Die Gassen sind so belebt, dass es fast kein Durchkommen mehr gibt. Stände reihen sich vom Rheinufer bis in die Schweiz. Das kann nur eins bedeuten: In Konstanz ist Straßenflohmarkt, und zwar über die EU-Grenze hinweg. Der 24-Stunden-Flohmarkt ist einer der größten in Süddeutschland.

Rund 80.000 Besucher kamen bei sommerlichen Temperaturen in die Stadt, um auf Schnäppchensuche zu gehen. Oder um einfach über den Markt zu schlendern und die ganz besondere Atmosphäre aufzusaugen. Mit dem Verlauf ist Eric Thiel, Geschäftsführer der veranstaltenden Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK), sehr zufrieden. „Eine Stadt im positiven Ausnahmezustand“, ist sein Eindruck.

Bis in die Nacht wurde in der ganzen Stadt gefeilscht, getanzt und gefeiert – und am nächsten Morgen ging es direkt weiter. Ab dem frühen Samstagabend haben sich Konstanz und Kreuzlingen wieder für 24 Stunden in einen Straßenflohmarkt verwandelt.

Die nächtliche Flohmarktstimmung, wie hier am Seerhein mit der beleuchteten Fahrradbrücke, ist ganz besonders.
Die nächtliche Flohmarktstimmung, wie hier am Seerhein mit der beleuchteten Fahrradbrücke, ist ganz besonders. | Bild: Hanser, Oliver

Vater übernimmt im Schlafsack die Nachtschicht

„Es ist das Prickeln beim Aufbauen – und dann diese Stimmung, wenn es endlich losgeht“, sagt die Konstanzerin Sonja Hess, während sie gerade die letzten Kartons für den Verkauf auspackt. Ihr Stand hat Tradition: Seit über 30 Jahren ist sie mit ihrer Familie auf dem Markt vertreten.

Die Arbeit beginnt schon Tage vorher. Der Keller werde ausgemistet, die Bestände sortiert. Die ganze Familie ist dabei gefordert. Die Kinder sind fester Bestandteil des Verkauf-Teams und Vater Markus übernimmt mit Schlafsack die Nachtschicht. „Ich mache das gerne – nachts, wenn nicht mehr so viel los ist, kommt es oft zu besonderen Gesprächen mit den Besuchern“, erzählt er.

Alle Bilder vom 24-Stunden-Flohmarkt in Konstanz:

Die Verkaufsstände ziehen sich den Rheinsteig – sonst eine wesentliche Hauptverkehrsachse – entlang bis zum Rheintorturm.
Die Verkaufsstände ziehen sich den Rheinsteig – sonst eine wesentliche Hauptverkehrsachse – entlang bis zum Rheintorturm. | Bild: Hanser, Oliver

Besucher finden: Einfach einmalig!

Cecile Razir und Ishak Bousholei sind extra für den Markt aus dem französischen Bensancon angereist: „Wir waren letztes Jahr zum ersten Mal hier und wollten direkt wiederkommen“, äußert sich Cecile Razir begeistert von der Atmosphäre. Ihr Mann ist bereits drei Stände weiter gegangen und stöbert schon weiter nach den nächsten Schätzen.

Sie sind für den Markt extra aus Frankreich angereist: Cecile Razir und Ishak Bousholei genießen die Atmosphäre am Seerhein
Sie sind für den Markt extra aus Frankreich angereist: Cecile Razir und Ishak Bousholei genießen die Atmosphäre am Seerhein | Bild: Alban Löffler

Ishak Bousholei ist Antiquariat-Händler und beruflich auf vielen Märkten in Europa unterwegs. Auch er betont: „Wir haben schon viel gesehen, aber Konstanz ist mit seinem 24-Stunden Flohmarkt wirklich einmalig.“

Kunst, Krempel, Spielsachen und Service

Neben Kunst, Spielsachen und Co. ist auch für Verpflegung gesorgt: von Kässpätzle über ungarischen Langos bis hin zur Wurst im Wecken – man muss nicht hungrig über den Markt laufen. Am Seerheinufer bieten Marijan und Mattias Tomic von Aloa Fruits frisch gemixte Früchtebecher an. Die Karlsruher Brüder sind bereits zum zweiten Mal auf dem Markt dabei. Mit Blick auf die lange Nacht, die ihnen bevorsteht, geben sie sich am Samstagabend entspannt. „Dann versuche ich eben im Campingstuhl zu schlafen oder ich lege mich einfach hier aufs Gras“, sagt Marijan Tomic lachend.

