Ziel- und Quellverkehr, also hausgemacht sind.
Wie steht es um bezahlbaren Wohnraum? An der Aach sind gerade Wohnungen für eher gut Betuchte gebaut worden.
Das Gebiet Aach-Aue auf dem ehemaligen Schiesser-Areal umfasst nicht nur die drei Häuser für eher exklusives Wohnen, die jetzt schon stehen, sondern insgesamt 19 Häuser mit insgesamt 156 Wohneinheiten, wobei auch Wohnungen im mittleren Preissegment und geförderten Wohnraum entstehen sollen. 120 Wohnungen sind für bezahlbaren Wohnraum zwischen der vorhandenen Bebauung und der Singener Straße in Planung. Dieses Gebiet wird, gerade was bezahlbaren Wohnraum angeht, ein Gewinn für die Gemeinde.

Auf zwei weiteren Grundstücken der Gemeinde könnten Mehrfamilienhäuser entstehen, die derzeit von einem Interessenten auf Machbarkeit geprüft werden. Im Herbst wird der Gemeinderat entscheiden, ob die Gemeinde das Neubaugebiet Langenäcker erschließen und damit in Vorleistung gehen wird, da die Bewerberlage sehr überschaubar ist.
Rielasingen hat bei Starkregen immer wieder mit Hochwasser der Radolfzeller Aach zu kämpfen. Was tut sich beim Hochwasserschutz?
Das Regierungspräsidium Tübingen, das für die Radolfzeller Aach zuständig ist, hat ein Jahr lang Messungen durchgeführt. Diese werden jetzt bewertet. Es gab ja bereits einmal den Plan, eine Mauer entlang der Aach sowie in Richtung Singen einen Damm zu bauen, um Hochwasser in der Gartenstraße und Niedergasse zu verhindern. Wir haben aktuell beim Baubetriebshof einen Bereitschaftsdienst bei Unwetterlagen eingerichtet, um rechtzeitig auf Hochwasser reagieren zu können und Jürgen Maroni ist unser neuer Mitarbeiter für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie leitender Gerätewart der Feuerwehr.