Sie gilt als die schönste Schlucht am Bodensee, doch seit acht Jahren konnten die wenigsten Menschen sich selbst ein Eindruck dieser Schönheit machen: Die Marienschlucht zwischen Bodman und Allensbach ist seit einem tragischen Erdrutsch gesperrt. Am 6. Mai 2015 kam dort eine Frau ums Leben, da sich damals nach tagelangen Regenfällen eine Lawine aus Erde, Schlamm und Geröll gelöst und einen Teil der Schlucht verschüttet hat.

Die Marienschlucht war in ihrer 126 Jahre langen Geschichte bereits sieben Mal verschüttet: 1938, 1976, 1983, 1993, 1999, 2005 und nun seit 2015. Unfälle oder tödliche Unglücke gab es dort oder im Bereich um die Schlucht ebenfalls wiederholt. Das Ausflugsziel wurde aber stets wieder geöffnet. Nach 2005 war die Schlucht laut SÜDKURIER-Berichten zum Beispiel drei Jahre geschlossen, also weit kürzer als die aktuelle. Nach dem einschneidenden Fall am 6. Mai 2015 war lange Zeit unklar, ob, wann und wie die Marienschlucht überhaupt wieder sicher begehbar werden kann.

Immer wieder stürzen Menschen in den Tod

Im Bericht zu einem Unfall, bei dem zwei Jungen im September 1976 wegen nassem Laub vom Weg abgerutscht waren, fasste am 22. September 1976 ein SÜDKURIER-Artikel zusammen: „Tragischer endeten in den vergangenen 20 Jahren dagegen die Ausrutscher von etwa zehn Wanderern, die vom Wege abkamen: Sie fielen in die Tiefe und fanden den Tod.“

Unteres Ende der Schlucht (links) mit Hütte (rechts) im Jahr 1988.
Unteres Ende der Schlucht (links) mit Hütte (rechts) im Jahr 1988. | Bild: SK-Archiv

Ein späterer tödlicher Unfall geschah Anfang Mai 1988. An einer Felswand nahe der Schlucht stürzten zwei Jungen im Alter von 13 und 15 Jahren ab und fielen 20 Meter tief, als sie eine Abkürzung nahmen. Der 15-Jährige trug lebensgefährliche Verletzungen davon und starb später im Krankenhaus. Zudem gab es weitere Unfälle mit Verletzten, zum Beispiel einen abgestürzten Wanderer im Jahr 2019 auch von Personen im Bereich um die gesperrte Schlucht.

Ein Teil der alten kaputten Treppenanlage ganz unten in der Marienschlucht und links daneben am Fels sind bereits gesetzt Ankerplatten ...
Ein Teil der alten kaputten Treppenanlage ganz unten in der Marienschlucht und links daneben am Fels sind bereits gesetzt Ankerplatten für den künftigen Steg zu sehen. Die neue Anlage wird in etwa zehn Metern Höhe verlaufen und so Abstand zum Fels haben, dass loses Geröll zwischen Fels und Steg durchfallen kann. | Bild: Löffler, Ramona

Hindernisse bei der Planung und Gefahren

Aber was hat es seit 2015 so kompliziert gemacht? Was ist anders als in anderen Schluchten oder den Bergen? Bereits vor einigen Jahren hat Rechtsanwalt Mathias Preussner von der Projektgruppe Marienschlucht in einer Sitzung Antworten auf diese Fragen gegeben: Im Gebirge zum Beispiel seien Gefahren sehr offensichtlich und leichter einschätzbar, doch in einem waldigen Bereich wie der Marienschlucht werde es für den Laien schwierig. Konkrete Urteile gäben den zuständigen Gemeinden den Kurs vor und der Begriff der Verkehrssicherungspflicht stehe ganz oben.

Am unteren Zugang der Marienschlucht sind zwei Absperrungen mit Warnschildern, ehe das massive Metalltor kommt. Dies ist die zweite ...
Am unteren Zugang der Marienschlucht sind zwei Absperrungen mit Warnschildern, ehe das massive Metalltor kommt. Dies ist die zweite Absperrung. | Bild: Löffler, Ramona

Warum es Erdlawinen geben kann

Die Felsen in der Marienschlucht bestehen aus einem Molassefels, also Sandstein, mit einer Humusschicht. „Wenn es stark regnet, gelangt Wasser hinter die Humusschicht und die Erde rutscht ab“, schilderte Johannes Freiherr von Bodman in einem früheren Gespräch mit dem SÜDKURIER. Als Sicherungsmaßnahmen gebe es etwa alle 20 Jahre Baumfällungen in den Hängen, um diese auszudünnen und Erdlawinen zu verhindern.

Im Rahmen der Maßnahmen in den vergangenen Jahren, bei der die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen und Matthias Weckbach federführend sind, wurden Bäume und Vegetation für die kommenden Jahre gesichert.

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Neue Treppenlange soll bis Ende 2023 fertig werden

Die Pläne für die Wiedereröffnung der Schlucht Ende 2023 oder Anfang 2024 sehen aufwendige Treppen- und Stege in rund zehn Metern Höhe am Fels vor. Zudem wird diese Anlage mit Abstand zur Felswand installiert, damit loses Geröll durchfallen könnte und Wanderer sicher wären. Matthias Weckbach, Bürgermeister von Bodman-Ludwigshafen, hat die Pläne bereits mehrfach in Ratssitzungen vorgestellt.

Die neuen Stege werden mit Sicherheitsabstand zu den Felswänden angebracht. Lose Erde oder Geröll kann dann zwischen Fels und Steg ...
Die neuen Stege werden mit Sicherheitsabstand zu den Felswänden angebracht. Lose Erde oder Geröll kann dann zwischen Fels und Steg durchfallen. | Bild: Architektur-Büro Hirthe

Zuletzt stand noch auf der Kippe, ob rund 1,37 Millionen Euro Fördergelder des Landes aus dem Tourismusinfrastrukturprogramm rechtzeitig kommen, damit die Anlage dieses Jahr fertig werden kann. Der zuständige Ausschuss im Landtag hat inzwischen zugestimmt.

Ob der Zeitplan bis Jahresende klappt, hängt jedoch noch von der Ausschreibung, Auftragsvergabe, Produktion und Zeitfenstern durch den Naturschutz ab. Aber: Die Schlucht soll spätestens im kommenden Jahr wieder öffnen.

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Zum Vergleich im Wandel der Zeit: In den 1950er- und 1960er-Jahren zum Beispiel lagen laut Johannes von Bodman Holzbohlen in den Flussbereichen der Schlucht, und die Besucher seien darüber gelaufen. Erst später seien Treppenkonstruktionen mit Geländern und andere Sicherungen entstanden.

Technik kommt künftig zum Einsatz

Die neue Steganlage soll zur Sicherheit der Wanderer beitragen. Auch moderne Technik soll helfen, den Bereich bei der Marienschlucht sicherer zu machen: Am Mondfelsen, einer gewaltigen Felswand am Uferweg zwischen Schlucht und Bodman, befinden sich inzwischen Sensoren, die vor Abrutschungen warnen sollen.

Wann dieser Uferweg geöffnet werden kann, ist allerdings noch unklar. „Momentan ist es zu nass und gefährlich“, sagte Sandra Domogalla, Leiterin des Amts für Tourismus, Kultur und Marketing von Bodman-Ludwigshafen, Anfang Mai auf SÜDKURIER-Nachfrage. In jüngster Zeit habe es zu viel geregnet und es bestehe Hangrutschgefahr.