Samstag, 9:20 Uhr:
Es ist ein wenig wie kurz vor Heiligabend, nur, dass die Luft zu frühlingslau ist: Auf dem Petershauser Wochenmarkt hat sich vor beinahe jedem Marktstand eine Warteschlange gebildet. Sieben, zehn, zwölf Menschen stehen jeweils an.
Deutlich früher als sonst sind die Äpfelkisten leer. Nicht jeder Marktbeschicker hat sich auf die Nachfrage einstellen können.
10:15 Uhr:
Beim Friedrichshafener Backwarenstand Zellerbäck sind die Regale weitgehend leer, ein paar Brote gibt es noch. „Wir haben jetzt seit sieben Uhr morgens voll durch Geschäft“, sagt Verkäuferin Marion Gorjanc. „Anders als sonst waren heute viele Fremde unter den Kunden“. Die Menge, die die Kunden kauften sei allerdings nur geringfügig höher als sonst gewesen.

12:40 Uhr, Marktstätte:
Nach dem Trubel auf dem Wochenmarkt ist es in der Innenstadt auffallend ruhig. Kein Gedränge, keine Menschentraube, nirgends. Nicht einmal an den Kassen des Drogeriemarkts bilden sich Warteschlangen. Vereinzelt sitzen ein paar Menschen an den Tischen der Cafés. Normalerweise wäre es hier voller Cafegäste. Aber was ist an diesem Samstag normal?
18:50 Uhr, Petershausen:
Vor dem und im Supermarkt ist es deutlich ruhiger, aber immer noch gut belebt. Der große Ansturm auf die haltbaren Lebensmittel ist vorbei. Wer wirklich Angst hatte, nichts mehr zu bekommen, war schon morgens da.
Reis und Nudeln – ausverkauft
Die Kunden, die jetzt unterwegs sind, füllen ihren Einkaufswagen nur noch dezent. Auf Reis und die meisten Nudelsorten muss niemand mehr spekulieren. Bei der Zahnpasta darf man nicht mehr wählerisch sein: noch drei Sorten zur Auswahl. In einem Drogeriemarkt weist die Verkäuferin eine Kundin darauf hin, dass es um diese Uhrzeit kein Toilettenpapier mehr gebe. „Aber am Montag wieder“, beruhigt sie.
20:07, Innenstadt:
In den Altstadtgassen sorgt die Straßenbeleuchtung für Helligkeit, ebenso wie die Schaufenster. Es ist still. Vereinzelt bummeln Pärchen ohne Eile die Straße entlang. Es ist nicht geboten, Eile zu haben, an diesem Abend findet keine einzige Veranstaltung statt. Am Vorabend hat die Stadtverwaltung sämtliche Veranstaltungen bis mindestens 20. April ausgesetzt, um die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus zu verringern.
„Ich finde das überzogen“, sagt Werner Konstanzer, der mit seiner Familie unterwegs ist. Sie suchen ein passendes Weinlokal für den Abend. „Das öffentliche Leben wird eingeschränkt, bei der Arbeitswelt geschieht aber wenig. Das ist inkonsequent“, sagt er. Er kritisiert die Hamsterkäufe, die nun stattfinden und die die Verwaltung mit ihrem Aufruf, einen Vorrat an Lebensmitteln anzulegen, mit ausgelöst habe.
Restaurantbesuch statt Lichtsinfonie
Andere haben mehr Verständnis: „Wir wollten heute zur Lichtsinfonie“, sagt Frank Gebhard, „gestern hatten wir Premierenkarten fürs Theater. Jetzt waren wir eben etwas essen. Es ist schon befremdlich, dass man das nicht mehr selbst entscheiden darf“, sagt Gebhard. Sie sehe die Maßnahmen allerdings vollständig ein, ergänzt seine Begleiterin. Sie sei selbst Erzieherin und erwarte auch in gewissem Maße, dass ihr Arbeitgeber sie schütze.
Frank Gebhard sieht das im Prinzip ähnlich. Er betreibt ein Hostel auf der anderen Seeseite, „schön wird das jetzt nicht, wenn die Gäste wegbleiben“, sagt er. Aber es sei eben auch eine Herausforderung für die Gesellschaft.
Sonntag, 10:10 Uhr, Petershausen
In diesen Corona-Zeiten bleiben auch Gläubige vorerst allein, zumindest physisch. An der Gebhardskirche hängt ein Anschlag. Auf grellgelbem Papier wird Gottesdienstbesuchern mitgeteilt, dass es bis auf Weiteres keine Andachten mehr geben wird. Mit der Bitte, Gottesdienste im Fernsehen zu nutzen und Menschen, die erkrankt sind, mit Besorgungen zur Seite zu stehen. Das Pfarramt werde weiter informieren.