Eigentlich will er nur eine Runde auf der Playstation zocken, gemeinsam mit Freunden, wie Rico Presch sagt. Was Jugendliche an einem Dienstagnachmittag eben so machen. Doch dann kommt es anders: Nur Stunden später ist klar, das der junge Konstanzer mit seinem besonnen und schnellen Handeln vermutlich ein Menschenleben gerettet hat.

Doch von vorne: Es ist der 27. Juni 2023, der damals noch 13-Jährige sitzt in seinem Zimmer, als er die Notbremsung eines Zugs am Petershauser Bahnhof hört. Erst denkt er sich nichts dabei, schließlich kommt das immer wieder vor. Er muss es wissen, wohnt er doch ganz in der Nähe des Bahnübergangs Jahnstraße/Petershauser Straße an der Fahrradstraße.

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Doch an diesem Tag ist etwas anders. Der Konstanzer geht zum Fenster, berichtet er dem SÜDKURIER, und schaut in Richtung der Schienen. „Da stand der Zug auf der Höhe des Bahnübergangs“, sagt Rico Presch. „Und da war was Pinkes auf der Höhe vom Führerstand.“ Ein Mensch, eine Jacke, oder doch etwas ganz anderes?

Um sich die Sache genauer anzusehen, geht Presch nach unten. Der Zug ist mittlerweile rückwärts zum Petershauser Bahnhof gefahren, der Bahnübergang wieder geöffnet. Er überquert die Schienen und blickt sich um. Dann sieht er laut eigenen Angaben eine ältere Frau mit einem Wägelchen, er vermutet einem Rollator, auf einer Bank in der Nähe des Gleisbettes sitzen. Sie trägt ein pinkes Kleidungsstück.

Auf dieser Bank in der Nähe der Fahrradstraße saß die ältere Frau.
Auf dieser Bank in der Nähe der Fahrradstraße saß die ältere Frau. | Bild: Timm Lechler

Presch, der seine Nachbarin am Telefon hat, die den Vorfall ebenfalls beobachtet hat, macht kehrt, unschlüssig was zu tun ist. Der Zug beginnt wieder zu fahren, doch bremst erneut. Rico Presch kehrt zurück in Richtung der Bank und sieht nur noch das Wägelchen, wie er sagt. „Die Frau stand wieder im Gebüsch, direkt bei den Gleisen“, sagt Rico Presch.

Der Jugendliche reagiert

Er überlegt: Ansprechen oder die Polizei rufen. Die Frau ist inzwischen wieder aus dem Gebüsch hinausgetreten und hat sich in Richtung Sternenplatz aufgemacht. Rico Presch verfolgt sie in sicherer Entfernung und ruft die Polizei. Dann spricht er die die Frau kurz vor dem Sternenplatz auf Rat des Beamten am Telefon an. „Ich hab sie angesprochen und gefragt, warum sie da an den Gleisen war“, sagt Rico Presch.

„Das darf ich nicht machen, das ist nicht gut, hat sie dann nur gesagt“, so Presch. Sie war wohl etwas verwirrt, denkt er. Zum Glück sind zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Streifenwagen am Sternenplatz. Presch winkt sie laut eigenen Angaben zu sich und erklärt ihnen den Vorfall, die Beamten kümmern sich um die ältere Dame.

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Wie sich später bei einer Befragung herausstellt, bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass sich die Frau selbst in Gefahr gebracht hätte. Vermutlich verdankt die ältere Dame damit ihr Leben dem 14-Jährigen. Ohne ihn hätte Polizei die Person vermutlich nicht aufspüren können.

Das sagt die Polizei

Das wissen auch die Beamten der Bundespolizei, die den Vorfall mit Rico Presch und einer 61-jährigen Frau bestätigen. Monia Hentschel, Pressesprecherin bei der Bundespolizeiinspektion Konstanz, gibt an, dass an jenem Junitag bei der Landes- und der Bundespolizei parallel Informationen zu dem Sachverhalt eingingen. Der Bahnführer hatte über das Warnsystem bei der Bundesleitstelle eine Person im Gleis gemeldet, gleichzeitig telefonierte Presch mit der Landespolizei.

„Wir haben dann eine Streife an die Gefahrenstelle geschickt, um die Person zu suchen“, gibt Monia Hentschel auf SÜDKURIER-Nachfrage an. „Auch die Landespolizei hat eine Streife geschickt.“ Dass Rico Presch vor Ort war, war wertvoll für die Polizei, schildert Hentschel. Denn so konnte er Blickkontakt zur gefährdeten Person halten und konnte als Augenzeuge auch eine Personenbeschreibung abgeben.

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„Er hat sie beobachtet und die Polizei informiert, das war eine große Unterstützung“, gibt Hentschel an. „Er hat couragiert gehandelt, das war ein Mehrwert für die Einsatzkräfte vor Ort. Er hat als Informationsgeber maßgeblich dazu beigetragen, dass wir die Person gefunden haben“, lobt sie sein Engagement. Die Ermittlungen wegen Eingriffs in den Bahnverkehr würden noch andauern, die 61-Jährige sei nach dem Vorfall in eine psychiatrische Klinik gebracht worden.

Er wollte schon immer Polizist werden

Für Rico Presch ist das alles keine große Sache. „Für mich war das selbstverständlich“, sagt er. „Wenn man helfen kann, sollte man helfen. Wenigstens sollte man es versuchen.“ In dem Fall habe er nicht gezögert, schließlich hätte sich die Frau etwas antun können, meint er. In der Tat sollte die Dame in der Folge der Polizei sagen, dass der junge Mann ihr vielleicht das Leben gerettet hat. So habe es ihm zumindest ein Beamter gesagt, so Presch.

Für sein entschlossenes Handeln und seine Zivilcourage wurde der 14-Jährige nun auch von der Polizei gewürdigt. Er bekam eine Führung durch das Gebäude der Bundespolizei, verschiedene kleine Geschenke und sogar ein Polizeiabzeichen, wie er erzählt. „Mir wurde alles gezeigt, sogar der Großlagenraum, den kaum einer sehen darf“, erzählt er sichtlich stolz. „Richtig cool war es auch, mit einem speziellen Polizeiauto rumzufahren.“

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Und nun hat er sogar noch ein Praktikum bei der Polizei ergattern können. Die perfekte Grundstein also für eine berufliche Karriere. Denn sein Berufswunsch ist Presch seit Kindertagen bereits klar: Der Jugendliche möchte Polizist werden. Dabei ist er sich nun noch sicherer.