ZPR, PLK, BHP, RHP oder ZfP, wie das Haus heute heißt. Jeder kennt die Einrichtung, die Konstanz und die Reichenau-Waldsiedlung geografisch miteinander verbindet. Das Zentrum für Psychiatrie Reichenau wurde 1913 als Badische Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz gegründet. Die Klinik war damals sparsamer ausgestattet als die anderen badischen Anstalten in Illenau bei Achern und Wiesloch bei Heidelberg. Doch ab 1933 profitierte das Haus von Anstaltsdirektoren, die eine sehr fortschrittliche Kombination aus Psychotherapie und Sozialpsychiatrie vertraten. Die Geschichte des Hauses ist sehr bewegend.

Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses am 1. Januar 1934 wurde im Spätherbst 1933 angeordnet, dass nur nicht fortpflanzungsfähige Patienten Ausgang erhielten. Ab 1934 wurden Zwangssterilisationen durchgeführt. Zwischen 1934 und 1945 fanden 1109 Verfahren statt: 610 Männer und 499 Frauen wurden zur Zwangssterilisierung verurteilt, darunter 450 bis 500 Patienten.

„Nationalsozialistischer Musterbetrieb“
1937 verlieh das Amt „Schönheit der Arbeit“ der Anstalt den Ehrentitel „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Zwischen Mai 1940 und Februar 1941 wurden im Rahmen des „Euthanasie“-Programms „Aktion T4“ 529 Menschen in elf Transporten mit den Grauen Bussen deportiert, 508 davon in den Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar ermordet.

Heute erinnert ein Mahnmal an die dunkle Zeit
Auf dem Klinikgelände erinnert heute vor dem Haus 20 ein Mahnmal an die Abtransporte und Morde an Patienten der damaligen Heil- und Pflegeanstalt. Die Inschrift lautet: „508 Patienten der Heilanstalt Reichenau wurden 1940/41 in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet – dies mahnt uns, das Leben jedes Menschen zu achten und zu schützen.“ Auf dem Hauptfriedhof Konstanz befindet sich ein weiteres Denkmal für die Euthanasieopfer mit drei Stelen und Bodenplatten.

Erziehungsanstalt für Jungen
In der Anstalt bei Konstanz wurde im April 1941 eine nationalpolitische Erziehungsanstalt für Jungen eingerichtet, die bis zum Kriegsende 1945 einen Großteil der Gebäude auf dem Psychiatriegelände nutzte. Erst in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurden Lazarette in Gebäuden der Reichenau eingerichtet. Die damalige Anstalt wurde danach von den Franzosen als Kriegslazarett genutzt. Ebenso wurden Flüchtlinge untergebracht und die Häuser dienten teilweise als Erholungseinrichtung, bis am 1. Dezember 1949 die Psychiatrie wiederum offiziell eröffnet werden konnte.

Reformen in den 90er Jahren
In den siebziger und achtziger Jahren folgten die Gründung spezialisierter Stationen mit überregionalem Ruf (Depressionsstation, Psychotherapiestation, Weiterbehandlungsstation für Schizophrene), in den neunziger Jahren wurden die allgemein psychiatrischen Aufnahmestationen grundlegend reformiert (Geschlechter-Durchmischung, Regionalisierung, Einführung psychotherapeutischer Elemente, Öffnung von Stationen).

Zum 1. Januar 1996 wurde das Psychiatrische Landeskrankenhaus Reichenau vom Landesbetrieb in eine Anstalt des öffentlichen Rechts, dem Zentrum für Psychiatrie Reichenau, umgewandelt. Zunächst als ZPR, heute als ZfP.

Heute kaum mehr mit früher zu vergleichen
Seit dem Jahr 2000 ist das ZfP „Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Konstanz„. Das ZfP Reichenau ist wichtiger Bestandteil der regionalen Versorgungsstrukturen für psychische und psychosomatische Erkrankungen und mit seiner Offenheit und den vielen Vernetzungen in das Umfeld kaum mehr mit der früheren Anstalt zu vergleichen.

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