Auf den ersten Blick ist die Grabungsstelle im Brudertal bei Engen gar nicht so leicht zu finden. Zunächst weisen nur orangefarbene Absperrbänder neben dem Feld darauf hin, dass hier die Stelle sein könnte, an der in Engen vielleicht gerade Geschichte geschrieben wird. Um genau zu sein, spät-eiszeitliche Geschichte, die sich rund 20.000 Jahre vor unserer heutigen Zeit abgespielt hat.

„Das Drexlerloch ist ein Wurmloch in die Urgeschichte“, das ist auf einem der Plakate zu lesen, die am Bauzaun oberhalb der Grabungsstelle zu sehen sind. „Das ist ein einmaliger Fundort“, sagt die Archäologin Yvonne Tafelmaier über die Drexlerhöhle. Denn die Höhle ist über tausende von Jahren unberührt geblieben und enthält eine bislang kaum abschätzbare Fülle an steinzeitlichen Fundstücken, die so wohl noch nirgendwo gefunden wurden.

Laien erkennen nur viel Erde und Steine

Durch einen Besuch aus Stuttgart gab es nun zum ersten Mal die Möglichkeit, einen exklusiven Blick in die Höhle zu werfen. Auf ihrer Denkmalreise besuchte Andrea Lindlohr, Grünen-Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg, die Grabungstelle in Engen. Sie informierte sich über den aktuellen Stand der Arbeiten des Forschungsteams vom Landesamt für Denkmalpflege.

Grabungsleiterin Yvonne Tafelmaier erläuterte vor Ort, was bisher in der Drexlerhöhle gefunden wurde.
Grabungsleiterin Yvonne Tafelmaier erläuterte vor Ort, was bisher in der Drexlerhöhle gefunden wurde. | Bild: Kerle, Helene

Über provisorische Stufen geht es hinunter zu dem natürlichen Höhleneingang, den die Archäologen erst bei ihren Grabungen und Vermessungen im vergangenen Jahr gefunden haben. Ohne die Erläuterungen von Yvonne Tafelmaier ist für den Laien nicht viel mehr zu erkennen als ein steinerner Höhlenbogen, der bis fast ganz oben mit lehmiger Erde und Steinen gefüllt ist. Doch dahinter verberge sich ein Schatz, auch ohne dass es glitzert und funkelt.

Grabungs-Leiterin erklärt, was bisher gefunden wurde:

Grabungen in Eiszeithöhle Video: Kerle, Helene

Der spektakulärste Fund war eine Muschel

Bisher hat das Grabungsteam nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bodenschichten abgetragen, die sich hier in der Höhle über die Jahrtausende abgelagert hat, wie Tafelmaier in der Höhle erklärt. Dafür haben sie aber schon jede Menge Funde gemacht, obwohl die eigentliche Untersuchung des ausgegrabenen Erdmaterials erst noch ansteht. Teile von Steinzeitwerkzeugen und Rentierknochen haben die Forscher zutage gefördert.

Der bislang spektakulärste Fund der diesjährigen Grabungen ist eine Muschel aus dem Mittelmeerraum, die gefärbt und mit einem Loch versehen wurde, um sie als Schmuck zu tragen. Ein wertvolles Indiz dafür, wie die Menschen in der ausgehenden Eiszeit gelebt haben.

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Dass das Engener Brudertal in der Altsteinzeit ein beliebter Ort zur Rentierjagd war, haben bereits die Funde am Petersfels und der Gnirshöhle belegt. Von der Drexlerhöhle erwartet sich Yvonne Tafelmaier aber den größtmöglichen Einblick in die Kulturgeschichte des sogenannten Magdalénien am Ende der letzten Eiszeit. „Die Adaption der Menschen an den damaligen Klimawandel ist besonders interessant“, so Yvonne Tafelmaier. Gerade im Hinblick auf den menschengemachten Klimawandel heute sei die Anpassung der Menschen damals von besonderem Interesse.

