Öflingen Paul Gräb wäre am Samstag, 17. Mai, 104 Jahre alt geworden. Deshalb nahm das Haus der Diakonie in Öflingen dieses Datum zum Anlass, den evangelischen Pfarrer und seine Frau Hanna posthum zu ehren. Das Haupthaus der Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung trägt fortan den Namen der beiden. „Zusammen mit seiner Frau Hanna hat Paul Gräb die zeitgenössische Kunst nach Öflingen gebracht. Und zusammen mit ihr hat er die Idee gehabt, in Öflingen ein Haus der Diakonie zu bauen“, sagte Geschäftsführer Jörg Markowski bei der Feier. „Das Haus soll für Menschen mit Beeinträchtigung ein guter Ort zum Leben sein, mitten im Dorf und inmitten von Kunst.“ Der Straßenchor, in dem Menschen mit Beeinträchtigung singen, brachte ein Dankeslied für die „wunderbare Hanna“ und „Paul, der so besonders war“, zu Gehör. Eine Bewohnerin erinnerte daran, dass die Gräbs auch noch in fortgeschrittenem Alter zu Besuch ins Haus kamen. 2019 starb Pfarrer Gräb im Alter von 97 Jahren, seine Frau Hanna folgte ihm im Jahr 2022.

Rainer Kaskel, Vorsitzender des Hauses der Diakonie, blickte auf ein bewegtes Leben der Namengeber zurück. Paul Gräb wurde 1921 in Borneo als viertes Kind eines Missionars geboren und wuchs nach der Rückkehr der Familien nach Deutschland 1922 in Essen auf. Er machte zunächst eine Kaufmannslehre. Er lernte seine spätere Frau Hanna kennen, 1926 in Bad Säckingen geboren. Später studierte Paul Gräb Theologie an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal-Barmen. Er wurde Bezirksjugendwart in der Badischen Landeskirche. 1947 heiratete er Hanna in Bad Säckingen. Drei Kinder kamen zur Welt.

Paul Gräb wirkte von 1959 an als Pfarrer in Öflingen. Zusammen mit seiner Frau hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, eine stationäre Einrichtung für Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung aufzubauen. „Die beiden haben noch erlebt, wie Juden, Sinti und Roma oder behinderte Menschen in der Nazizeit vergast wurden“, sagt Kaskel. Die sei mit ein Beweggrund gewesen, sich für Menschen mit Beeinträchtigung einzusetzen.

1985 wurde das Haus der Diakonie in Öflingen eingeweiht. Damals starteten die Kunstaktionstage für Malerinnen und Maler mit geistiger Beeinträchtigung. Bis heute finden diese Veranstaltungen statt. Maler mit geistiger Behinderung und Profis sollen sich auf Augenhöhe begegnen, schrieb 2021 Ulrich Delhey, Vorsitzender der Hanna-und-Paul-Gräb-Stiftung und Weggefährte des Ehepaars Gräb. 2005 wurde die Hanna-und-Paul-Gräb-Stiftung ins Leben gerufen. „Die Stiftung fördert den Unterhalt des Hauses der Diakonie in Wehr-Öflingen und unterstützt das von Paul Gräb mit seiner Frau Hanna geschaffene Lebenswerk, insbesondere den Dialog zwischen Kunst, Kirche und Diakonie im Sinne des Öflinger Modells“, heißt es auf der Homepage der Stiftung.

Stiftung unterstützt Förderpreis

Zudem unterstützt die Stiftung den Lothar-Späth-Förderpreis, der nach einer bundesweiten Ausschreibung an Künstlerinnen und Künstler mit geistiger Behinderung verliehen wird. Die Preisverleihung findet alljährlich in Wehr statt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2016 überreichte der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Späth die Preise. Seit 2017 übernimmt die berühmte Wehrer Geigerin Anne-Sophie Mutter diese Aufgabe. Sie ist die Schirmherrin dieser Veranstaltung und war eng mit dem Pfarrer-Ehepaar befreundet. Es war auch Anne-Sophie Mutter, die kritische Worte an Bürgermeister Michael Thater richtete, als allein Paul Gräb Ehrenbürger der Stadt Wehr wurde und die Straße am Haus der Diakonie in Paul-Gräb-Straße umbenannt wurde. Sie meinte, dass beide gemeinsam das verdient hätten, erzählt der Bürgermeister. „Schön, dass Sie nun das Haus nach Hanna und Paul Gräb benannt haben.“

„Den beiden war ein liebevolles und achtungsvolles Miteinander wichtig“, betonte der evangelische Pfarrer Peter Hasenbrink, der den Segen erteilte und er fügte an: „Sie wollten den Menschen auf Augenhöhe begegnen.“