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Am Krämermarkt bietet das Mahagoni Kollektiv einen besonderen Service an. Die Besucher können hier ihre Kleidungsstücke per Siebdruck personalisieren lassen: „Die Leute bringen ihre T-Shirts und Pullover vom Markt mit und suchen sich eines von unseren Designs aus – und wir bedrucken das kostenlos“, erklärt Nico Reich, einer der Vorsitzenden des Kultur-Vereins.

Direkt neben dem Stand sorgen sie mit einer Bühne für Party-Stimmung. Schnell kommen viele junge Besucher zusammen, die bis in die Nacht ausgelassen zur Musik auf dem Schottenplatz tanzen.

Das Mahagoni-Kollektiv personalisiert per Siebdruck die T-Shirts der Marktbesucher (von links nach rechts: Fabian Rupp, Julius Gass, ...
Das Mahagoni-Kollektiv personalisiert per Siebdruck die T-Shirts der Marktbesucher (von links nach rechts: Fabian Rupp, Julius Gass, Marius Di Loro und Robin Buckenberger) | Bild: Alban Löffler

„Ich bin gespannt, ob das Ding auch funktioniert“, sagt Moritz König. Gerade hat er sich den Traum vom eigenen Plattenspieler verwirklicht, doch so ganz traut er seinem Glück noch nicht. Er möchte gleich in der Wohnung eines Freundes das neuerworbene Gerät ausprobieren. „Ich habe mir extra den Namen von dem Verkäufer aufschreiben lassen, dann kann ich den Plattenspieler zur Not auch wieder zurückgeben“, sagt er. Die passende Vinyl-Scheibe kann er dafür auch noch direkt auf dem Markt kaufen. Am Alexander-von Humboldt-Gymnasium wird auf dem Plattenmarkt von Mozart bis Metallica jeder Musikgeschmack bedient.

Der große Tag für die Kleinen

Eigentlich sollte der Kinderflohmarkt im Herosé-Park stattfinden, doch wegen des Hochwassers wurde er zur Stephansschule verlegt. Jetzt werden eben unter den Bäumen im Schulhof Lego, Puppen und Klamotten verkauft. Hannes Hehl freut sich, denn heute ist sein großer Tag. „Ich habe das ganze Jahr auf den Flohmarkt gespart“, berichtet er und präsentiert stolz seinen ersten Kauf. In einem großen Karton steckt seine neue Playmobil-Ritterburg. Doch ein bisschen was gebe sein Sparschwein noch her, erzählt er, und macht sich schon auf zum nächsten Stand.

„Ich habe das ganze Jahr auf diesen Tag gespart“, Hannes Hehl (rechts) präsentiert stolz seine neue Playmobil-Ritterburg, aber auch ...
„Ich habe das ganze Jahr auf diesen Tag gespart“, Hannes Hehl (rechts) präsentiert stolz seine neue Playmobil-Ritterburg, aber auch seine Schwestern (von links) Lotta und Emma sind auf dem Flohmarkt fündig geworden. | Bild: Alban Löffler

Guten-Morgen-Kaffee gibt es auch

„Kaffee ist fertig!“, heißt es am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr. Stefan Schlager und Jan Schuhmacher haben in der vergangenen Nacht an ihrem Stand die Stellung gehalten, jetzt werden sie von Sabine Jäger mit Kaffee und Brötchen versorgt.

„So richtig schlafen konnte ich nicht, zwischendurch ist auch noch der Campingstuhl zusammengekracht“, erzählt Jan Schuhmacher von den zurückliegenden Stunden. Dennoch: Die Stimmung sei super und der Verkauf laufe gut.

Die Arbeit hat sich gelohnt

Die Bilanz von Eric Thiel, Geschäftsführer der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK), ist positiv. Rund 80.000 Besucher seien in den vergangenen zwei Tagen auf den neun Laufkilometern Strecke unterwegs gewesen, an mehr als 1000 Ständen seien Waren angeboten worden. Das Wetter habe mitgespielt, man sei sehr zufrieden mit dem Verlauf.

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Über ein halbes Jahr lang war sein Team mit den Vorbereitungen für das Event beschäftigt gewesen. Am Flohmarkt-Wochenende wurden sie durch circa 400 ehrenamtliche Helfer verstärkt. Sie lebten das Motto: „Eine Stadt, ein Team.“ Die Arbeit habe sich gelohnt. Auch das Fazit der Einsatzkräfte fällt am Sonntagmittag positiv aus. Bis auf kleinere Zwischenfälle sei alles ruhig verlaufen.