Stefan Böker

Seit zwölf Jahren betreibt Urs Wyler den Zapfenzieher. Die Bar ist beliebt, quasi ein Kreuzlinger Traditionslokal. Im Oktober 2018 flatterte allerdings die Kündigung ins Haus. Vermieter Christian Siegenthaler wirft Wyler Vertragsbruch vor: Dieser dürfe nur direkt und ausschließlich bei Feldschlösschen Bier beziehen.

Weil Wyler das nicht tat, sondern das Bier weiter bei seinem bisherigen Lieferanten bestellt, schickte der Hausbesitzer ihm die Kündigung ins Haus. Nun trafen sich beide Parteien vor dem Kreuzlinger Bezirksgericht. Am Ende gab es einen Vergleich. Ergebnis: Wyler muss nicht ausziehen und kann den Zapfenzieher weiter betreiben.

„Rachekündigung“, sagt Wylers Anwalt

Bei seiner Kündigung berief sich Hausbesitzer Christian Siegenthaler darauf, dass Wyler seine „Pflicht zu Sorgfalt oder Rücksichtnahme“ im Haus verletzt habe. Dem trat Ruedi Garbauer, der Anwalt von Urs Wyler, entschieden entgegen. Um die Liegenschaft habe der Wirt sich stets gut gekümmert. Weder von Nachbarn noch Hausbewohnern seien diesbezüglich Klagen gekommen, ließ Garbauer das Gericht wissen.

Deutliche Worte fand er für das Vorgehen der Gegenseite. „Das ist eine Rachekündigung, so etwas geht nicht. Mein Mandant muss sich nichts vorwerfen lassen“, sagte Garbauer.

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„Mit jeder Bierbestellung wächst der Schaden“

Seit 1. Januar 2018 müsste Wyler sein Bier direkt und ausschließlich bei der Rheinfeldener Brauerei Feldschlösschen beziehen. So will es ein „Bierliefervertrag„ zwischen Hausbesitzer und Brauerei. Gespräche und mehrfache Mahnungen nutzten aber nichts: Wyler kaufte, wie schon in all den Jahren zuvor, bei seinem Getränkehändler ein.

Noch im Dezember 2018 hatte er dort laut Daniel Petazzi, dem Anwalt Siegenthalers, Weizenbier bestellt. Das habe zu einem finanziellen Schaden beim Hausbesitzer geführt, weil Feldschlösschen auch ihm Rabatte ausgezahlt hätte, wäre exklusiv und direkt dort gekauft worden. „Und mit jeder falschen Bierbestellung wächst der Schaden weiter“, bemängelte Petazzi.

Die Feldschlösschen Brauerei in Rheinfelden in der Schweiz – um ihr Bier geht es bei dem Rechtsstreit zwischen Wirt und Vermieter.
Die Feldschlösschen Brauerei in Rheinfelden in der Schweiz – um ihr Bier geht es bei dem Rechtsstreit zwischen Wirt und Vermieter. | Bild: FEZE

„Bier vermietet man nicht, das trinkt man“

Wylers Anwalt Ruedi Garbauer bestreitet diese „Geschichte mit dem Bierliefervertrag„ auch gar nicht. Für ihn stellen diese Vertragsbrüche aber ausdrücklich keine Verletzung der Sorgfaltspflicht dar. „Diesbezüglich ist es egal, ob Feldschlösschen oder Heineken durch den Zapfhahn fließt“, stellte er fest. „Bier vermietet man nicht, das trinkt man.“ Und auch, dass Wyler weiter Bier von seinem bisherigen Lieferanten beziehe, könne kein Vertragsbruch sein.

„Das ist ein Witz“, kommentierte Anwalt Petazzi diese Ausführungen. Vertragsverletzungen stellen in seinen Augen sehr wohl eine Verletzung der Sorgfaltspflicht dar und seien vergleichbar mit Verstößen gegen die Hausordnung oder nicht genehmigte Untervermietungen. Für Wyler ist eine Direktbestellung bei der Brauerei schlicht ein „unlogischer Lieferweg“.

Früher gab es im Zapfenzieher Calanda. Der Umstellung auf Feldschlösschen hatte er nach einer Befragung seiner Gäste zugestimmt. „Aber dass ich das Bier nicht mehr bei dem Lieferanten meines Vertrauens beziehe, dafür habe ich mein OK nicht hergegeben“, ärgert sich der Wirt. Mittlerweile bestellt er so, wie es der Bierliefervertrag vorsieht.

Volle Bierkrüge – die darf der Traditionswirt Urs Wyler nach dem Vergleich nun weiterhin im Zapfenzieher in Kreuzlingen ausschenken.
Volle Bierkrüge – die darf der Traditionswirt Urs Wyler nach dem Vergleich nun weiterhin im Zapfenzieher in Kreuzlingen ausschenken. | Bild: Theeradech Sanin – stock.adobe.com

Und ausziehen muss er auch nicht. Richter Jürg Roth gelang es, beide Parteien nach den Plädoyers zu Vergleichsgesprächen zu bewegen. Das Ergebnis: Die Kündigung ist erst mal vom Tisch. Urs Wyler darf in seinem beliebten Lokal weiter Bier ausschenken. Über die Details des Vergleichs haben die Verantwortlichen jedoch Stillschweigen vereinbart.