Aus einem Mythos wird Realität

Im Brudertal wurden bislang drei Höhlen entdeckt. 1924 wurde die Höhle am Petersfels entdeckt und nur drei Jahre später die Gnirshöhle. Sie wurden beide in den 1920er- und 1930er-Jahren von Eduard Peters erforscht. Von 1974 bis 1979 führte das Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen unter der Leitung von Gerd Albrecht Grabungen am Petersfels und in der Gnirshöhle durch.

Grabungen in Eiszeithöhle Video: Kerle, Helene

Auch die Drexlerhöhle wurde bei Sprengungen bereits 1978 entdeckt. Damals gab es laut Yvonne Tafelmaier aber kein Geld für Grabungen und so geschah nichts. Danach sei die Höhle immer mehr zum Mythos geworden. Ein Grund für Yvonne Tafelmaier, die Höhle zu ihrem Forschungsgegenstand zu machen.

Archäozoologin Giulia Toniato ist begeistert von den tierischen Funden, die sie in diesem Sommer in Engen gemacht hat.
Archäozoologin Giulia Toniato ist begeistert von den tierischen Funden, die sie in diesem Sommer in Engen gemacht hat. | Bild: Kerle, Helene

Was die Forscher heute ausgraben, haben Menschen vor etwa 16.000 bis 20.000 Jahren hier hinterlassen. Da in der Höhle auch besonders viele Überreste von Tieren zu finden sind, arbeitet mit Giulia Toniato auch eine Archäozoologin an der Drexlerhöhle. Am Rande des Besuchs durch die Staatssekretärin macht sie deutlich, dass sie noch nie an einem vergleichbaren Fundort gearbeitet hat. „Die meisten Stellen, an denen wir arbeiten, sind schon vor vielen Jahren entdeckt und bearbeitet worden“, erläutert die Wissenschaftlerin aus Italien. „Die Höhle hier ist ein echter Schatz“, betont sie.

An der hellen Stelle in der Höhlendecke sieht man die Stelle bis wohin die Höhle mit Sediment gefüllt war.
An der hellen Stelle in der Höhlendecke sieht man die Stelle bis wohin die Höhle mit Sediment gefüllt war. | Bild: Kerle, Helene

Die Höhle ist nicht nur ein Gewinn für die Wissenschaft

Nicht nur die Höhle selbst sei für die Wissenschaft ein echter Glücksfall, sondern auch die gute Zusammenarbeit mit den Besitzern, der Familie Drexler aus Bittelbrunn, und der Stadt Engen, lobte Yvonne Tafelmaier. Bürgermeister Frank Harsch gab daraufhin zu verstehen, dass die Stadt die Arbeiten der Wissenschaftler unterstützt und deshalb den dort verlaufenden Kanalschacht, bei dessen Bau die Höhle in den 1970er-Jahren gefunden wurde, nun verlegen wird.

Harsch möchte den steinzeitlichen Fundort für die Stadt nutzen: „Da wollen wir was draus machen. Auch gerade was das Marketing angeht“, so Harsch vor Ort.

Wie kleinteilig die Arbeit der Wissenschaftler ist, zeigen ein paar Funde wie Zähne und Geweihspitzen, die die Forscher zur ...
Wie kleinteilig die Arbeit der Wissenschaftler ist, zeigen ein paar Funde wie Zähne und Geweihspitzen, die die Forscher zur Veranschaulichung mitgebracht hatten. | Bild: Kerle, Helene

„Die Denkmalpflege braucht ein großes Netzwerk“, so Staatssekretärin Andrea Lindlohr, die mit einer großen Gruppe aus Mitarbeitern angereist war. Ziel der jährlich stattfindenden Reisen im Vorfeld vom Tag des offenen Denkmals ist es, den historischen und symbolischen Gehalt von Kulturdenkmälern in den Mittelpunkt zu rücken. „Dieses Projekt ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Landesdenkmalpflege, der Universität Heidelberg, der Stadt, der Gemeinde, den Landwirten und den Ehrenamtlichen. Kooperationen sind der Schlüssel, um gemeinsam Projekte zu stemmen und unser Know-how kontinuierlich auszubauen“, so Lindlohr zu den Grabungen in Engen.