Jüngst rumorte es im Gemeinderat Wehr gewaltig. An diesem Abend waren keine einzige Bürgerin und kein Bürger bei der Sitzung anwesend: Sie hätten Demokratie auf kommunaler Ebene live erleben können. Die Fortschreibung des Lärmaktionsplans teilte die Ratsrunde am Dienstag in zwei Lager. Letztlich wurde der Vorschlag der Stadtverwaltung mit neun Ja-Stimmen der SPD, der Grünen, der Freien Wähler sowie von Bürgermeister Michael Thater gegen sieben Stimmen der CDU und der AfD angenommen. So können Lärmschutzmaßnahmen entlang der B518 und der B34 weiter verfolgt und umgesetzt werden.

Bei dem bereits beim Freiburger Büro Rapp beauftragten und im Februar dieses Jahres vorgestellten Lärmaktionsplan sollten Dienstagabend Stufe vier eingeläutet werden. Wesentlicher Inhalt war die Geschwindigkeitsanpassung auf der B34 beidseitig in Höhe der Bebauung Brennet auf 70 Stundenkilometer sowie die Verlängerung der 70er-Zone auf der Öflinger Umgehungsstraße.

Bei der Offenlage geht nur eine einzige Stellungnahme aus der Bevölkerung ein

Die städtische Umweltbeauftragte Irina Schumacher-Greiner erklärte zu Beginn, dass bei der öffentlichen Auslage des Lärmaktionsplans nur eine Stellungnahme aus der Bevölkerung eingetroffen sei. Vom Landkreis Waldshut gab es durchweg zustimmende Haltung zur Ausweitung der 70er Zone ganztags auf der B34, teilte sie mit. Auch die Tempo-30-Zone in der Friedrichstraße, die geplante Ausweitung der Tempo-70-Zone auf der B518 bis zur Öflinger Grundschule und die neue Anregung der Stadt, die 70er-Lücke von Norden kommend beiseitig bis zum Brennet-Kreisel zu schließen, stießen auf Zustimmung. Der sogenannte „Lückenschluss“ neben dem Ortsteil Öflingen sei aus Sicht der Stadt logisch und ergebe Sinn, so Bürgermeister Michael Thater. Sie wurde deshalb in die Beschlussvorlage aufgenommen. Kein Autofahrer vom Norden kommend, würde schließlich kurz vor dem Brennet-Kreisel noch mal auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen.

Die Stadtverwaltung wollte mit der vorgelegten Beschlussvorlage das Verfahren formal abschließen und bei den zuständigen Verkehrsbehörden in Waldshut die Umsetzung beauftragen. Vom Sitzplatz des Bürgermeisters aus gesehen konnte dieser seinen Sitzungssaal an diesem Abend in der Mitte halbieren. Das eine Lager bestand aus den Fraktionen von SPD, Grünen und Freien Wählern, es stimmte wie auch Bürgermeister Thater dafür. Der andere Teil mit CDU-Fraktion und AfD-Fraktion war dagegen.

AfD-Rat Matthias Jehle zweifelt die Messung des beauftragten Büros an

Im Besonderen beflügelt war Matthias Jehle (AfD), der sich in der Debatte als erstes zu Wort meldete. Er zweifelte die im Rapp-Gutachten zugrunde liegenden Messwerte an. „Ich habe selbst gemessen und komme zu ganz anderen Werten“, sagte Jehle, der in Öflingen wohnt. Seiner Meinung nach werde wieder mit den geplanten Maßnahmen der „Verkehrsteilnehmer gegängelt“. Es treffe wieder die arbeitende Bevölkerung, die mit dem Auto schnell zur Arbeit fahren will.

Die Grünen sehen den Vorschlag der Stadt als praxisnah

Stefan Engel (Grüne) entgegnete darauf: „Ob 100 oder 70 auf dem kurzen Stück, das macht meiner Meinung nach nicht mal 10 Sekunden Unterschied aus.“ Claudia Arnold (Grüne) sah den Vorschlag der Stadt ebenso als praxisnah und sagte: „Wir müssen hier doch nicht über 300 Meter diskutieren!“ Kurt Wenk (SPD) wunderte sich, dass sich beim Beteiligungsverfahren nur ein Bürger gemeldet hatte, obwohl Straßenlärm dauerhaft dem Gesundheitszustand schade.

Die CDU verweist auf lärmarme Reifen und Flüsterbelag

Kritik übte auch Stefan Tussing (CDU). Die Maßnahmen der Geschwindigkeitsreduzierung auf der Öflinger Umgehungsstraße könne er nicht mittragen, denn heute brauchen Autos zum Beispiel kürzere Bremswege und es gebe lärmarme Reifen und Flüsterbelag. Paul Erhart (CDU) bekannte sich kurz und knapp zum Nein. Ins gleiche Horn bliesen auch die Fraktionskollegen Helmut Steinebrunner und Björn Griener, der angab, dass die Lkw dort ohnehin nur 60 Stundenkilometer fahren könnten.

Nachts zählt jedes Dezibel, sagt Bürgermeister Thater

Bürgermeister Thater antwortete stets ruhig auf die Bedenken und unterschiedliche Meinungen seiner Ratsmitglieder. Er gab zu bedenken, dass beispielsweise drei Dezibel weniger Straßenlärm vor allem nachts deutlich hörbar seien. Außerdem sagte Thater: „Ich bin froh, dass wir als Kommune nicht selbst messen müssen, denn das würde die Stadt teuer kommen.“