Das war am 11. November 1417, dem Martinstag. Deshalb wählte der Römer Colonna den Namen Martin V. und ging damit in die Geschichte ein, da er später noch viele Jahre in Rom regierte.
Auf dieses Ereignis ist Konstanz nachhaltig stolz und hat dafür mindestens ein gutes Argument: Das Konklave am Bodensee war das einzige, das nördlich der Alpen – für Italiener ohnehin eine kalte Zumutung – abgehalten wurde. Die breite Mehrheit der Wahlen war und ist in Rom, einige auch im französishen Avignon. Dass der Herr der Kirche in einem Land, das viele Italiener für barbarisch hielten, gekürt wird, verwunderte die Zeitgenossen damals. So nehmen das Verfahren und der Ort eine ungewöhnliche Position ein. Marketingleute nennen so etwas ein Alleinstellungsmerkmal.
Noch etwas kommt hinzu: In Konstanz wählten nicht nur Kardinäle und damit Vertreter des geistlichen Standes; zu ihnen gesellten sich auch weltliche Wähler, nämlich Vertreter der fünf Ländergruppen (Nationes) – Diplomaten, Adlige, Räte. Die Nicht-Kleriker waren sogar in der Mehrheit, sie stellten 30 Wähler, die Kardinäle 23. „Diese Organisation einer Papstwahl war einzigartig“, fasst Mathias Trennert-Helwig zusammen. Der katholische Dekan begleitet das Jubiläum seit seinen Anfängen und ist inzwischen Fachmann für alle Feinheiten des Konzils. Konstanz diente nicht nur als Schauplatz einer Wahl; es wies auch weit in die Zukunft: Laien wählen mit – und damit eine Gruppe, die der Disziplin von Papst und Kurie nicht direkt unterstehen.
Trennert-Helwig spinnt den Faden weiter: „Warum dürfen Laien später nicht mehr wählen?“ Die Kurie schaffte es, die Wahlen nach Konstanz 1417 unter sich auszumachen. Seitdem bleiben weltliche Leute systematisch und bis heute ausgesperrt. Von Frauen ganz zu schweigen. Der Reformfaden wurde später nicht aufgegriffen, sondern abgeschnitten. Der Konstanzer Vorstoß blieb ein isolierter Vorgang ohne Nachfolger. Umso bemerkenswerter ist er. Ein Stachel im Fleisch der Papst-Monarchie – was auch erklärt, warum das längst verflossene Konzil am Bodensee in Rom bis heute keine gute Presse hat.
Was kann man vom Glanz dieser glänzenden Versammlung heute noch sehen? Ziemlich viel. Konstanz hat viele Schauplätze von damals bis heute bewahrt und säuberlich beschriftet. Allen voran das Münster als damalige Bischofskirche, dann die Klöster wie das Haus der Dominikaner (heute Inselhotel). Beide kann man besuchen. Das ehemalige Franziskanerkloster, in dem Jan Hus verhört wurde, heißt heute Stefansschule und ist deshalb nicht öffentlich zugänglich. Dafür ist der Ort der Wahl gut zu erreichen: Im Kauf- und Lagerhaus direkt am See traten die Wähler am 9. November 1417 zusammen. Im Andenken der erfolgreichen Wahl heißt es seitdem auch Konzil. Es ist ein imposantes steinernes Haus, in dessen oberem Geschoss (bekannt von der TV-Konzilfasnacht) 53 Männer eingeschlossen wurden, um der dreigeteilten Christenheit ein neues Oberhaupt zu geben. Die Folgen waren nachhaltig. Seitdem war es nie mehr zur Spaltung der Papstkirche gekommen. Konstanz wirkte als mahnender Impuls in dem Sinne: Einigkeit macht stark.
Konziljubiläum
Für die Stadt Konstanz war das Konzil (1414 bis 1418) das wichtigste Ereignis ihrer Geschichte. Entsprechend groß wird das Jubiläum der 600. Wiederkehr gefeiert. 2014 gab es eine große Landesaustellung, 2015 Gottesdienste und Vorträge zur Hinrichtung von Jan Hus im Jahr 1415. Dieses Jahr sind Diskussionen angesetzt, ein Festwochenende mit ökumenischem Gottesdienst im Münster und ein Martinsumzug.