Leben statt Leerstand: Der neue Eigentümer des zweithöchsten Gebäudes von Konstanz legt spektakuläre Pläne für die Neunutzung des ehemaligen Fernmeldeamts vor. Nach der Übernahme durch die internationale Immobilientwicklungsfirma BPD soll das 62 Meter hohe, 14-geschossige Hochhaus ab 2019 vollkommen kernsaniert werden.
In der Folge will BPD im Hochhaus rund 80 neue Wohnungen, zum Teil mit Balkon, einbauen. Mindestens 150 weitere neue Wohnungen sind entlang der Molktestraße bis zur Jahnstraße geplant, und der bisher von der Postbank genutzte Pavillon könnte ebenfalls einem Neubau weichen. Diese Pläne stellte der für Konstanz zuständige Manager von BPD, Rainer Beitlich, vor. Er kennt die Stadt gut, weil das BPD-Vorgängerunternehmen Bouwfonds bereits auf dem Areal am Petershauser Bahnhof gebaut hatte. Die Gesamtinvestition bezifferte Beitlich auf bis zu 100 Millionen Euro.
Die Wohnungen will BPD nach der Fertigstellung verkaufen, im Neubau-Teil setzt die Stadt einen Anteil von 30 Prozent im geförderten Wohnungsbau fest. Beitlich betont, es gehe nicht darum, ein hotelähnliches Boarding-House oder Luxus-Studentenwohnungen anzubieten: "Unser Ziel sind Wohnungen mit zwei bis vier Zimmern und und 40 bis 120 Quadratmetern", erklärt er.
Im Erdgeschoss soll Platz für Gewerbe ein, einschließlich einer neuen Postfiliale. Die ersten Bewohner können nach seinen Worten Ende 2022 oder Anfang 2023 einziehen. Zuvor wird der Büroturm bis auf den Rohbau abgerissen und dann komplett neu wieder aufgebaut. Die Gestaltung soll ein Architektenwettbewerb liefern, zu dem 15 internationale Büros eingeladen würden.

Die Telekom verlässt das Areal allerdings nicht völlig. So bleibt der riesige Antennen-Aufbau auf dem Hochhaus-Dach bestehen. Auch im bisherigen Technikgebäude wird weiter Telefon-Technik untergebracht sein. Die Telekom stelle nach und nach auf neue, platzsparende Anlagen um. In diesem Zuge will BPD das Technikgebäude verkleinern und frei werdenden Raum ebenfalls mit Wohnbau füllen.
Wie dieser aussehen soll, ist ebenfalls eine Aufgabe für den Architekturwettbewerb. Die große Wiese zu den Schulen und zum Zähringerplatz bleibt erhalten und wird nicht bebaut. "Wir wissen, wie wichtig diese Grünfläche für die Konstanzer ist, sie bleibt auch in Zukunft öffentlich zugänglich", so Beitlich.

Veränderungen dürfte es auch in einem Bereich des Grundstücks geben, den viele Konstanzer gar nicht kennen. Im Inneren des Karrees gibt es noch eine kleine Turnhalle mit einer darunterliegenden Tiefgarage. Anders als die anderen Immobilien, die einst der Post gehörten und über mehrere Hände nun an den neuen Eigentümer BPD gingen, ist sie im Eigentum der Stadt. Ein Verkauf der Einfeld-Halle sei denkbar.
Für sie werde ein deutlich größerer Ersatz geschaffen, vermutlich als Dreifeld-Halle im Bereich des Suso-Gymnasiums, erklärt Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn auf Anfrage des SÜDKURIER. Zugleich könne die Schulhof-Situation für die Theodor-Heuss-Realschule sowie die Gebhardschule deutlich verbessert werden.

Die ebenso überraschenden wie raumgreifenden Planungen werden das Stadtbild über eine Großbaustelle in Petershausen auf lange Zeit prägen: BPD will 2019 mit der Kernsanierung des Hochhauses beginnen, Beitlich bezeichnet die Bausubstanz als "super". Rück- und Wiederaufbau dauerten zweieinhalb bis drei Jahre, sagt er. Die Zeit werde aber für weitere Planungen auf den anderen Teilen des 13 500 Quadratmeter großen Grundstücks genutzt.
Für diesen Teil ist auch ein neuer Bebauungsplan der Stadt erforderlich, während das Hochhaus rechtlich einfach eine Umnutzung erfährt. Deshalb gilt es auch nicht als neue Baumaßnahme im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen. Die Klausel, wonach 30 Prozent der neuen Wohnungen bestimmte Sozialstandards erfüllen müssen, greift also nicht für das Hochhaus.

Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn zeigt sich von den Plänen begeistert: "Das ist eine große städtebauliche und wohnungspolitische Chance für Konstanz", sagte er. Statt kaum genutzter Büros – zuletzt standen im dem Hochhaus ganze Etagen komplett leer – entstehe dringend benötigter Wohnraum. Außerdem verspreche der Architekturwettbewerb auch eine deutlich attraktivere Gestaltung als bisher. Überdies werde durch neueste Technik Energie eingespart.
Beitlich, der mit Bouwfonds und den Stadtwerken am Bahnhof Petershausen bereits ein Pilotprojekt zur Nutzung von Abwärme aus der Kanalisation verwirklicht hatte, sagt: "Wir werden auch hier Umweltstandards setzen."
"Wir unterstützen die Pläne des neuen Eigentümers BPD voll. Das ist eine große städtebauliche und wohnungspolitische Chance für Konstanz."
Karl Langensteiner-Schönborn,
Baubürgermeister
Das Hochhaus und sein neuer Besitzer
- Das Projekt: In Petershausen steht eine Fläche von mehr als 13 500 Quadratmetern zur Neunutzung an. Kernelement ist das frühere Fernmeldeamt. Das Hochhaus ist 62 Meter hoch und wurde 1971 fertiggestellt. Viele Konstanzer empfinden es als Bausünde. Ein Grund für die Bauweise war die Erfordernis, eine Funkantenne in großer Höhe unterzubringen. Mit diesen Aufbauten ist das Gebäude sogar 90 Meter hoch. Nachdem die Post und später die Telekom die Konstanzer Arbeitsplätze immer weiter verlagerten, waren unter anderem die Pharmafirma Altana, die Gebhardschule und Freiberufler dort Mieter. Das Gebäude ging durch mehrere Hände: Die Telekom verkaufte es an die Gesellschaft Corpus Sireo, die es wiederum an einen dänischen Pensionsfonds veräußerte. Jetzt hat die Firma BPD es erworben.
- Das Unternehmen: BPD ist ein Unternehmen, das sich auf Wohnbauprojektentwicklung spezialisiert hat. Das heißt: Es kauft Grundstücke oder bestehende Gebäude, entwickelt eine neue Nutzung und verkauft dann einzelne Einheiten weiter, die Vermietung gehört nicht zum Geschäft. Die Firma ist aus dem niederländischen Unternehmen Bouwfonds hervorgegangen, agiert aber nach eigener Darstellung als komplett eigenständiges deutsches Unternehmen mit Niederlassungen und Aktivitäten fast im ganzen Bundesgebiet. Die Konzernmutter von BPD ist die niederländische Rabobank, ein genossenschaftliches Kreditinstitut. Wegen der gemeinsamen Wurzeln strebt BPD in Konstanz eine neuerliche Zusammenarbeit mit dem Spar- und Bauverein an, der ebenfalls eine Genossenschaft ist.