Es ist kurz vor neun Uhr. Jugendliche aus Italien, Tschechien, der Ukraine, England, Frankreich und Deutschland strömen in den Wolkensteinsaal des Kulturzentrums Konstanz. Die Stimmen sind laut, und es wird sich auf Englisch schon viel ausgetauscht. Im Hintergrund spielt die Playlist, die von den jungen Teilnehmern selbst zusammengestellt wurde.
So beginnt der zweite Tag des Europakonzils. 57 Schülerinnen und Schüler sind dabei, sie kommen aus fünf Partnerstädten – Lodi (Italien), Tábor (Tschechien), Berdytschiw (Ukraine), Richmond (England) und Fontainebleau (Frankreich) – sowie aus Konstanz selbst. Im Mittelpunkt steht das Interesse und Engagement der Jugendlichen für Europa zu fördern. In Gruppen entstehen Ideen, Vorschläge und bunte Flaggen, die die Vielfalt und Lebendigkeit dieser besonderen Begegnung ausdrücken.
Organisiert hat das Ereignis maßgeblich Antonie Bernhard, die im Hauptamt der Stadt Konstanz für die Städtepartnerschaften zuständig ist. Um sie herum, berichtet sie, bildete sich nach und nach ein Team aus sechs Personen. Nach einer „Riesenorganisation“ blickt Bernhard schon zur Halbzeit positiv auf die ersten beiden Tage zurück: „Die Stimmung ist gut, und die Jugendlichen sind kreativ.“ Damit möglichst alle Interessierten mitmachen können, war Bernhard unter anderem eine kostenlose Teilnahme wichtig.

Ein anspruchsvolles Programm für fast 60 Jugendliche, Angebote auch für die Gastfamilien und Veranstaltungen mit politischen Vertretern aus den Partnerstädten – das alles kostet Geld. Wer finanziert also das Europakonzil? Den Großteil übernimmt die Europäische Union über das Programm Erasmus Plus. Den Rest tragen der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds und die Stadt Konstanz.

Im Zentrum steht die Frage, wie Städtepartnerschaften auch in Zukunft lebendig bleiben. Wie wichtig Konstanz diese Frage ist, zeigt sich unter anderem darin, dass zur Eröffnung Oberbürgermeister Uli Burchardt selbst kommt. Zudem erhalten die Jugendlichen einen Input durch die Jungen Europäischen Föderalisten Konstanz.
Später wird der Wolkensteinsaal unter der Leitung des Konstanzer Künstlers Bert Binnig zur politischen Kreativwerkstatt: Die Teilnehmer gestalten und planen dort bunte Flaggen, die europäische Grundwerte darstellen. Zuvor hatten sie sich damit in Workshops auseinandergesetzt.

So können nun als sichtbare Zeichen die Flaggen für Menschenrechte, Menschenwürde, Gleichheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit gehisst werden. Darüber erfahren die Menschen in Konstanz und in den Partnerstädten aus verschiedenen Medien – das Material dafür erarbeiten während des Europakonzils ebenfalls die jungen Teilnehmer selbst. So entstehen zum Beispiel Zeitungsbeiträge und Videos für Instagram.

Unterstützt wird das Projekt zudem durch Konstanzer Gastfamilien, die Jugendlichen von Sonntag bis Mittwoch bei sich aufnehmen. Dieses Konzept erleben die Teilnehmer als positiv: „Es ist sehr gut, um das Leben in Deutschland näher kennenzulernen“, erzählt Eve Jackson. Die 17-Jährige kommt aus Richmond in England. Für mehrere der Jugendlichen war die Motivation, am Europakonzil teilzunehmen, nicht nur die Gelegenheit, neue Menschen in ihrem Alter kennenzulernen. Sondern sie wollten auch ihre Sprachkenntnisse verbessern, ob Deutsch oder Englisch.
Neue Menschen, berufliche Perspektiven: Darum kommen Jugendliche zum Europakonzil
Auch ein Berufswunsch kann Jugendliche zum Europakonzil nach Konstanz führen. So ist es bei der 17-jährigen Isabel Rizza aus Lodi in Italien: „Ich war am Europakonzil interessiert, weil ich vorhabe, internationale Beziehungen zu studieren.“ Aufmerksam auf das Europakonzil wurde sie, wie die meisten anderen auch, durch ihre Lehrer. Die 15-jährige Daria Koliada aus Berdytschiw in der Ukraine ist zum ersten Mal überhaupt in Konstanz und findet die Gebäude interessant. Auch Daniel Vintner (17) aus Tábor gewinnt einen positiven Eindruck: „Historisch und reich an Kultur, ich fühle mich sehr willkommen.“
Die Erwartungen an das Europakonzil lagen bei den Teilnehmern hoch, doch sie erfüllen sich teilweise schon am zweiten Projekttag. Youliana Gille, eine 16-jährige Teilnehmerin aus Fontainebleau in Frankreich, erzählt, sie habe sich darauf gefreut, in Gruppen mit Menschen zu arbeiten, auch wenn sie aus verschiedenen Ländern kommen. Dabei sei ihr wichtig, dass sie versuchen, einander zu verstehen, auch wenn sie nicht dieselbe Muttersprache sprechen.
„Wir lernen, über welche Wege wir unsere Zukunft beeinflussen können“
Auf die Frage, was sie bisher aus dem Europakonzil lernen konnte, antwortet Eve Jackson aus England: „Wir lernen viele wichtige Sachen über die Partnerschaft in Europa und über welche Wege wir unsere Zukunft beeinflussen können.“ Isabel Rizza aus Lodi berichtet, dass sie viel über die europäischen Werte gelernt habe, und wie diese in unterschiedlichen Ländern verschieden wahrgenommen werden.

Auf die Frage, welcher dieser Werte für sie der wichtigste sei, antwortet Daria Koliada aus der Ukraine: „Freiheit. Ich kann tragen, was ich will, die Sprache sprechen, die ich will, und ich kann entscheiden, was ich will.“ Und dazu gehöre, dass alle anderen auch für sich diese Freiheit hätten. Für Daniel Vintner aus Tschechien ist Gleichheit der wichtigste Wert. Er ist überzeugt, dass ohne Gleichheit die anderen Werte nicht existieren könnten, es sei der Wert, der alles zusammenhält.
Und wie geht es nun weiter? Die Organisatoren hoffen, dass die Teilnehmer die Impulse aus Konstanz in ihren Heimatstädten weitergeben und dort für die Städtepartnerschaften und die europäischen Werte eintreten. Antonie Bernhard richtet auch schon einen Blick in die Zukunft und hofft, dass Konstanz auch in zwei Jahren wieder zum Europakonzil einladen kann. Denn nicht nur sie ist überzeugt: Die Zukunft Europas soll weiterhin in Konstanz durch Jugendliche aus ganz Europa diskutiert und wichtige Erkenntnisse ausgearbeitet werden.
Die Autoren: Carla Burkard (16) und Jonas Müller (15) haben im Rahmen ihres Berufspraktikums für die SÜDKURIER-Leser die Berichterstattung vom Europakonzil übernommen. Die Berufsorientierung an Gymnasien führte sie von der Geschwister-Scholl-Schule in Konstanz und vom Graf-Zeppelin-Gymnasium in Friedrichshafen in die SÜDKURIER-Lokalredaktion.