Herr Fodor, seit ungefähr drei Jahren leiten Sie die Jugendmusikschule Westlicher Hegau. Sie übernahmen diese Position mitten in der Corona-Pandemie. War das nicht ein ungünstiger Zeitpunkt für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe?
Aber sicher war es das. Wobei ich es nicht ungünstig, sondern eher interessant nennen möchte. Es war eine herausfordernde Situation mit vielen Einschränkungen wegen Corona, in die ich mich einfinden musste. So lange alles in Ordnung scheint, ist immer alles gut. Aber die Pandemie brachte alles durcheinander. Und wenn es schwierig ist und die Nerven blank liegen, reagiert man oft anders als in guten Zeiten. Deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass ich in dieser Zeit nur positive Erfahrungen machen durfte. Seitens meines Kollegiums, den Verwaltungen, Eltern und Schülern wurde alles dafür getan, dass die Jugendmusikschule Westlicher Hegau in der Pandemie nicht untergeht. All diese Menschen durfte ich – fachlich sowie menschlich – aus einer anderen Perspektive erleben und machte viele gute Erfahrungen. Es war eine interessante Zeit, wir saßen alle im gleichen Boot, arbeiteten alle hart und kämpften für die Musikschule. Eine große Stärke von uns ist das gute Netzwerk zu den Gemeindeverwaltungen und zu den Familien. Das half uns sehr in dieser schweren Zeit.
Die Pandemie scheint nun vorüber – alles richtig gemacht und die Prüfung bestanden, es kann also nichts mehr passieren?
So möchte man gerne sagen. Doch die nächste Herausforderung kam sofort. Plötzlich spielte Corona keine Rolle mehr, aber das Kriegsgeschehen in der Ukraine bestimmt auch unser Leben hier. Gestiegene Preise und die Sorgen der Menschen lasten auch auf der Musikschule. Man könnte sich fragen, wer will und kann sich noch eine Musikschule leisten? Wie gut, dass in den Gemeindeverwaltungen und bei den Eltern erkannt wurde, dass es nichts bringt, an der Bildung der Kinder zu sparen. Es ist ein großartiges Zeugnis der Eltern, die ihren Kindern weiterhin den Unterricht an der Jugendmusikschule Westlicher Hegau ermöglichen und vielleicht an einer anderen Stelle sparen. Übrigens gibt es für Familien mit weniger finanziellen Möglichkeiten die Förderung durch den Jugend- oder Sozialpass oder Unterstützung von unserem Förderverein.
Vermutlich wird nicht jeder Schüler der Jugendmusikschule ein Berufsmusiker, Eltern und Gemeinden investieren aber viel Geld in deren musikalische Bildung. Welchen Wert hat der Unterricht?
Der Wert der Bildung der Kinder ist nicht mit Zahlen zu messen. Aber erst einmal muss die Frage doch lauten: Welche Wirkung hat Musik in unserem Leben? Kinder können sich dabei selbst entfalten und lernen sich durch verschiedene Herausforderungen kennen. Musik bleibt ein Leben lang, berührt Geist, Seele und Körper. Das Wichtigste ist, dass Kinder diese Möglichkeit erhalten. Und natürlich werden die wenigsten davon Berufsmusiker, darum geht es doch gar nicht. Kinder müssen lernen, wie sie sind, um sich zu lieben und um sich positiv zu entwickeln. Das ist in jungen Jahren viel wichtiger als man denkt und nicht per Klick auf einem digitalen Gerät zu erreichen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Jugendmusikschule?
Im Kollegium haben wir eine Vision. Ab dem Jahr 2026 soll es für die Kinder an den Grundschulen einen Anspruch geben, ganztägig gefördert zu werden. Dann möchten wir in den Schulen am Vormittag und in den Betreuungszeiten am Nachmittag Qualität mit Musikunterricht anbieten. An der Peter-Thumb-Schule und an der Christlichen Schule in Hilzingen tun wir dies übrigens bereits jetzt schon. Wir möchten die Schulen „musikalisieren“, Musik soll ein fester Bestandteil des Lebens in den Schulen werden. Das ist eine große Chance für die Schulen, die Jugendmusikschule, die Schüler und letztendlich für Musik- und Instrumentalvereine sowie für die Chöre in den Gemeinden.
Sie waren Berufsmusiker, spielten in großen Orchestern und wurden dann Musikschullehrer. Warum entschieden Sie sich für diesen Berufsweg?
Es klingt vielleicht komisch, aber in einem großen Orchester fühlte ich mich oft einsam. Es gibt in einem solchen Ensemble kein Wenn und Aber, man kann bei Entwicklungen nicht mitwirken. Doch ich war schon immer ein Individualist und hatte immer viel Freude daran, etwas zu erklären. Ich entdeckte, dass mein heutiger Beruf für mich wirklich eine Berufung ist. Für mich ist es schön zu sehen, wie sich Kinder entwickeln und dass ich sie auf ihrem Weg begleiten kann. Mit Musik kann man sich verständigen, überall spricht man unabhängig vom Leistungsstand dieselbe Sprache und man versteht sich.