An die 20 aufgemotzte Autos fahren auf dem Parkplatz der Autobahn-Rastanlage Hegau Ost oberhalb von Engen vor. Dann ertönt die scharfe Stimme von Iris Brütsch, Tochter des Raststätten-Inhabers Rolf Riemensperger. Niemand habe das geplante Benefiz-Treffen angemeldet. Deshalb: Braust mit euren Autos wieder davon, gibt sie den Posern, die ihre aufgemotzten Autos bei einem Benefiz-Treffen zur Schau stellen wollen, zu verstehen. Der Frust hält nur kurz an. Die Fahrer finden schnell einen Ersatz-Treffpunkt.

In Reihe und Glied stehen die aufgepäppelten Autos, um bewundert zu werden.
In Reihe und Glied stehen die aufgepäppelten Autos, um bewundert zu werden. | Bild: Jürgen Waschkowitz

Auf dem Stockacher Schwimmbad-Parkplatz stehen schnell so um die 50 meist mit Zusatzsteilen gestylten Autos. Noch mehr meist überwiegend junge Menschen plaudern locker miteinander in kleineren Gruppen. Auch einzelne Kinder und Hunde sind auszumachen. Und vier Frauen vor einem kleinen Transporter mit der Aufschrift „Tierheim Radolfzell“. Sie sind bester Laune. Denn: Das Benefiz-Treffen erfolgt zugunsten des Tierheims. Und das kann jeden Euro an Spenden dringend gebrauchen.

Großes Treffen im Europark musste abgesagt werden

Es hätte eine weitaus größere Summe werden können, aber ein großer Aufschlag der Tuner und Poser mit etwa 900 Fahrzeugen und 2500 Besuchern im Europark Rust war gescheitert. Der Organisator, der Überlinger Mateusz Ostrozny, war für weitere Aktivitäten verhindert. Laut SÜDKURIER-Informationen sitzt er in Haft. Nun sollte ein überschaubares Treffen dafür sorgen, dass das Tierheim zumindest einen kleineren Geldbetrag erhält.

Sie freuen sich über die Benefiz-Aktion der Autoposer: (von links) Natascha Kramer, Julia Bierbach, Loredana Pirillo und Jasmina Voges ...
Sie freuen sich über die Benefiz-Aktion der Autoposer: (von links) Natascha Kramer, Julia Bierbach, Loredana Pirillo und Jasmina Voges vom Tierschutzverein Radolfzell mit Hündin Emma. | Bild: Jürgen Wachkowitz

Ein verunglückter Mühlhauser Motorradfahrer, der seit einem schweren Unfall im Rollstuhl sitzt, hätte ebenfalls bedacht werden sollen. Er lehnt aber wegen negativer Bekundungen wegen des Zusammenhangs mit der Poser-Szene ab. Dabei loben die Vertreterinnen des Tierheims das soziale Engagement der Poser, die sich nun am Samstagabend in Stockach trafen, in den höchsten Tönen.

Organisator Lukas Hug (rechts) und Rainer Löther zeigen gerne ihre aufgepäppelten Autos.
Organisator Lukas Hug (rechts) und Rainer Löther zeigen gerne ihre aufgepäppelten Autos. | Bild: Jürgen Waschkowitz

„Gut sechs bis sieben von ihnen helfen uns regelmäßig bei unserer Tätigkeit, wie dem Füttern der Tiere oder den Reinigungsarbeiten“, erklärt Julia Bierbach, die Vorsitzende des Vereins Tierheim Radolfzell. „Das sind super Menschen. Sie kommen immer, wenn wir sie brauchen“, ergänzt Tierheim-Mitarbeiterin Natascha Kramer. Die Aussage bestätigen Jasmina Voges und Loredana Pirillo kopfnickend.

Sie wollen Autos zeigen und sich treffen

„Wir wollen unsere Autos zeigen. Noch wichtiger ist es aber, dass wir immer andere Menschen treffen. So bilden sich auch neue Freundschaften“, betont Lukas Hug aus Furtwangen. Der 22-Jährige hatte das jetzige Treffen organisiert. Er versichert, dass er im Vorfeld bei der Autobahnraststätte Hegau Ost angefragt habe, ob sich die Poser dort versammeln dürfen. Und er habe eine Zusage erhalten. „Wir wollten auch die Hälfe der Spendeneinnahmen an die Raststätte abgeben“, so Hug.

Einer von denen, die Leidenschaft für Autos haben: Caesar Kita schraubt mit Begeisterung an den Fahrzeugen. Er war beim Benefiz-Treffen ...
Einer von denen, die Leidenschaft für Autos haben: Caesar Kita schraubt mit Begeisterung an den Fahrzeugen. Er war beim Benefiz-Treffen mit von der Partie. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Früher machte ich mit meinem Auto auch bei Treffen am Singener Obi-Kreisel mit. Dort gab es aber zu viele Tuner und Poser, die damit angaben, dass sie mit ihren Autos rasen und driften. Davon wollte ich mich distanzieren“, sagt der Furtwanger. Er habe eine eigene Gruppe gegründet und Treffen im Villinger Industriegebiet und an der Autobahn-Rastanlage Hegau Ost organisiert. Gerade dort habe es überhaupt keine Probleme, wie mit der Polizei, gegeben. „Die Tuning- und Posingszene steht in der Öffentlichkeit leider in keinem guten Licht. Wir wollen das Gegenteil beweisen und zeigen, dass wir sehr umgänglich und friedlich sind“, sagt Rainer Löther.

Bußgelder waren schon mal fällig

„Wir sind mit Begeisterung bei der Sache. Noch vor einigen Jahren war ich auch bei Treffen in Singen dabei. Dort gab es aber zu viel Polizei, die mich auch immer wieder kontrollierte, ohne etwas beanstanden zu können“, erklärt der 19-jährige Julian Bosch aus Fridingen an der Donau. Er unterhält sich angeregt mit seinen Kollegen. „Das Aufmotzen der Fahrzeuge kostet schon eine Stange Geld. Das verdiene ich mir mit einem Teil des Ausbildungsgehalts ab“, sagt der 18-jährige Noel Kühnle.

„Das Schrauben an Fahrzeugen war schon immer mein Hobby. Das ist ein Stück weit Lebensstil“, bekennt Caesar Kita aus Stockach. Das eine oder andere Mal habe er ein Bußgeld bezahlen müssen, weil bei Kontrollen verkehrstechnische Ordnungswidrigkeiten festgestellt worden seien. Dies räumt Kita genauso ein wie Luke Sascha Hug und sein Kollege Rainer Löther. Diesmal musste die Polizei nicht eingreifen. Alles sei friedlich und unauffällig verlaufen, so die Auskunft des Polizeipräsidiums Konstanz am Morgen danach.