Es war abzusehen, dass die Planungsphase für das Quartier 2020 rund um die alte Eichendorff-Schule mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die ehrgeizigsten Wünsche der Investoren suggerierten. Doch diese Tatsache kommt Gottmadingen nun in anderer Hinsicht entgegen. Die Gemeinde konnte die Schule bis zur Jahresmitte als Notunterkunft mit rund 200 Plätzen an den Landkreis vermieten. Diese Plätze werden auf die zu erfüllende Unterbringungsquote angerechnet. Nun soll die Schule sogar bis zum Jahresende als Unterkunft genutzt werden, wie die Ratsmitglieder in der jüngsten Sitzung beschlossen.
Denn nach wie vor reißt der Flüchtlingsstrom aus den verschiedenen Krisenregionen der Welt nicht ab. Während sich die ersten Migranten mit Aufenthaltstitel im Kernort und den Ortsteilen etablieren, kommen neue Menschen nach, die eine Unterkunft, Arbeit, Kindergartenplätze und Schulunterricht benötigen. Doch das Angebot an freien Wohnungen wächst nicht gleichermaßen mit. Das stellte Martin Rauwolf in seinem Tätigkeitsbericht eindrucksvoll dar.
Unermüdlich ist der Integrationsbeauftragte zusammen mit seinem Kollegen Andreas Reischmann auf der Suche nach freien Wohnungen im Dorf, in denen geflüchtete Menschen nach ihrer Zeit in der Notunterkunft längerfristig leben können. Wiederholt hat die Verwaltung die Bevölkerung aufgerufen, leer stehende Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich ist das auch immer wieder gelungen. Wie groß der Aufwand von der Wohnraumakquise bis zur Unterschrift des Mietvertrages ist, lässt sich nach dem jüngsten Bericht nur andeutungsweise erahnen.
Lage bei der Unterbringung spitzt sich zu
Wiederholt hatte auch Bürgermeister Michael Klinger in der Vergangenheit auf die sich zuspitzende Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen hingewiesen. Obwohl die Gemeinde mit dem beschlossenen Neubau von zwei Häusern für jeweils rund 40 Personen reagiert, wird der Druck immer größer. Auch jetzt bemerkte Klinger wieder: „Wir strampeln wie die Blöden. Trotzdem geht die Schere immer weiter auf. Wir kriegen das Problem auf lokaler Ebene nicht gelöst. Wir fühlen uns als Verwaltung mit dem Rücken an die Wand gedrückt.“ Er werde nicht müde, auf das Dilemma auf Bundes- und Landesebene hinzuweisen.
Martin Rauwolf unterfütterte die Aussagen mit Zahlen. Seit Beginn des Ukrainekrieges vor zwei Jahren habe sich die Anzahl der Geflüchteten, die in Gottmadingen angekommen sind, nahezu verdoppelt. Rauwolf vergleicht in seiner Statistik jeweils die Zahlen zu Jahresbeginn. Im Jahr 2022 konnte für 207 geflüchtete Menschen eine Anschlussunterbringung in Gottmadingen gefunden werden, 2023 waren es schon 398. Rechnet man die Flüchtlinge seit 2014/2015 dazu, so leben heute schon 680 geflüchtete Menschen in der Gemeinde – dazu kommen die bis zu 200 Personen in der Flüchtlingsunterkunft in der Eichendorff-Schule.
Bereits 72 Ukrainer sind in ihre Heimat zurückgekehrt
Der größte Anteil der Menschen wohnt im Kernort und zwar in privaten Wohnungen. In Gemeindewohnungen leben 86 Menschen. Wiederum die Mehrzahl der Flüchtlinge, nämlich 336, leben in Familien. Nur 62 Menschen sind alleine gekommen. Rauwolf zeigt in seiner Statistik auch auf, dass der Altersdurchschnitt sehr niedrig ist, weil viele junge Familien mit Kindern gekommen sind. Geflüchtete aus der Ukraine (166) und aus Syrien (164) halten sich fast die Waage.
391 Personen haben eine Aufenthaltserlaubnis. Für die Ukrainer wurde die Aufenthaltserlaubnis pauschal bis Mitte 2025 verlängert. Trotz des anhaltenden Krieges seien 72 Ukrainer aber schon wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Sehr großes Lob äußerte der Integrationsbeauftragte für das Engagement der Ehrenamtlichen bei der Bürgerhilfe in Gottmadingen (BiG). Auch vom Integrationsmanagement im Landratsamt komme viel Unterstützung in Form von Einzelfallhilfen bei 167 Personen. In Kindergärten, Schulen und Vereinen werde Vorbildliches geleistet.
Ehrenamtliche unterstützen die Integrationsarbeit
Alleine ein ehrenamtlicher Helfer engagiere sich bei der Vermittlung von Arbeit. Hier gebe es vor allem bei Menschen aus der Ukraine noch Defizite, sagte Rauwolf und begründete das damit, dass zuerst einmal die Sprache erlernt werden müsse. Er ist froh über ein gut funktionierendes Netzwerk vor Ort, auf Kreisebene durch das Bündnis für Vielfalt sowie auf Landesebene. Doch die Arbeit ist auch kräftezehrend.
Ohne die Anerkennungsquote in der Notunterkunft hätte die Gemeinde zum Jahresbeginn 104 weitere Plätze für Geflüchtete in Gottmadingen zur Verfügung stellen müssen. Bisher hat sich der Gemeinderat gegen die Unterbringung in Containern entschieden. Die Schule als Notunterkunft verschafft als Übergangslösung noch etwas zeitlichen Spielraum, in dem die beiden Häuser gebaut werden können.
Mit größter Anerkennung, Dank und Applaus reagierten die Fraktionssprecher auf den Tätigkeitsbericht des Integrationsbeauftragten. Bürgermeister Michael Klinger ordnete die Situation so ein: „Wir sind als Gemeinde groß genug, um professionell zu arbeiten; gleichzeitig sind wir klein genug, um den Überblick zu behalten.“
Vorbildliche Arbeit im Vergleich mit Nachbarn
Helga Graumann, die sich im Landkreis in der Flüchtlingsbetreuung engagiert, kommentierte die Arbeit der Integrationsstelle von der Zuhörerbank aus: „Ich habe den Vergleich mit anderen Städten und Gemeinden und kann nur sagen, dass Gottmadingen im Umgang mit Geflüchteten ein sehr gutes Händchen hat.“ Den Übergang in die Wohnungen bezeichnete sie als sehr gelungen.